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Die Gangschaltung verdirbt Bruhin beinahe das Dessert

Bei seiner ersten Teilnahme am legendären Ironman Hawaii erreichte Silvan Bruhin als 30. seiner Altersgruppe in 9:20:58 Minuten das Ziel. Das erhoffte bessere Resultat verhinderten Zickereien seines Velos.

Bernhard
Camenisch
16.10.18 - 08:00 Uhr
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Mit sich war Triathlet Silvan Bruhin nach seiner Premiere am Ironman Hawaii zufrieden. «Ich bin stolz auf meine Leistung», sagt der Maseltranger vom Solenberg. Stolz auch darauf, wie er mit den negativen Begleiterscheinungen während seines Wettkampfs umging. Diese begleiteten den 26-Jährigen am Samstag bei der zweiten Disziplin, dem Velofahren, weit über eine Stunde. Die Probleme waren nicht etwa körperlicher Natur, sondern technischer. Über Nacht war Wasser in die Gangschaltung seines Velos eingedrungen. Als Folge davon machte sich diese immer wieder selbstständig.

«Ein Velo, das richtig schaltet, wäre sehr ideal gewesen», sagt Bruhin lapidar. «Schliesslich geht es auf dieser Strecke ständig auf und ab.» Er habe genau abwägen müssen, ob er schalten oder die schwereren Gänge die Hügel «hinaufwürgen» solle. Auf das kleine Kettenblatt konnte Bruhin gar nie schalten. Und auf den ersten 50 Kilometern, als er immer wieder absteigen und an seinem Velo rütteln und schütteln musste, hatte er sogar nur einen Gang zur Verfügung. Die Verzweiflung war in dieser Phase des Rennens gross: «Ich dachte ein-, zweimal ans Aufgeben, kam aber schnell wieder davon ab.»

Die Vorgabe unter normalen Umständen locker erfüllt

Bruhin ist froh, durchgezogen zu haben. Weil er insgesamt sieben Minuten im Stillstand verbrachte und weitere drei bis vier Minuten wegen Fahrens im falschen Gang in Kauf nehmen musste, geriet die angepeilte Zeit aber noch vor Rennhälfte ausser Reichweite. Ähnlich schnell wie Ende Juli beim Ironman Zürich wollte er sein. Damals hatte er seine Alterskategorie der 25- bis 29-Jährigen in 9:15:44 Stunden gewonnen. Auf Hawaii kam er nach 9:20:58 im Ziel an. Dies war gleichbedeutend mit Rang 26 in der Altersgruppe. «Ich wollte in die Top 15. Unter normalen Umständen wären diese gut dringelegen.» Sieger der 25- bis 29-jährigen Amateure wurde der Schwede Rasmus Svenningsson in 8:34:01.

Der Deutsche Patrick Lange war der Schnellste aller 1667 Männer. Er stellte in 7:52:39 einen neuen Streckenrekord auf. Bruhin schaffte es im Klassement der Männer auf den 252. und im Overall-Ranking auf den 274. Rang. Das zusätzliche Training, das der Ingenieur der Hochschule Rapperswil im August und September eingebaut hatte, verfehlte seine Wirkung nicht. Und seine Nerven hatte er souverän im Griff. Er sei weniger nervös gewesen als vor dem Ironman Zürich, sagt Bruhin. «Schliesslich war Hawaii das Dessert der Saison. Zudem ging es nicht um eine Qualifikation, und in Zürich hatte es natürlich viel mehr Freunde am Streckenrand.»

«Den Ironman Hawaii muss man als Triathlet erlebt haben. Das war eine krasse Sache.»

Mit den klimatischen Bedingungen kam Bruhin, der erst vor acht Jahren mit Triathlon begann, gut zurecht. Überraschend war dies nicht: «Ich mag extreme Temperaturen, egal, ob heiss oder kalt», sagt er, «weil ich dann das Gefühl habe, dass ich weniger leideals die anderen.» Allerdings zeigte sich das Wetter am Samstag gnädig mit den Athleten. Während des Velofahrens war der Himmel bewölkt.

«Beim Rennen in der Lavawüste fühlte sich die Luft aber an, als ob einem ständig mit dem Föhn ins Gesicht geblasen wurde», erzählt Bruhin. In genau dieser Phase legte er nochmals zu und machte einen Platz nach dem anderen gut. Diese Wüste, wo es keine Zuschauer habe, sei der mental härteste Teil, sagt der Maseltranger. «Wenn man dann ständig überholt, macht es viel mehr Spass.»

Nach 3,86 Kilometern Schwimmen und 180,2 Kilometern Radfahren konnte der Maseltranger die letzten beiden Kilometer des abschliessenden Marathons (42,195 Kilometer) – nun wieder vor Publikum – sogar geniessen. «Richtung Ziel in Kona war es ein tolles Gefühl mit den frenetischen Zuschauern. Sie gaben mir nochmals Schwung für die letzten Meter.»

Beeindruckt, aber nicht völlig elektrisiert

Seit er sich intensiv mit Triathlon beschäftigt, wollte Bruhin beim Ironman Hawaii – auch als Ironman World Championship bezeichnet – starten. Er hat nun erlebt, was den Mythos ausmacht. «Ich habe nie einen Triathlon mit so viel Spirit rundherum erlebt, mit so vielen Leuten, die – so hatte ich den Eindruck – fast nur für diese einmal im Jahr stattfindende WM leben.» In Kona sei der Ironman an jeder Ecke omnipräsent gewesen, und von den Helfern sei das hawaiische Motto «Aloha» so vorgelebt worden.

Für Bruhin ist klar: «Den Ironman Hawaii muss man als Triathlet – ob nun Teilnehmer oder Zuschauer – erlebt haben. Das war eine krasse Sache.» Restlos in den Bann ziehen liess sich der 26-Jährige aber nicht. «Ich bin nicht so ‘Hawaii-geil’ wie andere Triathleten. Mir geht es darum, dass dies der Wettkampf schlechthin ist, an dem man sich mit den Besten der Welt messen kann.»

Bruhin war froh, als er das Ironman-Tohuwabohu wieder verlassen konnte. Zusammen mit seiner Freundin Rebekka ist er in den Osten von Big Island (der Wettkampf fand an der Westküste statt) weitergereist. Seit dem 30. September weilen die beiden auf Hawaii. Zunächst gönnten sie sich auf Maui eine Woche Entspannung, ehe vor Ort die unmittelbare Wettkampfvorbereitung erfolgte.

Nach seinem über neunstündigen Triathlon fühlt sich Bruhin gut. Auch wenn die Beine noch ein wenig steif sind, denkt er nicht daran, die Füsse hochzulagern. Er erzählt: «Bis zur Rückreise am Freitag werden wir unsere letzten Tage auf Hawaii mit Wandern und Vulkane anschauen verbringen. Und sicher gehen wir auch noch schnorcheln.»

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