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Im Berner Oberland auf Höhenflug

Der FC Thun ist das Überraschungsteam der Super League. Mit dem Tabellendritten auf der Erfolgsschiene ist Dominik Schwizer – noch aber nicht so prägend, wie es der Flügelspieler aus Schmerikon gerne wäre.

Bernhard
Camenisch
23.02.19 - 01:22 Uhr
Fussball
Mischt mit dem FC Thun die Liga auf: Die Stockhorn Arena, benannt nach dem Thuner Hausberg, ist zu Dominik Schwizers sportlicher Heimat geworden.
Mischt mit dem FC Thun die Liga auf: Die Stockhorn Arena, benannt nach dem Thuner Hausberg, ist zu Dominik Schwizers sportlicher Heimat geworden.
BERNHARD CAMENISCH

Als Treffpunkt für das Interview schlägt Dominik Schwizer das Einkaufszentrum direkt neben der Stockhorn Arena, Heimstätte des FC Thun, vor. Als er an diesem Montag pünktlich um 12.30 Uhr erscheint, hat er eine Trainingseinheit im Fitnessraum des Klubs hinter sich. Schwizer hätte nicht dort sein müssen, schliesslich ist es für die Spieler des FC Thun der einzige freie Tag der Woche. Doch der 22-Jährige weiss genau: Extraefforts tun ihm nicht nur gut, sie sind auch Ausdruck von Wille und Bereitschaft. Und dies wird registriert.

Einmal von Anfang an

Auch auf dem Platz, ob im Training oder Spiel, ist Schwizer darum bemüht, bei jeder Gelegenheit auf sich aufmerksam zu machen. Zum Thuner Kader gehört er fix, zum Stamm nicht. In der Meisterschaft kommt der Flügelspieler in der laufenden Saison auf acht Teileinsätze. Einmal, am 15. Dezember beim 1:0-Heimsieg gegen GC, stand er in der Startformation. «Würde ich sagen, dass es mir egal ist, nicht öfter zu spielen, wäre das sicher falsch», sagt Schwizer, «doch es könnte schlimmer sein, nämlich, wenn wir Letzter wären und ich nicht spiele. Wenn wir Erfolg haben, ist das für alle gut.»

Erfolg hat der FC Thun jede Menge. Nach 21 von 36 Runden ist er Tabellendritter mit nur zwei Punkten Rückstand auf den zweitplatzierten FC Basel und mit bereits sieben Zählern Vorsprung auf den FC Zürich auf Rang 4. Und im Schweizer Cup spielen die Thuner am kommenden Donnerstag gegen Lugano um den Einzug in die Halbfinals.

«Der erste Einsatz in der Super League war ein megaschöner Moment»

Für Trainer Marc Schneider gibt es derzeit kaum einen Grund zum Wechseln. Das weiss auch Schwizer. Er bezeichnet den 38-Jährigen, der aus Thun stammt und erst in seiner zweiten Saison in der Super League coacht, als sehr wichtig für den Erfolg: «Er lebt uns vor, was wir machen sollen. Er war vor nicht allzu langer Zeit selbst noch Spieler und weiss, wovon er spricht.» Den Höhenflug seines Teams begründet Schwizer auch damit, dass sie immer auf jeden Gegner top eingestellt seien. Von der Akribie, mit der Videostudium betrieben wird, ist der 1,79 Meter grosse Offensivspieler begeistert.

Rasanter Aufstieg

Als Schneider im Sommer 2017 Trainer des FC Thun wurde, war Schwizer mit dem FC Rapperswil-Jona eben in die Challenge League aufgestiegen. Auch persönlich hatte er zu diesem Zeitpunkt einen rasanten Aufstieg hinter sich. Im Frühling 2015 hatte der gelernte Koch noch für die Reserven des FCRJ in der 2. Liga regional gespielt. Dann wurde er vom damaligen Trainer Stefan Flühmann, zu dem er noch immer einen engen Kontakt hat, ins Fanionteam in die Promotion League geholt. Dort entwickelte sich der gebürtige Zürcher Oberländer schon bald zu einem Leistungsträger.

Nach dem Aufstieg kam Schwizer auch in der Challenge League auf Anhieb zurecht. Es dauerte nicht lange, ehe Interessenten anklopften. Im November 2017 unterschrieb der Flügelspieler einen bis 2021 laufenden Vertrag beim FC Thun. Ursprünglich hätte er zunächst noch ein halbes Jahr an den FCRJ ausgeliehen werden sollen. Als sie in der Winterpause der vergangenen Saison Simone Rapp abgaben, entschlossen sich die Thuner, Schwizer per sofort zu holen.

Denkbar unglücklicher Start

Der damals 21-Jährige fühlte sich bereit, in der Super League durchzustarten. Doch schon im ersten Training mit dem neuen Team kam alles anders: Schwizer zog sich einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zu. «Das war wirklich Pech. Aber Hadern war nicht angebracht, das hätte ja nichts an der Situation geändert. Also investierte ich meine Energie in den Aufbau.» Die Integration beim FC Thun fiel Schwizer trotzdem leicht, auch wenn er zuvor keinen seiner Teamkollegen gekannt hatte. Er sei kein Komplizierter, habe es mit allen gut, sagt er.

Wegen eines zwischenzeitlichen kleinen Rückfalls dauerte es bis zum Comeback länger als erhofft. Nach drei Einsätzen im U21-Team war es am 6. Mai 2018 so weit: Schwizer stand in der Schlussphase des Spiels gegen die Grasshoppers erstmals in der Super League auf dem Platz. «Ein megaschöner Moment und ein Ziel, das ich mir gesetzt hatte und das ein Jahr davor noch weit weg schien», erinnert sich Schwizer.

«Beim FCRJ und beim FC Thun ist es ähnlich: Ist man weit oben, verfällt man nicht in eine riesen Euphorie, ist man unten, wird kein Drama gemacht.»

Seit bald 14 Monaten ist er nun beim FC Thun. Und er fühlt sich bei den Berner Oberländern sehr wohl: «Wir haben ein super Team und eine super Stimmung innerhalb der Mannschaft.» Auch das Umfeld gefällt ihm. Trotz sportlichem Höhenflug herrscht im Klub Bodenständigkeit. So essen die Spieler oft im Migros-Restaurant neben dem Stadion zu Mittag.

Als Wohnort hat Schwizer Bern gewählt. Im letzten Sommer ist seine Freundin nach dem Ende ihres Studiums nachgezogen. Der Fussballprofi ist im gemeinsamen Haushalt fürs Waschen und Bügeln zuständig. Dass er mit dem Wechsel zum FC Thun aus dem Elternhaus ausgezogen sei, habe ihm gutgetan, sagt er. «Ich wurde selbstständiger.» Nach Schmerikon, wohin er mit seinen Eltern zügelte, als er in der Lehre war, zieht es ihn weiterhin gerne. Auch zu früheren Mitspielern des FC Rapperswil-Jona besteht regelmässiger Kontakt.

Schwizer verfolgt das Geschehen beim FCRJ. Er ist überzeugt, dass sich dieser aus seiner ungemütlichen Situation befreit, und sagt: «Beim FCRJ und beim FC Thun ist es ähnlich: Ist man weit oben, verfällt man nicht in eine riesen Euphorie, ist man unten, wird kein Drama gemacht.»

Nicht an Europa denken

Weil dies so ist, gerät man beim Überraschungsteam der Super League nicht ins Träumen – auch wenn der internationale Wettbewerb lockt. «Klar, schaut man auf die Tabelle und sieht, was möglich ist. Das ist sehr motivierend. Aber unser primäres Ziel bleibt der Ligaerhalt. Um an Europa zu denken, ist es zu früh», mahnt Schwizer. Er gibt die Schnelllebigkeit im Fussball zu bedenken, erklärt, dass sich von Woche zu Woche vieles verändern könne.

Dies gilt auch für Schwizers Rolle als Ergänzungsspieler. Der Schmerkner ist sich bewusst, dass es an ihm liegt, Argumente für weitere und längere Einsätze zu liefern. «Dem Trainer in den Trainings immer wieder beweisen, dass ich bereit bin. Ihm zeigen, dass ich die Chance nütze, wenn er mir das Vertrauen gibt und ihm dieses Vertrauen zurückgeben – das ist, was ich tun kann.»

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