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Im Sommer Südamerikas beginnt ein neues Kapitel

In seinem neuen UAE Team Emirates startet Tom Bohli in Argentinien in die Saison. Vor dem 25-jährigen Radprofi aus Rieden liegen zwei intensive Monate.

Bernhard
Camenisch
26.01.19 - 01:26 Uhr
Mehr Sport
Tom Bohli steht vor seinem ersten Star im Trikot des UAE Team Emirates
Tom Bohli steht vor seinem ersten Star im Trikot des UAE Team Emirates
Fizzino

Man kann es durchaus ein wenig als Neustart bezeichnen, auf jeden Fall ist es ein neues Kapitel in der Karriere. «Es ist ein Schritt nach vorne», sagt Tom Bohli. Nach seinen ersten drei Profi-Jahren im BMC Racing Team und davor drei Jahren in der Nachwuchsequipe von BMC tritt er neu für das UAE Team Emirates, das ebenfalls der UCI World Tour angehört, in die Pedalen. Der Saisonstart erfolgt am Sonntag in Argentinien bei der Vuelta a San Juan Internacional, ein Etappenrennen, das bis am 3. Februar dauert.

Für Bohli ist es die Premiere auf südamerikanischen Strassen. In Kolumbien, in Cali, hat er schon Bahnwettkämpfe bestritten. In Argentinien war der 25-Jährige bis vor wenigen Tagen noch gar nie. Als er zu Beginn der Woche ankam, empfingen ihn Temperaturen um die 40 Grad Celsius – sein Flug hatte ihn aus dem europäischen Winter in den argentinischen Sommer geführt.

Die Festtage hatte Bohli in Belgien verbracht, den letzten Schliff vor dem Saisonstart holte er sich danach im Tessin. Er ist begeistert von den Trainingsbedingungen, die er dort vorfand: «Für die Jahreszeit war es perfekt.» Auch gesundheitlich lief in den letzten Wochen alles glatt, sodass Bohli konstatieren kann: «Meine Form ist dort, wo sie zum jetzigen Zeitpunkt sein soll.» Er sei noch nicht dazu gekommen, Zeitfahrtraining zu machen, es sei bisher um die Ausdauer gegangen, sagt der starke Roller, der 2016 im Prolog der «Drei Tage von Westflandern» seinen bisher einzigen Sieg bei den Profis feierte und im letzten Jahr Zweiter im Prolog der Tour de Romandie wurde.

Als Spezialist geholt worden

In Argentinien spielen die Resultate in den nächsten Tagen keine Rolle. «Ich bin hier, um Form zu holen», erklärt Bohli. «Und es geht darum, eingespielter mit dem Team zu werden und das gegenseitige Vertrauen zu stärken.» Der Riedner, der in Feusisberg wohnt, bestreitet die Vuelta a San Juan mit vier Teamkollegen aus Italien und einem aus Kolumbien.

«Meine Form ist dort, wo sie zum jetzigen Zeitpunkt sein soll.»

Insgesamt besteht das UAE Team Emirates aus 29 Fahrern aus 12 Nationen. Die Leader für Rundfahrten sind der Italiener Fabio Aru (Sieger der Vuelta a España 2015), der dreifache Tour-de-Suisse-Gesamtsieger Rui Costa aus Portugal und der Ire Daniel Martin. In Sprints setzt das Team auf die Fähigkeiten des Kolumbianers Fernando Gaviria, der im letzten Jahr zwei Etappen der Tour de France gewann, und des Norwegers Alexander Kristoff. Auch Bohli wurde für vorerst zwei Jahre als Spezialist dazugeholt: Er soll in Prologs und Einzelzeitfahren brillieren und das Team in Mannschaftszeitfahren als Taktgeber zu Spitzenplätzen führen.

Der Junioren-Weltmeister in der Einzelverfolgung 2012 und mehrfache Medaillengewinner bei U23-Europameisterschaften (zweimal Gold mit dem Team) auf der Bahn ist der einzige Schweizer in seiner neuen Equipe. Die Integration fiel ihm leicht. «Ich kannte alle schon zuvor», sagt Bohli, dem es gefällt, im neuen Umfeld seine Italienisch- und Spanischkenntnisse vertiefen zu können. Um einander noch besser kennenzulernen, trafen sich die Fahrer im November in Abu Dhabi zum Trainingslager, «ein Meet and Greet», wie es Bohli ausdrückt. Obwohl er noch bis zum 31. Dezember 2018 beim BMC Racing Team unter Vertrag stand, hatte er sich schon bald nach seinem letzten Renneinsatz für BMC, die Türkei-Rundfahrt Mitte Oktober, dem neuen Team angeschlossen – dies ist im Profi-Radsport ein normales Vorgehen.

«Es ging eigentlich nahtlos weiter, ich stand schnell in Kontakt mit dem neuen Trainer», erklärt Bohli. Es folgten Leistungstests in Abu Dhabi und Dubai. Im UAE Team Emirates ist Iñigo San Millán, ein US-Amerikaner, Chef des Trainerteams. Auch ansonsten brachte der Teamwechsel für Bohli einige Änderungen mit sich. Nicht zu unterschätzen ist die Veränderung im Material. Bremsen und Gangschaltung unterschiedlicher Hersteller haben ihre Eigenheiten. Er habe mittlerweile aber genug Zeit gehabt, um sich an das neue Material zu gewöhnen, sei jetzt eingespielt, so Bohli.

«Wir vertreten nicht nur ein Team, wir vertreten ein ganzes Land»

Und da ist natürlich noch das neue Team als solches: UAE steht für United Arab Emirates. Seit 2017 fährt das Team unter der Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate, nachdem es die Lizenz der italienischen Lampre-Equipe übernommen hat. Offizieller Sitz ist zwar in Lugano, und das Materialmagazin befindet sich in der Nähe von Mailand. Auch die sportliche und operative Führung ist europäisch: Der frühere Tessiner Profi-Fahrer Mauro Gianetti ist CEO, der Spanier Matxin Joxean Fernandez seit diesem Jahr Teammanager als Nachfolger der italienischen Radlegende Giuseppe Saronni, der als Berater erhalten geblieben ist.

Schon bald ein erstes Highlight

Doch Präsident des Radsportteams ist Matar Suhail Al Yabhouni Al Dhaheri, und das Geld kommt aus dem Königreich auf der arabischen Halbinsel – und dies ist spürbar: «Wir vertreten nicht nur ein Team, wir vertreten ein ganzes Land», hat Bohli schnell festgestellt. Die Einhaltung kultureller Gepflogenheiten wird deshalb auch von den Fahrern des Teams erwartet, etwa der Umgang mit Alkohol.

Weil Bohli nun die Farben des UAE Team Emirates repräsentiert, kommt auf ihn schon bald ein erster Saisonhöhepunkt zu: die UAE Tour vom 24. bis 28. Februar. «Diese Tour ist enorm wichtig für uns, wichtiger ist nur noch die Tour de France. Dass ich im Aufgebot stehe, ist eine riesen Ehre für mich», sagt der Riedner. Ein knapper Monat bleibt ihm somit, um beim «Heimspiel» in bestechender Form zu sein.

Zunächst wird Bohli nach der Vuelta a San Juan nach Kolumbien weiterreisen und vom 12. bis 17. Februar die Kolumbien-Rundfahrt bestreiten. Im Anschluss geht es direkt weiter in die Vereinigten Arabischen Emirate. Erst nach der UAE Tour liegen einige Tage daheim drin, ehe sich Bohli auf das Tirreno–Adriatico (13. bis 19. März) vorbereitet. «Danach sind noch Starts an zwei Klassikern in Belgien geplant, dann ist für mich der erste Teil der Saison beendet, und ich werde eine Pause benötigen», blickt Bohli auf sein Programm in den nächsten zwei Monaten.

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