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Multifunktionär, Provokateur und Erfinder der Tour de Ski

Als FIS-Marketingchef bringt Jürg Capol sanfte Renovationen in den Alpinen Skiweltcup. Am Ziel ist der 53-Jährige aus Zizers noch nicht. Seinen Platz im Langlauf-Geschichtsbuch hat er derweil längst auf sicher.

Johannes
Kaufmann
13.12.18 - 04:30 Uhr
Schneesport
Das verschmitzte Lachen ist sein Markenzeichen: Jürg Capol hätte noch die eine oder andere Idee auf Lager.
Das verschmitzte Lachen ist sein Markenzeichen: Jürg Capol hätte noch die eine oder andere Idee auf Lager.
YANIK BÜRKLI

Ich provoziere gerne», sagt Jürg Capol und bekräftigt dies mit dem für ihn typischen, verschmitzten Lächeln im Gesicht. Seit zwei Jahren wirkt der «Provokateur» als Marketingchef beim Internationalen Skiverband FIS. «Die Ideen des obersten Verkäufers der Sportart decken sich logischerweise nicht immer mit denjenigen der Techniker, die ausschliesslich ihren Sport im Fokus haben», gibt Capol zu bedenken. Eigentlich dürfte sich Capol ja zufrieden zurücklehnen. Die Vermarktungsrechte der Weltmeisterschaften Alpin und Nordisch sind bis und mit 2025, «zu einträglichen Konditionen wie noch nie», wie der Chef-Vermarkter verrät, veräussert. Doch Capol ist bei seinem zentralen Anliegen, der verbesserten TV-Aufbereitung des Alpinen Skiweltcups, längst nicht im Ziel. Er werde dranbleiben und seine Vorschläge den FIS-Tagungen weiterhin unterbreiten.

«Ich denke bei einer sanften Renovation des Weltcups nicht an den Januar mit den Klassikern im Kalender», verrät Capol. Im Fokus steht die Auftaktphase des Weltcups, die abseits der Skifamilie kaum wahrgenommen wird. «Es geht darum, im Speed-Bereich eine Fortsetzungsgeschichte über mehrere Tage zu erzählen», verrät er. Denkbar erscheint eine Mehrtageswertung. Eine Verkleinerung der Startfelder auf maximal 30 Starter ist ein weiteres Kernanliegen. «Wir wollen unsere Stars besser verkaufen. Es gilt eine Dramaturgie während einer vernünftigen Zeitspanne aufzubauen», sagt Capol.

Die Sauna- und Bieridee

Der in Zizers aufgewachsene und heute in Sargans domizilierte zweifache Familienvater hat als Erfinder der Tour de Ski schon einmal mit Erfolg einen Mehrtagesanlass lanciert. Als Langläufer stets im Schatten der Teamkollegen Andi Grünenfelder und Giachem Guidon verharrend, glückte ihm eine verheissungsvolle Funktionärskarriere. Capol war Kurdirektor von Silvaplana, OK-Mitglied der Alpinen Ski-WM 2003 in St. Moritz sowie ab 2004 FIS-Renndirektor Langlauf. Alsbald schlug die Geburtsstunde der Tour de Ski. Capol erfand sie beim gemütlichen Beisammensein in der Sauna im Haus der norwegischen Langlaufikone Vegard Ulvang. «Es war in gewisser Weise eine Bieridee, die in dieser Form niemals bei einer Sitzung entstanden wäre», weiss Capol. Als eigentlicher Coup erwies sich die Lancierung der Berg- und Schlussetappe über die selektive Alpinpiste auf die Alpe Cermis in Val di Fiemme. Eher zufällig war Capol vor Ort bei einem gemeinsamen Ausflug auf den Alpinski mit dem OK-Chef auf diese Idee gekommen. «Die Bedenken der Trainer waren riesig. Doch wir haben dies durchgezogen», sagt Capol.

Zwölf Jahre nach der Lancierung ist die Tour de Ski definitiv nicht mehr aus dem Wettkampfkalender wegzudenken. Mit etwas Verspätung glückte auch der von Capol stets angepeilte Abstecher in die Schweiz. Die angepeilte Etablierung eines Höhepunkts während der Weltcupsaison analog zur Vierschanzentournee ist geglückt. Und die Schlussetappe auf die Alpe Cermis ist abseits von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Jahr für Jahr der Langlaufwettkampf mit der höchsten TV-Resonanz im Kernmarkt Skandinavien. Und doch ist «Erfinder» Capol nicht restlos glücklich mit der Entwicklung der etwas festgefahrenen Tour de Ski. Stillstand bedeutet Rückschritt. Ein «Macher» wie Capol mag das nicht. Er sagt: «Weshalb nicht ein Tour-Start in New York? Das würde die Strahlkraft des Langlaufs aufs Neue erhöhen.» Mit neuen Reizen für die Tour de Ski werden sich freilich seine Nachfolger als Architekten des Langlaufzirkus auseinandersetzen.

Kritischer Blick auf Olympia

Capol bringt mit seinem Lebenslauf einen entscheidenden Vorteil mit. Der 53-Jährige kennt und denkt den Spitzensport aus verschiedensten Blickwinkeln. «Generell würde ich mir vermehrten Pioniergeist wünschen», mahnt Capol, «bloss in alten Denkmustern verharrend, ist eine Weiterentwicklung unmöglich.» Einen kritischen Blick wagt er auch auf die Olympischen Winterspiele. Dem IOC drohen für die Spiele 2026 die Bewerber auszugehen. «Es drängen sich Fragen auf, ob das Konzept noch zeitgemäss ist. Vielleicht wäre es sinnvoll, die Spiele öfter an denselben Austragungsorten oder aber dezentral und länderübergreifend auf bestehenden Anlagen auszutragen», sinniert Capol. Es ist nicht seine Baustelle. Und doch hätte der Querdenker auch für die kriselnde Olympiabewegung die eine oder andere Idee auf Lager.

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