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Erster Besuch in Kriegszeiten: Biden verspricht Selenskyj mehr Hilfe

Bei seinem ersten offiziellen Auslandsbesuch seit Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in den USA weitere Hilfszusagen seines wichtigsten Verbündeten bekommen. US-Präsident Joe Biden empfing ihn am Mittwochnachmittag (Ortszeit) im Weissen Haus und kündigte weitere finanzielle, militärische und humanitäre Unterstützung für die Ukraine an. Sein Gast bekam unter anderem ein modernes Patriot-Flugabwehrsystem sowie weitere Munitionslieferungen zugesichert - und den grösstmöglichen Beistand der USA, solange dies notwendig sei. Selenskyj bedankte sich mit eindringlichen Worten für die Unterstützung. Am Abend (Ortszeit) wollte er auch eine Rede vor dem US-Parlament halten.

Agentur
sda
22.12.22 - 00:35 Uhr
Politik
Wolodymyr Selenskyj (l), Präsident der Ukraine, spricht neben Joe Biden, Präsident der USA, während einer Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses in Washington. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Wolodymyr Selenskyj (l), Präsident der Ukraine, spricht neben Joe Biden, Präsident der USA, während einer Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses in Washington. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Keystone/AP/Andrew Harnik

Biden sicherte Selenskyj bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weissen Haus zu, «dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden (...), um seinen Erfolg zu sichern». Er habe die Nato und die EU noch nie so geeint gesehen wie in diesen Kriegszeiten. Mit ihrer Hilfe könne die Ukraine in Friedensverhandlungen erfolgreich sein, weil sie auf dem Schlachtfeld gewonnen habe. Bei der Entscheidung über den Zeitpunkt solcher Gespräche werde er Selenskyj freie Hand lassen.

Selenskyj schlug einen globalen Friedensgipfel vor, bei dem es um die Wiederherstellung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine und die internationale Ordnung gehen müsse. Bis es eine Friedenslösung gebe, diene jeder Dollar an US-Hilfe für die Ukraine auch der globalen Sicherheit. Das Patriot-Luftabwehrsystem werde die Ukraine sicherer machen und sowohl Menschenleben als auch die Energie-Infrastruktur vor weiteren «Terrorangriffen» schützen. «Wir kämpfen wirklich für einen gemeinsamen Sieg gegen diese Tyrannei», sagte Selenskyj mit Blick auf den russischen Aggressor. «Und wir werden gewinnen.» Dessen sei er sich sicher.

Anlässlich des Besuchs von Selenskyj kündigten die USA ein weiteres Militärhilfe-Paket in Höhe von 1,85 Milliarden US-Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro) an. Darin enthalten ist auch die Patriot-Batterie. Insgesamt beläuft sich die US-Militärhilfe für die Ukraine seit Beginn von Bidens Amtszeit bereits auf 21,9 Milliarden US-Dollar. Im Rahmen des nächsten US-Haushalts sollen weitere Milliardenbeträge folgen, die in Kürze vom Kongress gebilligt werden sollten.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar hatte Selenskyj Auslandsreisen vermieden. Für Auftritte auf der politischen Weltbühne - etwa beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau - liess er sich stets digital aus der Ukraine zuschalten. Auch als er im März vor dem US-Kongress die Einrichtung einer Flugverbotszone zum Schutz seines Landes forderte, tat er dies in einer Videoansprache.

Nun wurde er mit einer US-Regierungsmaschine aus Polen eingeflogen. Am Weissen Haus empfing ihn Biden mit rotem Teppich. Während der US-Präsident wie gewohnt im Anzug auftrat, trug Selenskyj einen olivgrünen Armeepullover und eine dazu passende Hose. Anschliessend wurde der Gast ins Oval Office des US-Präsidenten geführt, wo es ein rund zweistündiges Gespräch gab - gefolgt von der Pressekonferenz.

Vor den Journalisten verteidigte Biden das international abgestimmte Vorgehen bei Waffenlieferungen: «Die Idee, dass wir der Ukraine Material geben, das sich grundlegend von dem unterscheidet, was sie bereits hat, würde die Nato, die Europäische Union und den Rest der Welt auseinanderbrechen lassen.» Er reagierte damit auf die Frage, warum die Ukraine nicht sofort alle benötigten Waffensysteme bereitgestellt bekomme. «Wir werden der Ukraine das geben, was sie braucht, um sich selbst zu verteidigen», betonte Biden. Er habe Hunderte Stunden damit verbracht, die europäischen Partner davon zu überzeugen, wie wichtig die fortdauernde Unterstützung Kiews auch für sie selbst sei. «Sie verstehen das vollkommen, aber sie wollen keinen Krieg mit Russland. Sie wollen keinen Dritten Weltkrieg.»

Für Selenskyj ist es der zweite Besuch im Weissen Haus seit Bidens Amtsantritt im Januar 2021. Zuletzt hatte ihn der US-Präsident im Sommer vergangenen Jahres empfangen.

Russlands Führung hatte die USA-Reise Selenskyjs schon vor dem Abflug mit einer Warnung quittiert und wertete die angekündigten Waffenlieferungen als Provokation. «Das alles führt zweifellos zu einer Verschärfung des Konflikts und verheisst an sich nichts Gutes für die Ukraine», wurde Kremlsprecher Dmitri Peskow von russischen Staatsmedien zitiert. Er erwarte nicht, dass Selenskyj nach seiner Reise verhandlungsbereiter gegenüber Moskau sein werde.

Russlands Präsident Wladimir Putin forderte bei einer erweiterten Sitzung des Verteidigungsministeriums am Mittwoch mehr Tempo bei der Aufrüstung und Modernisierung der Streitkräfte. Für die weitere Aufrüstung der Armee gebe es «keine finanziellen Beschränkungen», sagte Putin weiter. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu schlug zudem vor, die Truppe um rund 350 000 Soldaten auf 1,5 Millionen Mann zu verstärken. Ausserdem forderte er die Aufstellung neuer Einheiten im Nordwesten Russlands an der Grenze zu den potenziellen neuen Nato-Staaten Schweden und Finnland.

Die US-Regierung hatte früh öffentlich vor einem Einmarsch Russlands in der Ukraine gewarnt und sich damals auf Geheimdienstinformationen berufen. Seit Beginn der Invasion haben die USA und ihre Verbündeten Russland mit harten Sanktionen belegt. Hinzu kommen Hilfszahlungen in Milliardenhöhe an die Ukraine und umfangreiche Waffen- und Ausrüstungslieferungen für den Abwehrkampf gegen den Aggressor.

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