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Personal von Genfer Autisten-Heim ungenügend ausgebildet

Die Missstände in einem Genfer Sonderschulheim für autistische Jugendliche haben laut einem Expertenbericht bereits mit der überstürzten Eröffnung der Institution im Sommer 2018 begonnen. Das Betreuer-Team war von Anfang an unterbesetzt und unangemessen ausgebildet.

Agentur
sda
03.03.22 - 15:54 Uhr
Politik
Gemäss den Experten verfügte das Heim nicht über geeignete Räumlichkeiten. (Archivbild)
Gemäss den Experten verfügte das Heim nicht über geeignete Räumlichkeiten. (Archivbild)
Keystone/MARTIAL TREZZINI

Das Personal sei nicht spezifisch geschult gewesen, um autistische Jugendliche zu betreuen, sagte Francine Teylouni, ehemalige Generaldirektorin des Kinder- und Jugendamts, eine der Autorinnen des Berichts, am Donnerstag vor den Medien in Genf. So habe es im Heim Mancy in Collonge-Bellerive kaum geplante Aktivitäten oder eine Tagesstruktur gegeben - etwas, das für Autisten besonders wichtig sei.

Auch hatte der Direktor keinerlei Erfahrung mit der Leitung eines solchen Heims. Er sah sich von Anfang an mit einer sehr hohen Personalfluktuation konfrontiert. Pierre-Alain Dard, Berater für Jugendjustiz und Co-Autor des Berichts, strich heraus, dass das Heim nicht über geeignete Räumlichkeiten verfügte.

Zudem kritisierten die Experten die mangelhafte interne Kommunikation unter den Mitarbeitenden und den Vorgesetzten. Auch seien schwerwiegende Vorfälle nicht den zuständigen Stellen gemeldet und von der Heimleitung oder der Leitung des medizinisch-pädagogischen Amtes verharmlost worden.

Zusammenfassend kamen die Experten zum Schluss, dass ein Versagen des Systems, und nicht die Fehler einzelner Personen zu den Missständen im Heim geführt haben.

Staatsrätin weist Kritik zurück

Die Vorsteherin des Genfer Erziehungsdepartements Anne Emery-Torracinta (SP) räumte ein Versagen des Staates ein. Sie wehrte sich vor den Medien jedoch vehement dagegen, persönlich Fehler begangen zu haben.

Kritiker bemängeln, die Staatsrätin sei in dem Fall untätig geblieben oder habe nicht schnell genug reagiert. Dazu sagte Emery-Torracinta, sie habe zu jedem Zeitpunkt gemäss den Informationen gehandelt, die ihr zur Verfügung gestanden hätten.

Die Experten empfehlen nun, dass das Heim an eine subventionierte private Einrichtung mit kleineren Strukturen angegliedert wird. Die Jugendlichen, von denen einige nicht sprechen können, sollten individuell betreut werden, schlagen sie vor.

Schwere Vorwürfe

Zu den Missbrauchsvorwürfen, wegen derer das Heim in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten war, äusserten sich die Experten nicht konkret. Dies sei die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sagte Dard.

Vor einem knappen Monat wurden drei Mitarbeiter festgenommen, weil sie einer Bewohnerin mutmasslich nicht verschriebene Medikamente verabreicht hatten. Auch sonst wiegen die Vorwürfe gegen die Betreuer schwer: Kinder und Jugendliche seien eingesperrt, auf den Boden geworfen, in ihren Exkrementen zurückgelassen oder an ihren Kleidern von einem Raum in den anderen geschleppt worden.

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