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Tausende fordern in Bern eine Wende in der Schweizer Iran-Politik

Mehrere Tausend Menschen haben sich am Samstag in Bern an der bislang grössten Iran-Kundgebung seit Beginn der Unruhen beteiligt. Sie forderten den Bundesrat auf, endlich «nennenswerte Massnahmen» gegen das Regime in Teheran zu ergreifen.

Agentur
sda
05.11.22 - 20:33 Uhr
Politik

Zur Demonstration auf dem Bundesplatz aufgerufen hatte die Organisation Free Iran Switzerland. «Frau - Leben - Freiheit» skandierte die Menge.

Die Iranerinnen und Iraner nähmen die Solidarität der hiesigen Zivilgesellschaft durchaus wahr, schrieben die Organisatoren in einem Communiqué. Doch der Bundesrat höre weg. Eine Wende in der Schweizer Iran-Politik sei überfällig.

Dazu gehörten die Übernahme sämtlicher Sanktionen von EU, Kanada und den USA, die Einfrierung aller Bankkonten von iranischen Machthabern und der Schutz iranischer Regimegegner in der Schweiz vor der Ausschaffung.

Als Begründung für die Nichtübernahme solcher Sanktionen durch die Schweiz werden die sogenannten Guten Dienste ins Feld geführt. Die fünf Schutzmachtmandate (für die USA im Iran, für den Iran in Saudi-Arabien bzw. für Saudi-Arabien im Iran, für den Iran in Kanada und für den Iran in Ägypten), welche die Schweiz im Zusammenhang mit dem Iran unterhält, seien in die Abwägung miteingeflossen, hiess es am Mittwoch nach der Bundesratssitzung.

Politologe schüttelt Kopf über Bundesrat

Dafür hat der Politologe Laurent Goetschel kein Verständnis. Gerade nachdem die Schweiz im Zusammenhang mit der Ukraine die Wertegemeinschaft mit der EU unterstrichen habe, wäre die Übernahme der Sanktionen auch gegen den Iran «ein logischer Schritt» gewesen, sagte der Professor an der Universität Basel und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace am Samstagabend in der «Tagesschau» des Deutschschweizer Fernsehens SRF.

Nationalratsmitglieder von SP, Grünen und Mitte solidarisierten sich in ihren Reden mit den Menschen im Iran. «Ihre Freiheit ist auch unsere Freiheit», rief die Berner Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden aus.

Wasserfallen schneidet sich Haare ab

Nationalrätin Flavia Wasserfallen (SP/BE) schnitt sich unter dem Applaus der Menge einen Haarbüschel ab. Den Bundesrat rief sie unter anderem auf, Menschenrechtsorganisationen im Iran finanziell zu unterstützen und sich für eine Uno-Mission einzusetzen, welche die Verbrechen des islamischen Regimes untersuche.

Die Aargauer Mitte-Nationalrätin Marianne Binder warf dem iranischen Regime vor, im Namen Gottes Menschenrechte zu verletzen. «Was für ein Gott soll das sein?» Das sei eine Anmassung. «Zeigen wir, dass wir für die Menschen im Iran da sind und sie in ihrem Freiheitskampf unterstützen.»

Auch IKRK gefordert

Gefordert sei auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), hiess es an der Kundgebung. Die Zustände in den iranischen Gefängnissen seien menschenrechtswidrig, Folterungen und Vergewaltigungen gehörten zum Alltag. Das IKRK müsse dem nachgehen und Gerüchte prüfen, wonach Inhaftierte gezielt getötet würden.

An der Kundgebung wurde zudem für den Aufruf geworben, den 100 Schweizer Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft Mitte Oktober veröffentlicht hatten. Sie hatten den Bundesrat ebenfalls aufgerufen, die Demokratie-Bewegung im Iran zu unterstützen. Über 17'000 Personen haben den offenen Brief bislang unterzeichnet.

Anhaltende Proteste

Auslöser der Proteste im Iran war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini im September. Die iranische Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie die Vorschriften für das Tragen eines Kopftuches nicht eingehalten haben soll. Die Frau starb in Polizeigewahrsam.

Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie den vom islamischen Herrschaftssystem auferlegten Kopftuchzwang. Bei den Protesten sollen nach Angaben aus Oppositionskreisen im Ausland bisher rund 280 Menschen gestorben und über 14'000 verhaftet worden sein.

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