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Nathalie und der Kampf mit den Maschinen

Nathalie von Siebenthal ist die beste Schweizer Distanz-Langläuferin seit Jahrzehnten. Die zierliche Berner Oberländerin kämpft aber gegen eine fast übermächtige Konkurrenz.

Agentur
sda
22.11.18 - 18:10 Uhr
Schneesport
Bereit für den WM-Winter: Nathalie von Siebenthal Anfang November in Davos
Bereit für den WM-Winter: Nathalie von Siebenthal Anfang November in Davos
KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Manchmal bricht der Frust bei Nathalie von Siebenthal kurz durch. Zum Beispiel dann, wenn sie bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang ein bärenstarkes, aus ihrer Sicht nahezu perfektes Rennen läuft - aber zum zweiten Mal innert weniger Tage «nur» auf dem 6. Platz landet und sich mit einem Diplom zufrieden geben muss. Vor den Spielen hatte sie sich ein solches zum Ziel gesetzt, sie hätte also getrost sagen können: «Das war ein tolles Rennen von mir.» Immerhin waren sämtliche fünf vor ihr klassierten Läuferinnen älter als die mittlerweile 25-Jährige aus Lauenen.

Stattdessen wurde sie unmittelbar nach diesem Rennen über 10 km Skating vor den Fernsehkameras von SRF deutlich: «Dann kamen diese Maschinen. Da fragt man sich schon: Was machen wir eigentlich hier?» Die nur 1,58 m grosse und 50 kg leichte Athletin weiss, dass sie gegen eine fast unüberwindbare Konkurrenz aus Skandinavien und Finnland kämpft. Vor dem Start in die neue Saison am Wochenende in Kuusamo ist der Frust aber verflogen. Von Siebenthal nimmt den Kampf an, vermeidet es aber tunlichst, präzise Platzierungen als Ziel zu formulieren.

Umstellung im Klassisch-Training

Der Sommer verlief «tiptop», wie sie vor knapp zwei Wochen in Davos erklärte. «Ich war nie krank oder verletzt.» Sie verzichtete im Frühling auf das Schneetraining in ihrer engeren Heimat auf der Engstligenalp, weil sie eine Pause brauchte. Während der letzten Monate trainierte sie mehrheitlich zuhause im Berner Oberland, machte aber mit einer Ausnahme sämtliche Trainingslager des Kaders mit. Geändert hat sich nicht viel. Cheftrainer Peter von Allmen ist nach wie vor die wichtigste Bezugsperson der Läuferin des Skiclubs Turbach-Bissen. Einzig auf das Training im Klassisch-Stil auf Rollski verzichtete von Siebenthal. «Ich habe mir dabei jeweils schlechte Sachen angewöhnt, die ich mir dann auf Schnee erst wieder abgewöhnen musste», erklärt sie diesen Entscheid. Ihre Stärke liegt aber sowieso in den Skatingrennen oder den gemischten Wettbewerben, in denen sie 2015 in Falun WM-6. (10 km), 2017 in Lahti WM-4. (Skiathlon) sowie eben in Südkorea zweimal Olympia-6. (10 km und Skiathlon) wurde.

An den Grossanlässen wusste von Siebenthal, die 2015 auch U23-Weltmeisterin im Skiathlon war, in ihrer noch jungen Karriere also immer zu überzeugen. Zufrieden ist sie mit den Ehrenplätzen dennoch nicht. Die ehrgeizige Berner Oberländerin will mehr. Sie weiss aber auch, dass dies in Distanzrennen schwierig ist, wenn nicht besondere äussere Umstände die Karten neu mischen. Die physisch und technisch Stärksten setzen sich praktisch immer durch. Im Gegensatz zum Sprint, in dem von Siebenthals Teamkollegin Laurien van der Graaff im letzten Winter ihre ersten beiden Weltcupsiege feierte, gibt es in längeren Distanzen kaum Überraschungen.

Langfristige Ziele

Deshalb vermeidet es von Siebenthal, vom ersten Podestplatz zu sprechen. Nach acht Top-Ten-Resultaten in der letzten Saison - einem 4. Platz im Rahmen der Tour de Ski in Oberstdorf als Höhepunkt - wäre ein solcher aber fällig. Die härtesten Gegnerinnen, die besagten «Maschinen», sind allerdings kaum schwächer geworden. Zwar hängte Legende Marit Björgen im Alter von 38 Jahren die Langlaufski an den Nagel, dafür kehrt ihre norwegische Landsfrau Therese Johaug nach einer Dopingsperre zurück.

Von Siebenthal setzt sich deshalb eher langfristige Ziele. «Ein Top-Ten-Platz im Distanz-Weltcup wäre schön», sagt sie. Zuletzt war sie zweimal Zwölfte. Auch ihr Bestresultat an der Tour de Ski (letztes Jahr Achte) möchte sie verbessern. Konstanz ist ihr wichtiger als ein einzelner Ausreisser nach oben. «Wenn es einen Exploit gibt, dann natürlich am liebsten an der WM», meint sie lachend. In Seefeld lief sie im letzten Winter auf den 9. Platz über 10 km Skating. An der WM werden die 10 km allerdings klassisch gelaufen, so dass der Fokus eher auf dem Skiathlon und den 30 km Skating liegen dürften.

Es kann davon ausgegangen werden, dass von Siebenthal von einem Podestplatz nicht nur träumt, sondern diesen durchaus als Ziel sieht. Sagen mag sie dies nicht öffentlich. «Es geht nicht darum, jemand bestimmten zu schlagen», betont die 25-Jährige. «Ich muss mit der Einstellung an den Start gehen, das Bestmögliche herauszuholen.» Und das kann ja schon ganz weit nach vorne führen. Wohl noch nicht gleich zum Start in Kuusamo, zumal im Norden Finnlands klassisch gelaufen wird. Nathalie von Siebenthal war noch nie eine Schnellstarterin. Aber eine, die weiss, was sie kann und ihre Ziele nicht aus den Augen verliert.

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