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Der Iran pfeift seine Hilfstruppen zurück

Um eine Eskalation in Nahost zu verhindern, hat der Iran eine der stärksten Milizen im Irak dazu angehalten, ihre Angriffe auf US-Soldaten einzustellen.

Südostschweiz
31.01.24 - 19:00 Uhr
Schweiz & Welt
Teherans Regime demonstriert seine militärische Stärke: Eine Frau passiert ein Graffiti in der iranischen Hauptstadt Teheran, auf dem iranische Soldaten abgebildet sind.
Teherans Regime demonstriert seine militärische Stärke: Eine Frau passiert ein Graffiti in der iranischen Hauptstadt Teheran, auf dem iranische Soldaten abgebildet sind.
Bild Abedin Taherkenareh / Keystone

von Thomas Seibert

Die Kämpfer der Miliz Kata’ib Hisbollah im Irak sind unversöhnliche Gegner der USA. Ihre 10 000 Milizionäre hätten die Finger am Abzug, bis alle amerikanischen Soldaten aus dem Nahen Osten vertrieben seien, erklärte die vom Iran unterstützte Gruppe kürzlich. Seit Beginn des Gazakrieges im Oktober hat Kata’ib Hisbollah, die stärkste Gruppe im proiranischen Milizenverband «Islamischer Widerstand im Irak», US-Truppen im Irak und in Syrien mehr als hundertmal mit Raketen und Drohnen angegriffen. Jetzt stellt sie die Angriffe ein, und zwar auf Wunsch des Irans. Teheran pfeift seine Hilfstruppen zurück, um Militärschläge der USA auf iranischem Territorium zu verhindern.

Kata’ib Hisbollah hat am Sonntag mit einem Drohnenangriff auf den US-Stützpunkt Tower 22 in Jordanien drei US-amerikanische Soldaten getötet. Washington hat Vergeltung angekündigt, um Teheran von weiteren Angriffen abzuhalten. Die iranische Führung gibt sich in ihren öffentlichen Äusserungen furchtlos: Jeder Angriff der US-Amerikaner werde beantwortet, erklärte der Chef der Revolutionsgarde, Hussein Salami. Hinter den Kulissen bemüht sich Teheran aber, seine Helfer in der Region zur Mässigung zu bewegen.

Iran bekommt kalte Füsse

Kurz nachdem US-Präsident Joe Biden erklärt hatte, dass er über Ziel, Art und Dauer amerikanischer Militärschläge als Antwort für den Angriff auf Tower 22 entschieden habe, meldete sich Kata’ib Hisbollah zu Wort. «Wir setzen militärische und geheimdienstliche Operationen gegen die Besatzungstruppen aus», so die Miliz. Begründet wurde dies mit Bitten der irakischen Regierung in Bagdad. Kata’ib Hisbollah liess aber durchblicken, dass sie von ihren Herren in Teheran ins Gebet genommen wurde und dass sie sich deren Befehl nur widerwillig fügt. «Die Brüder im Iran verstehen nicht, wie wir unseren Heiligen Krieg führen und wenden sich nicht zum ersten Mal gegen Eskalationen beim Kampf gegen amerikanische Truppen im Irak und in Syrien», prangert die Miliz an.

Dass Kata’ib Hisbollah sauer ist, könnte daran liegen, dass sie Tower 22 mit Wissen und Zustimmung des Irans angegriffen hatte, wie der Sicherheitsexperte Michael Horowitz von der Beraterfirma Le Beck International sagt. Ohne grünes Licht aus Teheran hätte Kata’ib Hisbollah kaum einen US-Aussenposten in Jordanien mit einer iranischen Drohne beschossen, schrieb Horowitz auf Onlineplattform X. Ob abgesprochen oder nicht: Die iranische Regierung bekommt kalte Füsse. Teheran befürchte Folgen des Drohnenangriffs auf die US-Truppen, sagt Oytun Orhan von der Nahost-Denkfabrik Orsam in Ankara. «Der jüngste Angriff im jordanisch-syrischen Grenzgebiet könnte einen Gegenschlag gegen den Iran selbst auslösen. Der Iran will verhindern, dass diese Schwelle überschritten wird», sagte Orhan unserer Zeitung.

Für Teheran habe der Krieg zwischen Israel und der Hamas zwar Vorteile, etwa weil der Annäherungsprozess zwischen Israel und den arabischen Staaten unterbrochen worden sei, meint Orhan. Doch die militärische Unterstützung proiranischer Gruppen für die Hamas gehe dem Iran allmählich zu weit. «Teheran sagt deshalb seinen Hilfstruppen, sie sollten nach dem jüngsten Vorfall die Spannungen reduzieren», so Orhan. «Der Iran will die Kämpfe in einem kontrollierbaren Rahmen halten.»

Verbündete verfolgen eigene Ziele

Dasselbe Ziel verfolgt die iranische Führung dem Experten zufolge mit sanftem Druck auf einen anderen Verbündeten: die Huthi-Miliz im Jemen. Die Huthi greifen seit November Handelsschiffe im Roten Meer an und haben auch westliche Kriegsschiffe beschossen. Teheran habe mit den Huthi-Chefs gesprochen und eine Deeskalation verlangt, sagt Orhan.

Medienberichten zufolge bat auch China, das Öl vom Iran kauft und Exporte durch das Rote Meer und den Suezkanal nach Europa schickt, die Teheraner Regierung, auf die Huthi einzuwirken. In ihrer jüngsten Erklärung vom Mittwoch kündigten die jemenitischen Rebellen laut iranischen Staatsmedien weitere Angriffe auf mehrere westliche Kriegsschiffe im Rahmen der Selbstverteidigung an, liessen die Handelsschiffe im Roten Meer aber unerwähnt.

«Die Brüder im Iran verstehen nicht, wie wir unseren Heiligen Krieg führen und wenden sich nicht zum ersten Mal gegen Eskalationen beim Kampf gegen amerikanische Truppen.»

Kata’ib Hisbollah , Islamische Miliz

Allerdings zeigt gerade das Beispiel der Huthi, dass sich der Iran nicht unbedingt auf die Zurückhaltung seiner eigentlich Verbündeten verlassen kann. Die jemenitischen Rebellen setzen nach Einschätzung von Fachleuten nämlich ihre eigenen Prioritäten. Die Huthi sind demnach keine Vasallen des Irans, sondern Juniorpartner mit eigenen Interessen, wie es der jemenitische Experte Abdulghani al-Iryani im Gespräch mit unserer Zeitung formulierte. Der Iran hofft zwar darauf, dass die Lage nach dem Angriff auf Tower 22 nicht noch weiter eskaliert. Sicher sein kann er sich dabei aber nicht.

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