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Wenn die Versuchung den Schwinger flachlegt

Der neuste Dopingfall im Schwingen ist der spektakulärste, denn er betrifft einen Bösen. Für Martin Grab gilt die Unschuldsvermutung, solange die B-Probe nicht geöffnet ist und kein Urteil vorliegt.

Agentur
sda
14.07.18 - 01:00 Uhr
Schwingen
Martin Grab wird sich vermutlich selber an der Nase nehmen müssen
Martin Grab wird sich vermutlich selber an der Nase nehmen müssen
KEYSTONE/ALEXANDRA WEY

Martin Grab, siebenfacher Eidgenosse, Sieger des Expo-Schwingets 2002 in Murten, Sieger des Unspunnenfests 2006 in Interlaken, könnte bei einem abschliessend positiven Befund nicht gesperrt werden, oder höchstens mit symbolischer Wirkung. Denn der Schwyzer aus Rothenthurm ist Anfang Mai, rund einen Monat vor seinem 39. Geburtstag, vom Spitzensport zurückgetreten.

Im Fall von Martin Grab gibt es verschiedene Verdachtsmomente, die sich zu einem sehr schweren Verdacht summieren.

- Seinen vorletzten Kranzfestsieg errang er 2012, mit 33 Jahren. Heuer, am 22. April, gewann er mit sechs Siegen gegen jüngere und viel jüngere Konkurrenten das Zuger Kantonalfest. Der Triumph wurde als wundersame Auferstehung gefeiert.

- Grab nahm die aufwendige Saisonvorbereitung auf sich. Die Saison brach er nach nur zwei Teilnahmen an Kranzfesten mit dem Rücktritt ab - rund drei Wochen nach der von Antidoping Schweiz ohne Ankündigung vorgenommenen Probe. Die wichtigsten Feste der Saison, Bergkranzfeste und Teilverbandsfeste, wären erst ab Mitte Juni gekommen.

- Die festgestellte verbotene Substanz ist Tamoxifen. Es wird in erster Linie im Kampf gegen den Brustkrebs eingesetzt. Für dopende Sportler ist es kein leistungsförderndes Mittel. Aber es verschleiert den Gebrauch von Anabolika, den Muskelaufbau-Präparaten, die gerade dem Schwinger erhebliche Vorteile verschaffen können. Sollte auch die B-Probe positiv ausfallen, dürfte Grab trotz seiner jetzigen Beteuerungen der Unschuld grösste Mühe haben zu erklären, wie ein für einen Frauenkörper bestimmtes Medikament in seinen Körper gelangt ist. Sabotage? Aber wer sollte ein Interesse haben, einen Schwinger zu sabotieren, der den Zenit schon vor etwa zehn Jahren überschritten hat?

Seit Ende 2015 ist der Eidgenössische Schwingerverband ESV Mitglied von Swiss Olympic. Die Hoheit über Dopingbekämpfung im Schwingen haben seither der Dachverband und Antidoping Schweiz. Die Schwinger müssen jederzeit mit einer unangemeldeten Kontrolle rechnen, wie sie bei Martin Grab vorgenommen wurde.

Bis Ende 2015 war der ESV lediglich ein zahlender Kunde von Antidoping Schweiz. Die Mitarbeiter der Stiftung nahmen zwar die Kontrollen vor. Wann und wo kontrolliert werden sollte, bestimmte jedoch der ESV.

Aus dem Schwingsport, in dem die rohe Kraft und die Schnellkraft eine herausragende Rolle spielen, waren verhältnismässig wenige Dopingfälle registriert worden respektive bekannt geworden. Obwohl gerade das Schwingen für Doping prädestiniert ist und die Versuchung für die Athleten gross sein muss. Es ist zu vermuten, dass schon mehr Schwinger der Versuchung erlegen sind, als man heute weiss.

Der erste namhafte Fall betraf Beat Abderhalden 2001. Der Bruder des Überschwingers Jörg Abderhalden stritt Doping trotz erdrückender Indizien ab. Er wurde für 18 Monate gesperrt. 2004 trat er zurück.

Bei Thomas Wittwer, dreifacher Berner Eidgenosse, wurden 2005 Spuren von Anabolika festgestellt. Er ist bis heute der einzige erwischte Schwinger, der das Doping ohne Umschweife zugegeben hat. Die zweijährige Sperre bedeuteten das Ende der Laufbahn. Beim Dopingvergehen war Wittwer schon 33 Jahre alt.

Vor dem Fall Grab war der Fall Bruno Gisler am spektakulärsten. Der damals 30-jährige Solothurner wurde 2013 am Eidgenössischen Fest in Burgdorf positiv auf das verbotene stimulierende Mittel Nikethamid getestet. Vor der Dopingkommission des Nordwestschweizer Verbandes kam er mit der abenteuerlichen Erklärung durch, er habe im Medikamentenschrank zwei Sprays verwechselt. Der Verband belegte ihn mit der kürzesten Sperre von einem halben Jahr, obwohl der Hersteller klar gemacht hatte, dass seine Medikamente kein Nikethamid enthalten. Der Kranzgewinn von Burgdorf wurde Gisler aberkannt.

Die analoge Sanktion hat Martin Grab zu gewärtigen. Wird er nach der B-Probe überführt, dürfte er den Sieg vom Zuger Fest und die beiden Kranzgewinne in seiner kurzen letzten Saison verlieren. Dann wird er mit 32 Kranzfestsiegen aufgehört haben statt mit 33.

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