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Das Doppel der Egozentriker

Fabio Wyss aus Rapperswil-Jona und Andri Summermatter aus Eschenbach sind das schnellste Schweizer Kajak-Duo seit vielen Jahren. Die beiden Kanuten harmonieren trotz unterschiedlicher Ambitionen.

Bernhard
Camenisch
28.07.18 - 04:30 Uhr
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Andri Summermatter (links) und Fabio Wyss machen im Kajak-Zweier gemeinsame Sache.
Andri Summermatter (links) und Fabio Wyss machen im Kajak-Zweier gemeinsame Sache.
BERNHARD CAMENISCH

Für die meisten bedeutet der See im Sommer Freizeit und pures Vergnügen. Auch für Andri Summermatter und Fabio Wyss ist er ein Lebensgefühl – aber mit Arbeit verbunden, respektive Training auf dem Zürichsee. Zum Entspannen gehen sie in der Regel nicht aufs Wasser. Und das schon lange anhaltende herrliche Sommerwetter hat für die beiden Kanuten nicht nur Vorteile. «Je mehr Verkehr auf dem See, desto unruhiger ist die Wasseroberfläche», sagt Wyss. Die Trainingsbedingungen werden so erschwert.

Derzeit sind Summermatter und Wyss, die beiden besten Schweizer Regatta-Kanuten, intensiv am Trainieren. Für Summermatter ist dies Alltag. Der 23-Jährige, der seit sechs Jahren in Eschenbach wohnt und für den Kanuclub Schaffhausen paddelt, macht dies professionell. Der 29-jährige Wyss, der seit bald zwei Jahren an der ZHAW in Winterthur Journalismus und Kommunikation studiert, hat derzeit Semesterferien und kann deshalb nach dem gleichen Trainingsplan wie Summermatter trainieren.

Gegenseitiges pushen

Auf dem Wasser geschieht dies gemeinsam im Zweierkajak oder jeder in seinem eigenen Einerkajak. Letzteres geschieht nicht ohne gesundes Konkurrenzdenken: «Im Kanu sind wir beide Egozentriker», sagt Wyss, «darum will jeder im Training der Schnellere sein.» Weil sie sich so aber ständig aufs Neue pushen, profitieren sie voneinander.

Wyss, der im September ein Praktikum in der TV-Sportabteilung vom SRF beginnt, war lange die unangefochtene Nummer 1 unter den Schweizer Flachwasserkanuten. Um im Training herausgefordert zu werden, musste sich der Nidwaldner, der seit einigen Jahren in Rapperswil-Jona wohnt und für den KC Rapperswil-Jona startet, im Ausland umschauen. Vor zwei Jahren qualifizierte er sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, schied dort aber im Vorlauf aus.

«Als wir erstmals zusammen im Boot sassen, hatten wir sogleich eine Power, die sensationell war.»

Danach wusste er, dass er im Einer im Vergleich mit der Weltklasse wohl nicht mehr entscheidend vorwärtskommt und begann sein Studium. Der Zweier mit Summermatter ist für Wyss die Chance, 2020 in Tokio nochmals zu olympischen Ehren zu kommen. Dies aber im Bewusstsein, dass dies ein hochgestecktes Ziel ist.

Einen Chef gibt es nicht

Anders ist die Situation für Summermatter, allein schon altersbedingt. Auch er will in Tokio dabei sein, gerne aber auch alleine im Boot. Der Zweier mit Wyss hat für ihn deshalb nicht den gleichen Stellenwert. Dies gilt auch für den diesjährigen Saisonhöhepunkt, die Weltmeisterschaft vom 23. bis 26. August im portugiesischen Montemor-o-Velho, auf den sich die beiden Paddler derzeit vorbereiten. «Mein Fokus an der WM liegt auf dem Einer», sagt Summermatter. Wyss nimmt ihm diesen Satz nicht übel. Er hat auf ein internes Qualifikationsrennen verzichtet und Summermatter den einen Startplatz, den die Schweiz im WM-Rennen über die olympische 1000-Meter-Distanz hat, überlassen. Einen Einzelstart wird Wyss in Portugal nur im Langdistanzwettkampf (5000 Meter) absolvieren.

Ihr Zweier-Projekt führen Summermatter und Wyss dennoch konsequent aus. Der Routinier, der im Kanu vorne sitzt, und der Aufstrebende, kommen dabei ohne Hierarchie aus: «Einen Chef gibt es nicht», sagt Summermatter. Auch wenn sie sich schon lange kennen, sassen der Rapperswiler und der Eschenbacher im letzten Herbst erstmals im selben Boot. Und es «funkte» sofort: «Die Power, die wir sogleich hatten, war sensationell», sagt Wyss.

Weil er im Winter an einem Tennisellbogen litt, liess in diesem Jahr ein gemeinsamer Einsatz lange auf sich warten. Ausdauermässig habe er den Rückstand wegen des Trainingsausfalls aufgeholt, die Kraft sei aber noch nicht ganz wieder da, erklärt der 29-Jährige. Dass er aber immer besser in Form kommt, zeigte er am letzten Sonntag an den Europaspielen für Studenten in Portugal. Wyss wurde über 1000 Meter Vierter und konnte im A-Final den Rückstand zum Sieger und amtierenden Weltmeister Tom Liebscher aus Deutschland mit vier Sekunden in Grenzen halten. Der Abstand zu Silber betrug gar nur acht Zehntelsekunden.

Wyss’ Steigerungslauf in den letzten Wochen freut auch Summermatter. Die Erwartungen der beiden Kanuten für die WM in vier Wochen werden dadurch nicht kleiner. Sie sind sich einig: «Wir sind konkurrenzfähig.»

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