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Nutella-Panini als Seelennahrung

Tom Bohli hat auch die zweite Woche des Giro d’Italia gemeistert. Manchmal waren die Etappen sogar mit Spass verbunden, denn es werde viel gelacht und zwischendurch etwas Süsses genascht, berichtet der Radprofi aus Rieden. Ein Ärgernis seien dagegen frühe Dopingkontrollen.

Silvano
Umberg
28.05.19 - 04:30 Uhr
Sport
Das Ende naht: Tom Bohli ist froh, dass sich der Giro d’Italia nun in der letzten Woche befindet.
Das Ende naht: Tom Bohli ist froh, dass sich der Giro d’Italia nun in der letzten Woche befindet.
Pressebild UAE Team Emirates

Am Montag genossen die Fahrer an der Italienrundfahrt den zweiten Ruhetag. Wobei: Von Genuss kann keine Rede sein. Tom Bohli hat schon Mühe, überhaupt wach zu bleiben. Mehrfach ist während des Gesprächs am anderen Ende des Telefons ein Gähnen zu vernehmen, zudem spricht der 25-Jährige ungewohnt langsam und leise. «Ich bin ziemlich fertig», gesteht der Riedner nach der zweiten von drei Wochen seiner ersten grossen Rundfahrt.

15 Etappen, knapp 2600 Kilometer und zigtausend Höhenmeter hat Bohli mittlerweile in den Knochen. Weitere sechs Teilstücke und 736 Kilometer liegen noch vor ihm. Von Organisatorenseite zu vernehmen, dass wegen Lawinengefahr der Gavia-Pass, mit 2618 Meter über Meer das eigentliche Dach der Rundfahrt, aus der heutigen Königsetappe gestrichen wurde und diese nun auch 32 Kilometer kürzer ist, habe sich da angefühlt wie eine echte Wohltat. Ähnliche Wirkung hat auf Bohli ein simples Wort: letzte. «Sagen zu können, dass es jetzt in die letzte Woche geht, tut echt gut», begründet er.

Stressiger Ruhetag

Weniger gut kam beim Riedner an, dass gestern kurz vor acht Uhr morgens die Dopingkontrolleure zu Besuch kamen. «Ich wollte eigentlich ausschlafen. Am liebsten würde ich den ganzen Tag nichts andere tun als schlafen, so müde fühle ich mich.» Möglich war das aber auch aus anderen Gründen nicht. «Weil es in der Königsetappe sogleich in eine steile Rampe geht, muss man sich gut vorbereiten», erklärt der Fahrer des UAE Team Emirates. War am ersten Ruhetag nur eine lockere Ausfahrt im Programm gestanden, galt es gestern deshalb auf der Rolle ein Intervalltraining zu absolvieren. Hinzu kam ein Besuch beim Physio wegen des Rückens, eine Massage zur Regeneration und ein unerwarteter Sponsorentermin. «Ein ganz schön stressiger Ruhetag», seufzt Bohli.

Neben all den Torturen, die eine solche «Grand Tour» nun mal mit sich bringt, weiss der Riedner aber auch von schönen Momenten zu berichten. Er nennt die acht Tage, die seine Equipe das Leadertrikot in ihrem Besitz wusste. Zwar hätten sie jeweils nur mit Mineralwasser darauf anstossen können, doch auch so sei dies eine Freude gewesen. «Und diesbezüglich wird uns wohl bis zum Schluss kein anderes Team mehr übertrumpfen.» Für weitere Höhepunkte sorgte einmal mehr das Publikum. «Unglaublich, wie viele Leute da teilweise am Strassenrand stehen.»

Am Berg wird gelacht

Dann sagt Bohli etwas, das im ersten Moment absurd tönt für einen Fahrertypen wie ihn, dessen Qualitäten in der Fläche liegen: «Am meisten Spass macht die Überquerung der Berge.» Dies darum, weil Bohli da, wie viele andere Fahrer, die keine Helferaufgaben haben, nicht ans Limit gehen muss. Es hänge natürlich auch davon ab, wie gut sie, sprich die Fahrer, die ganz hinten das Gruppetto bilden, in Bezug auf das Zeitlimit unterwegs seien. «Gibt es diesbezüglich keine Probleme, fühlt sich das dann an wie eine lockere Trainingsfahrt mit guten Freunden.» Da werde viel gequatscht, gelacht und auch genascht.

Bezüglich Letzterem seien die Fahrer seiner Equipe besonders privilegiert. Dies, weil das Team die Erfahrung gemacht habe, dass es vor allem im mentalen Bereich kontraproduktiv sein kann, allzu strikt auf eine gesunde Ernährung zu achten. «Wir erhalten vom Küchenteam Panini mit Nutella-Aufstrich mit auf den Weg, als Seelennahrung quasi.» Diese Leckerei mache sein Team im Fahrerfeld besonders beliebt. «Da kommen sie dann jeweils bettelnd auf mich zu. Aber allzu viel gebe ich natürlich nicht ab», schildert Bohli und lacht.

Durchkommen als oberstes Ziel

Auf das Ziel für die dritte und somit letzte Woche angesprochen, sagt der Riedner: «Durchkommen, überleben.» Den grössten Bammel hat er vor der heutigen Königsetappe, trotz der Entschärfung – und vor dem 19. Teilstück. «Letzteres ist noch gefährlicher, weil es kurz ist und eine Bergankunft beinhaltet.» Da müssten sie hinten im Gruppetto gut kalkulieren, damit nichts schiefgehe, sprich, man nicht aus der Wertung fliege.

Und wie steht es eigentlich um seine Form? Gab es auch in der zweiten Woche Krisentage wie in der ersten? «Eigentlich nur noch. Allerdings geht es nun ganz vielen Fahrern so. In Relation zum gesamten Feld würde ich daher sagen, ich bin eher im Aufwind», sagt Bohli schmunzelnd.

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