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Nach Widerstand versenkt Ortsgemeinde die Bierterrasse

Es wird nichts mit einer zusätzlichen Bierterrasse auf dem Rapperswiler Hauptplatz. Nach negativem Echo zieht die Ortsgemeinde ihr Baugesuch zurück. Und muss wieder auf Pächtersuche für das «Rathaus».

Pascal
Büsser
26.01.23 - 04:30 Uhr
Politik
Fläche bleibt frei: In der unteren Ecke des Hauptplatzes (rechts im Bild, vor dem Haus mit den Balkonen bis zur Treppe rechts) hätten 80 zusätzliche Aussensitzplätze samt Zapfhahn für das Restaurant «Rathaus» entstehen sollen.
Fläche bleibt frei: In der unteren Ecke des Hauptplatzes (rechts im Bild, vor dem Haus mit den Balkonen bis zur Treppe rechts) hätten 80 zusätzliche Aussensitzplätze samt Zapfhahn für das Restaurant «Rathaus» entstehen sollen.
BILD PASCAL BÜSSER

Die Ortsgemeinde bezeichnete es als Bereicherung für den ganzen Hauptplatz. Derweil sagte Maximilian Schiedt, CEO der Kramer Gastronomie AG: «Wir setzen alles daran, etwas auf die Beine zu stellen, woran die Menschen in Rapperswil-Jona Freude haben werden und worauf sie stolz sein können.» So wollte das Zürcher Gastrounternehmen das «Rathaus» mit einem neuen Konzept aus seinem Dornröschenschlaf wecken (Ausgabe vom 22. Dezember). Und – das ist der Stein des Anstosses – auf den Hauptplatz expandieren. Rund 80 Aussensitzplätze sollten in der unteren Ecke am Hauptplatz 1 eingerichtet werden.

Dies zusätzlich zu den bereits 64 Sitzplätzen auf der bestehenden Terrasse Richtung Marktgasse. Neu sollten zudem vier Tische mit 22 Plätzen an der Ostfassade des «Rathaus» platziert werden. Um die zusätzlichen Aussenplätze effizient zu bewirten, wollte die Kramer Gastronomie eine Bierleitung auf den Hauptplatz ziehen, mit Zapfhahn und Buffet.

Kritik und Spott statt Freude

Statt Freude und Beifall ernteten der «Rathaus»-Pächter in spe und die Ortsgemeinde als Liegenschaftsbesitzerin Kritik und Spott. Von «Präjudiz», «Erpressung» oder gar «Debakel» war die Rede. Gewichtiger noch als Leserbriefe teils stadtbekannter Persönlichkeiten und mediale Schelten des benachbarten Verlegers dürften bei der Beurteilung der Lage die Einsprachen gegen das Baugesuch gewesen sein, das die Ortsgemeinde Ende Jahr eingereicht hatte. Rund ein Dutzend sind es, wie Geschäftsführer Christoph Sigrist auf Anfrage der «Linth-Zeitung» sagt.

«Es geht der Ortsgemeinde nicht darum, mit einem Baugesuch zu provozieren.»

Christoph Sigrist, Geschäftsführer Ortsgemeinde

Nun hat sich die Ortsgemeinde entschieden, das Baugesuch zurückzuziehen. Der Ortsverwaltungsrat habe diesen Entscheid aufgrund einer «Gesamtbeurteilung» und der wahrgenommenen «Stimmungslage» gefällt, sagt Sigrist – in Absprache mit dem Pächter in spe. «Wenn es Einsprachen gibt, schaut man zum einen auf die Erfolgschancen, aber auch, was solche Verfahren für das Image und was sie auf der zeitlichen Achse bedeuten», sagt Sigrist. Sprich, wie lange ein Gang durch die Instanzen sich noch hätte hinziehen können.

Sowohl der Ortsgemeinde wie auch der Kramer Gastronomie sei es darum gegangen, «etwas für die Leute zu machen», so Sigrist. Zwar gebe es unterschiedliche Stimmen. Die Diskussion, die entstanden sei, habe man aber insgesamt als negativ aufgefasst. Auf einzelne Kritikpunkte in Leserbriefen und den Einsprachen will Sigrist nicht eingehen. Er sagt: «Am Hauptplatz ist es ein Miteinander, das soll man auch pflegen, darum hat die Ortsgemeinde das Baugesuch zurückgezogen.»

Offensichtlich hat der Verwaltungsrat die Lage falsch eingeschätzt. «Es geht der Ortsgemeinde nicht darum, mit einem Baugesuch zu provozieren», sagt Sigrist. «Wäre es von vornherein klar gewesen, dass ein solches Angebot nicht gewünscht ist, hätten wir das Baugesuch nicht eingereicht.»

Ortsgemeinde zurück auf Feld 1

Der Rückzug ist für die Ortsgemeinde mit Bedauern verbunden. «Unser Hauptbedauern ist, dass wir mit Kramer ein Gastrounternehmen mit gutem Ruf gehabt hätten, welches das Haus in seiner Gesamtheit bespielt hätte», sagt Sigrist. Ohne zusätzliche Aussenfläche ist die Firma nicht bereit, das «Rathaus» zu betreiben – aus wirtschaftlichen Überlegungen. Dies hatte sie im Vorfeld angekündigt.

Für die Ortsgemeinde ist es bereits der dritte konkrete Interessent, mit dem es – aus unterschiedlichen Gründen – trotz fortgeschrittener Verhandlungen zu keinem Abschluss kommt. Das «Rathaus», das seit zwei Jahren geschlossen ist, bleibt – abgesehen von der Fasnacht und gelegentlichen Ziviltrauungen – somit für weitere Monate im Dornröschenschlaf.

Doch hätte die Ortsgemeinde nicht den Pachtzins reduzieren können, damit das «Rathaus» für Kramer auch ohne zusätzliche Aussenflächen rentiert? «Die Firma hatte ein Gesamtkonzept, da kann man nicht einfach einen wesentlichen Teil herausbrechen und dies mit einer Pachtzinsreduktion kompensieren», sagt Sigrist. Das «Rathaus» sei zudem eine Liegenschaft im Finanzvermögen, die müsse man gemäss Gemeindegesetz «im weitesten Sinne betriebswirtschaftlich verwalten». Wenngleich der Ertrag angesichts des in der Gastronomie anfallenden Unterhalts über die Jahre bescheiden ausfalle im Vergleich zu vermieteten Wohnliegenschaften.

Und nun? «Der Ortsverwaltungsrat wird nochmals Überlegungen anstellen, wie man umgeht mit dem Haus», so Sigrist. Grundsätzlich sei dieses auf eine gastronomische Nutzung ausgerichtet. Aber: «Es ist ein anspruchsvolles Haus» – mit Bar, Restaurant, zwei kleineren Sälen, dem grossen Ratsaal und einer Wohnung ganz oben. «Das ist nichts für Anfänger.» Es habe schon Interessenten gegeben, die nur einen Teil des «Rathaus» nutzen wollten. Die Ortsgemeinde müsse sich nun überlegen, allenfalls auch auf eine solche Teillösung einzugehen.

 

Kommentar

Altstadt bleibt schwer zu erobern

Pascal Büsser über das Aus für den neuen Betreiber im «Rathaus»

Vor knapp 700 Jahren zerstörten die Zürcher um Rudolf Brun Rapperswil. Den Nachwehen der Brandschatzung wird jährlich beim «Eis, zwei Geissebei» im Rapperswiler «Rathaus» gedacht. Ein zweites Mal liessen sich die Rapperswiler nicht einnehmen. 1656 scheiterte ein erneuerter Zürcher Angriff auf die (Alt-)Stadt.

Nun wollten Zürcher in Form der Kramer Gastronomie AG das «Rathaus» gastronomisch erobern. Doch daraus wird ebenso nichts, wie aus bierseligen Abendrunden auf dem Rapperswiler Hauptplatz. Jedenfalls nicht mit einem Outdoorzapfhahn ebendieser Zürcher Gastrofirma als Quelle. Die Ortsgemeinde hat ein entsprechendes Baugesuch zurückgezogen. Dies, nachdem ein mittlerer Shitstorm über sie hereingebrochen war. Und rund ein Dutzend Einsprachen gegen das Vorhaben eingingen. Mit Personen dahinter, so ist anzunehmen, die das nötige Kleingeld gehabt hätten, das Verfahren noch an höhere Instanzen zu ziehen. Und unbesehen der Erfolgsaussichten lange hinzuziehen.

Strenge Sittenwächter und argwöhnische Konkurrenten sorgen also einmal mehr dafür, dass die Rapperswiler Altstadt für neue gastronomische Konzepte ein schwer zu eroberndes Territorium bleibt. Sei es ein Pop-up-Konzept beim Visitor Center oder ein Betreiber, der den Weg ins Freie sucht.

Mag sein, dass die Ortsgemeinde und Kramer Gastronomie mit etwas sehr grosser Kelle anzurichten versuchten im beschaulichen Rapperswil. Aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten ist der Rückzug indes schade. Und die Frage bleibt, ob die Verhinderer wirklich das öffentliche oder eher ihre partikularen Interessen vertreten.

Sicher ist: Die Rapperswiler Altstadt bleibt auch ohne Stadtmauern ein schwer einzunehmendes Gebiet. Nicht nur für Zürcher.

Pascal Büsser, Dienstchef

pascal.buesser@linthzeitung.ch

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