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Sofia Goggia kam zurück, sah und siegte

Sofia Goggia lässt sich auch von Knochenbrüchen nicht aufhalten. Die Italienerin gewinnt am Tag nach einer Operation an der linken Hand die zweite Weltcup-Abfahrt in St. Moritz.

Agentur
sda
17.12.22 - 15:03 Uhr
Ski alpin
Sofia Goggia gewinnt auch mit Knochenbrüchen in der linken Hand
Sofia Goggia gewinnt auch mit Knochenbrüchen in der linken Hand
KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Kira Weidle deutete in der Zone der Führenden einen Bückling an. Die Deutsche, die im Zwischenklassement vor der Fahrt von Sofia Goggia vorne gelegen hatte, verneigte sich wie viele andere vor der Leistung der Italienerin. Es war ein kollektives Staunen im Zielraum auf Salastrains, die Bewunderung gross. Worte wie «unglaublich» und «unvorstellbar» waren überall zu hören.

Weidle wurde am Ende Dritte hinter Ilka Stuhec. Die zweifache Weltmeisterin sicherte sich ihren ersten Podestplatz seit fast vier Jahren, als sie innert 24 Stunden in den Abfahrten in Cortina d'Ampezzo Zweite und Dritte geworden war. Ein zweiter Kreuzbandriss, den sie wenig später - und zwei Wochen nach dem Gewinn des zweiten WM-Titels - in der Abfahrt in Crans-Montana erlitt, stand am Anfang der langen Baisse der Slowenin.

Die Schweizerinnen zählten am Samstag in St. Moritz zu den Geschlagenen. Bestklassierte waren Joana Hählen und Jasmine Flury als Neunte und Zehnte. Lara Gut-Behrami fand sich in der Rangliste als Zwölfte wieder, Corinne Suter als Vierzehnte.

Die Grenzen des Machbaren

Ob Stuhec, Weidle oder die Fahrerinnen von Swiss-Ski - sie alle erlebten hautnah eine weitere besondere Vorstellung Marke «Sofia Goggia» mit. Die Italienerin vollbrachte an diesem Samstag in der Tat etwas, wozu wohl nur sie fähig ist - sie, die Draufgängerin, die sich seit jeher stark genug fühlt, die Grenzen des Machbaren auszuloten, die sich furchtlos den Berg hinunterstürzt, als gäbe es kein Morgen. Sie, die das Spiel mit dem Risiko allzu gerne auf die Spitze treibt - und dabei manchmal übertreibt, wie die umfangreiche Liste mit ihren Verletzungen zeigt. Körperliche Havarien gehören für sie zum Alltag einer Skirennfahrerin. Als Warnsignale hat sie Goggia nie verstanden.

Das Drehbuch hätte in Hollywood wohl für ein Heldenepos getaugt - oder auch für einen Film der Kategorie Science Fiction. Goggia schrieb ihre eigene Version des lateinischen Zitats «veni, vidi, vici». Auch die Bergamaskin kam, sah und siegte - und das ging so: Sie kam zurück aus Mailand, wo sie sich in der Klinik La Madonnina operieren liess, betrachtete vor dem Start ihre geschwollene linke Hand, fuhr los - und realisierte eine Zeit, die zum Sieg reichte, ihrem dritten in der vierten Abfahrt in diesem Weltcup-Winter.

Der chirurgische Eingriff war nötig geworden, nachdem Goggia am Freitag in der ersten Abfahrt auf der Piste Corviglia eine Torstange touchiert und dabei Frakturen am zweiten und dritten Mittelhandknochen erlitten hatte. Goggia reiste unverzüglich nach Mailand, wo Spezialisten die gebrochenen Stellen mit Platten und Schrauben fixierten. Am späten Abend kehrte sie ins Engadin zurück - bereits mit der festen Überzeugung, auch am Samstag und im Super-G am Sonntag am Start zu stehen.

Die mentale Seite

Der körperliche Schaden ist das eine. Rennen zu fahren mit einer solchen Verletzung setzt aber auch eine ungemein mentale Stärke voraus. Goggias Selbstvertrauen ist auf jeden Fall gross genug, um auch Rückschläge dieser Grössenordnung auszublenden und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bewiesen hat sie das schon oft. Kostproben ihres Willens, das Unmögliche möglich zu machen, hat sie mehrmals gegeben - letztmals an den Olympischen Spielen im Februar.

23 Tage nach einem schweren Sturz im Super-G in Cortina d'Ampezzo, bei dem sie sich am linken Knie und Wadenbein verletzte, wurde sie in der Abfahrt in Yanqing hinter Corinne Suter Zweite. Obwohl sie das Ergebnis auch unter diesen besonderen Umständen nicht zufriedenstellte, war der Gewinn der Silbermedaille das glückliche Ende eines Wettlaufs mit der Zeit, den auf diese Art nur Goggia gewinnen konnte.

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