×

«Der Zeitpunkt war da, um den Spielern ins Gewissen zu reden»

Ob zuvor als Trainer oder nun als Sportdirektor, Stefan Flühmann ist sich beim FC Rapperswil-Jona Erfolg gewohnt. Seit Oktober läuft es dem Challenge-League-Team vom Obersee aber nicht mehr rund. In Panik verfällt der 47-Jährige deshalb nicht, doch am Montag redete er Klartext mit der Mannschaft.

Silvano
Umberg
21.11.18 - 04:34 Uhr
Fussball
Unzufrieden: Die letzten Auftritte des FCRJ haben Sportdirektor Stefan Flühmann überhaupt nicht gefallen.
Unzufrieden: Die letzten Auftritte des FCRJ haben Sportdirektor Stefan Flühmann überhaupt nicht gefallen.
Bild Silvano Umberg

Die zweite Saison nach dem Aufstieg in eine neue Liga sei schwieriger als die erste. Auf diesen Satz greifen Vertreter verschiedenster Mannschaftssportarten immer wieder gerne zurück. So auch die Verantwortlichen des FC Rap- perswil-Jona vor der laufenden Meisterschaft in der Challenge League. Und wie sich aktuell zeigt, ist in ihrem Fall etwas dran.

Der Start in die Saison 2018/19 gelang zwar sehr gut: Mit 16 Zählern hatte sich der FCRJ nach neun Runden auf dem 3. Tabellenrang festgesetzt, in Schlagdistanz zur Spitze. In den folgenden fünf Partien kam aber nur noch ein Punkt hinzu – was den Absturz auf Position 7 zur Folge hatte und das Polster auf den Abstiegsplatz (Rang 10) auf sechs Zähler schmelzen liess.

Eine nicht gekannte Baisse

Es ist dies die grösste Baisse für die Rosenstädter in der zweithöchsten Spielklasse. Im Premierenjahr, das auf dem hervorragenden 5. Rang abgeschlossen wurde, hatte es keinen vergleichbaren Durchhänger gegeben.

Die Situation ist also ungewohnt für den Verein, besonders auch für Stefan Flühmann. Der 47-jährige Finanzspezialist war mit dem Team als Trainer auf einer Erfolgswelle geritten, führte es innert rund dreieinhalb Jahren von der 1. Liga in die Challenge League, übergab es dann aber an Profitrainer Urs Meier. Seither amtet Flühmann als Sportdirektor – und ist somit weiterhin ganz nahe an der Mannschaft dran.

Der Finanzmarkt befindet sich seit Monaten im Abwärtstrend, der FCRJ seit Anfang Oktober ebenfalls. Was beunruhigt Sie mehr?
Stefan Flühmann: Wenn überhaupt, dann eher die Finanzmärkte. Aber dort bin ich ja schon lange dabei und weiss, dass das immer wieder mal vorkommt. Auch im Fussball gibt es solche Tiefs. Es war eigentlich zu erwarten, dass so etwas beim FCRJ irgendwann einmal kommt. Und ich denke, wir sind heute näher an der Realität als in den 18 Monaten davor.

Dennoch: Die Situation ist ungewohnt, speziell für Sie.
Das ist schon so. Der Verein war in den letzten Jahren mehrheitlich auf der Erfolgsstrasse. Aber wir sind darauf vorbereitet. Wir stehen mit beiden Beinen auf dem Boden, sind immer bescheiden geblieben, auch was die Zielsetzung (Ligaerhalt, die Red.) anbelangt. Deshalb verfällt jetzt, da es weniger gut läuft, sicher niemand in Panik.

Was läuft denn momentan schief?
Das Problem ist, dass die Mannschaft die einfachen Sachen nicht mehr richtig macht. Dass Dinge, die man selber steuern kann, wie Wille oder Disziplin, nicht stimmen. Wir lassen zu einfach Tore zu, versuchen es zu sehr mit spielerischen Mitteln. Dabei wäre gerade in der Phase, in der wir uns momentan befinden, Kampfgeist gefragt – und Teamwork. Die Spieler müssen sich voll in den Dienst der Mannschaft stellen. Das wird natürlich momentan intern auch stark thematisiert.

Gehen Sie da als Sportdirektor auch einmal in die Kabine, oder läuft die Kommunikation immer indirekt via Trainer Urs Meier?
Im Normalfall nehme ich mich zurück. Ich gehe schon ab und zu in die Garderobe, aber dann, um andere Sachen zu kommunizieren. Diesen Montag war es anders. Da war für mich der Zeitpunkt gekommen, um zu reagieren, um den Spielern ins Gewissen zu reden, ihnen klarzumachen, was ich von ihnen in den verbleibenden vier Partien bis zur Winterpause verlange. Nämlich vollen Fokus auf den Fussball, ihre Aufgabe. Ich will kein Jammern, keine Ausreden hören, sondern volles Engagement sehen. Wir brauchen keine Einzelkämpfer, sondern müssen als Team auftreten. So wie in der Vergangenheit.

«Auf einigen Positionen mangelt es an Konkurrenzkampf – auch verletzungsbedingt.»
Stefan Flühmann, Sportdirektor FC Rapperswil-Jona

Warum haben Sie gerade jetzt interveniert?
Weil mir respektive der ganzen Sportkommission die letzten Auftritte überhaupt nicht gefallen haben. Man darf verlieren, aber nicht so, nicht wegen einer mangelhaften Einstellung. Zuletzt in Aarau, damals das Schlusslicht, liegen wir nach einer Viertelstunde schon 0:2 hinten (es resultierte eine 0:3-Niederlage, die Red.) –, weil die Spieler dachten, sie könnten die Aufgabe mit Schönspielen lösen. Ein anderes Beispiel war die 1:4-Niederlage im Cup-Achtelfinal gegen Kriens. Es kann nicht sein, dass wir gegen den Aufsteiger vor Heimpublikum derart chancenlos sind. Nach dieser Partie habe ich echt schlecht geschlafen – etwas, das nie mehr vorkam, seit ich nicht mehr Trainer bin.

Die Spieler sagen seit Wochen, sie hätten den Ernst der Lage erkannt, wüssten, was sie zu tun hätten. Warum klappt die Umsetzung nicht?
Das ist ein Prozess – einer, der wie erwähnt für uns eher ungewohnt ist. Die Spieler müssen begreifen, dass sie sich nur gemeinsam aus dieser Lage befreien können. Jeder hat seine Rolle. Diese muss er zu 100 Prozent erfüllen – und seine Eigeninteressen in den Hintergrund stellen. Das haben offenbar noch nicht alle kapiert.

Zeigt sich da, dass durch die Abgänge eines Kim Jaggy, Carlos da Silva, Dennis Salanovic, Berkay Sülüngöz oder auch Valon Fazliu im Sommer viel Routine und Qualität verloren gegangen ist?
Auch, ja. Denn im Gegenzug kamen ja fast ausschliesslich junge Spieler. Die brauchen noch Zeit. Einige sind wohl bei uns auch am falschen Ort, gerade jetzt, wo es nicht so läuft.

Die Verpflichtung des ehemaligen Schweizer Internationalen Michel Morganella Ende Oktober sollte da entgegenwirken.
Absolut. Morganella ist ein Profi durch und durch. An ihm können sich speziell die Jungen ein Beispiel nehmen. Natürlich kann er uns auch mit seinen spielerischen Qualitäten weiterhelfen. Er hat nun drei Spiele für uns absolviert. Seine Leistung war okay, doch da wird mehr kommen, davon bin ich überzeugt. Er musste jedes Mal auf einer anderen Position spielen. Das kann nicht jeder und machte es für ihn nicht gerade einfach. Aber wir sind froh, ihn an Bord zu holen.

«Man darf verlieren, aber nicht so – nicht wegen einer mangelhaften Einstellung.»
Stefan Flühmann, Sportdirektor FC Rapperswil-Jona

Werden weitere Transfers folgen?
Ja. Denn wir haben im Moment ein Problem. Mehrere Schlüsselspieler sind etwas ausser Form, auf einigen Positionen mangelt es an Konkurrenzkampf – natürlich auch verletzungsbedingt (unter anderem fallen mit Goalie Diego Yanz und Verteidiger Egzon Kllokoqi zwei Schlüsselspieler seit Längerem aus; die Red.). Das muss sich ändern. Im Moment können wir jedoch nur Spieler mit Jahrgang 1997 und jünger verpflichten. Wir haben respektive hatten bereits je einen Kandidaten von Xamax, YB und dem FCZ im Visier. Zwei haben abgesagt. Doch wir bleiben selbstverständlich dran – aber immer im Rahmen unserer Budgets.

Und was haben Sie in der Winterpause vor?
Wir gedenken sicher, etwas für die Offensive zu tun ...

... weil Sie Topskorer Aldin Turkes wohl verlieren werden, so wie ein Jahr davor Mychell Chagas?
Macht Turkes so weiter, wird er schwer zu halten sein. Das ist so. Auch falls er bleibt, müssen wir jedoch etwas tun. Er ist im Sturm aktuell die einzige Option. Da sind wir wieder beim Thema «fehlender Konkurrenzkampf».

Bezugnehmend auf die Einstiegsfrage: Wem stellen Sie die bessere Prognose aus? Den Finanzmärkten oder dem FCRJ?
Ganz klar dem FC Rapperswil-Jona. Er wird früher die Kurve kriegen – weil er es selber in der Hand hat und nicht globalen Einflüssen unterliegt.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Fussball MEHR