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Nach dem Wolf gehts dem Parlament um Eishockey

Am zweiten Tag der Februarsession ging es um zahlreiche Anfragen und Aufträge. Die Mehrheit des Parlaments will ein ganzes Wolfsrudel abschiessen. Wir tickerten wie gewohnt für euch.

Philipp
Wyss
14.02.23 - 14:20 Uhr
Politik
Der Grosse Rat tagt am Dienstag den zweiten Tag der Februarsession.
Der Grosse Rat tagt am Dienstag den zweiten Tag der Februarsession.
Bild Livia Mauerhofer

Ticker

Am zweiten Tag der Februarsession hat der Grosse Rat:

  • Den Auftrag Michael zur Anwendung der polizeilichen Generalklausel bei verhaltensauffälligen Wölfen gutgeheissen.
  • Diverse Anfragen und Aufträge behandelt.
  • Den Auftrag Rettich zur Erarbeitung einer kantonalen Sprachpolitik überwiesen und abgeschrieben.
  • Den Anlass des Standespräsidenten, einen Besuch im Eisstadion Davos mit anschliessendem Meisterschaftsspiel abgehalten.

Die Session wird am Mittwoch ab 8.15 Uhr fortgesetzt. Die Debatten sind öffentlich. Wie bei jeder Session tickern wir auch von der Dezembersession für euch.

Blick in die Cafeteria des Grossratsgebäudes in Chur.
Blick in die Cafeteria des Grossratsgebäudes in Chur.

Auf gehts nach Davos

Damit beendet der Bündner Grosse Rat den zweiten Tag der Februarsession. Gemeinsam reist das Parlament nun zu einem Arbeitsbesuch nach Davos. Rund 100 Grossrätinnen und Grossräte und die gesamte Regierung haben die Einladung von Standespräsident Tarzisius Caviezel (FDP, Davos) angenommen. Sie fahren mit Postautos nach Davos, erhalten eine Führung im Eisstadion Davos, nehmen im Stadion das Nachtessen ein und verfolgen im Anschluss das Eishockeyspiel zwischen dem HC Davos und dem dem HC Genf-Servette. Hier gehts zur Bildergalerie.

Caviezels Vorgänger als höchsten Bündner konnten diesen Anlass teils aufgrund der Pandemie nicht durchführen.

Bild Archiv / Eine Deponie in Davos (Symbolbild).

Regierung fordert eine gewisse Grösse bei Deponien und Materialabbau

Weiter geht es mit einer Anfrage von Grossrat Gian Derungs (Mitte, Lumbrein) betreffend Hürden für Deponien und Materialabbau. In seiner Heimatgemeinde Lumnezia scheint es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, neue Bewilligungen für Deponien oder Materialabbau zu erwirken, schreibt Derungs. Die Deponie respektive das Materialablagerungsgebiet bei Porclas geht dem Ende zu und eine Bewilligung für die Erweiterung scheint ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Das gleiche gilt für die beiden Materialentnahmen im Glenner, Plaun Tgiern bei Vrin und Glennerbrücke bei Surin. In Vrin wird noch eine letztmalige Abbaubewilligung für fünf Jahre erteilt, in Surin gar nicht mehr.

Deshalb muss Material ins Lugnez gefahren werden und Deponiematerial muss vom Lugnez in andere Gegenden gefahren werden. Dieser Umstand führt zu vermehrten Transportfahrten, was weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll ist. Für die Bauherren verteuert sich der Bau, für das Klima verschlechtert sich die CO2-Bilanz und den Grundeigentümern entgehen Einnahmen.

Die Regierung verweist in ihrer Antwort auf die gesetzlichen Anforderungen für den Materialabbau und für die Deponierung, die im Bundesrecht geregelt sind: Darüber hinaus sind durch die Behörden die Vorgaben in der Richtplanung sowie in der Nutzungsplanung zu beachten. Die bundesrechtlichen Vorgaben werden im Kanton Graubünden unter Wahrung des grösstmöglichen Handlungsspielraums umgesetzt: Es werden keine über das Bundesrecht hinausgehenden Anforderungen gestellt und die möglichen Handlungsspielräume jeweils zu Gunsten der Nutzungsinteressen ausgenutzt. Die Region Surselva hat in ihrem regionalen Richtplan vier Subregionen festgelegt, wobei das Lugnez der Subregion Ilanz–Flims–Lugnez–Vals zugeordnet wird. Gemäss den bundesrechtlichen Vorgaben darf eine Abbaubewilligung in Fliessgewässern nicht erteilt werden, wenn man dem Fliessgewässer langfristig mehr Geschiebe entnimmt als natürlicherweise zugeführt wird.

Konkret antwortet die Regierung auf Fragen aus der Anfrage wie folgt: Die geforderte Dezentralisierung wird in der behördenverbindlichen Richtplanung bereits berücksichtigt und in der kantonalen Bewilligungspraxis umgesetzt. Die Regierung führte in ihrer Genehmigung zum Richtplan der Region Surselva aus, dass der Materialablagerungsbedarf aus der Gemeinde Lumnezia in den Abbaugebieten im Raum Ilanz abgedeckt werden kann. Es muss deshalb eine Verwertung des Aushubmaterials im Raum Ilanz/Glion angestrebt werden, was angesichts der Umfahrung Ilanz/Glion verkehrstechnisch vertretbar ist. Zudem liegt die Deponie Porclas in einem rutschungsgefährdeten Gebiet und die nächstgelegene Deponie mit genügend Kapazität liegt in einer Entfernung von unter zehn Kilometern. Die konkreten Gründe für die kurz- beziehungsweise mittelfristige Einstellung der beiden Materialentnahmen aus dem Glenner sind das Geschiebedefizit des Glenners und für die Entnahmestelle an der Glennerbrücke bei Surin der Umstand, dass diese Entnahmestelle innerhalb der Aue Surin-Lumbrein von nationaler Bedeutung liegt. Und weiter schreibt die Regierung, dass kleinere Anlagen Anforderungen wie das Schliessen von Stoffkreisläufen, Know-how, eine hohe Professionalisierung nicht erfüllen.

Di. 14.02.2023 - 14.00 Uhr

Und weiter gehts

Der Parlamentssaal im Grossratsgebäude in Chur hat sich nach der Mittagspause wieder gefüllt. Weiter geht es mit dem Auftrag von Grossrat Tobias Rettich (SP, Untervaz) betreffend Erarbeitung einer kantonalen Sprachpolitik. Im Auftrag schreibt Rettich: Eine der Prioritäten im Regierungsprogramm 2021 bis 2024 kennzeichnet die Stärkung der Dreisprachigkeit als Charakteristikum unseres Kantons. Als Antwort auf eine kritische Einschätzung des Zentrums für Demokratie Aarau über die Sprachpolitik Graubünden, hat die Regierung im Oktober 2020 einen Katalog mit 80 Massnahmenvorschlägen für die Förderung der Sprachminderheiten präsentiert. Darin werden allerdings weder konkrete Ziele oder Fristen genannt, noch konkrete Angaben zu den finanziellen Aufwendungen gemacht. Man kann demnach behaupten, dass unser dreisprachiger Kanton heute nicht über eine konsolidierte Sprachpolitik verfügt.

Rettich wirft der Regierung vor, dass sie in den letzten Jahren nicht die nötige Führungsverantwortung gezeigt hat, um die Problematik der sprachlichen Minderheiten anzugehen. Darum fordern Rettich und knapp ein Drittel des Rats die Regierung auf, eine kantonale Sprachstrategie zu erarbeiten und dem Grossen Rat zu unterbreiten. Darin sollen Ziele quantifiziert und terminiert werden. Die Sprachstrategie soll die im «Manifesto GR3 für drei Sprachen» geforderten Punkte aufnehmen und mit konkreten Massnahmen verbindlich umsetzen. Unterstützung bekommt Rettich mittels eines Votums von Grossrätin Nora Saraz Cazin (GLP, Pontresina), einer dreisprachigen Gemeinden im Kanton.

Die Regierung ist der Ansicht, dass der Kanton sehr wohl über eine konsolidierte und effektive Sprachpolitik mit klaren Zielen und einer Strategie verfügt. Es gelten die Verfassung, das Sprachengesetz, die Sprachenverordnung, das Regierungsprogramm und die Leistungsvereinbarungen mit dem Bund und den Sprachorganisationen sowie deren Strategien. Dies schreibt er in seiner Antwort vom Dezember.

Hinzu kommt als strategisches Instrument der Regierung der Massnahmenkatalog, welcher in folgende Handlungsfelder gegliedert ist: Mehrsprachige kantonale Verwaltung; Fokussierung des Mitteleinsatzes auf den Bildungssektor; Governance; Medien und Digitalisierung; Sprachidentität; Territorialitätsprinzip und Massnahmen ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebiets. Die Mehrheit der Massnahmen sind umgesetzt oder befinden sich in Umsetzung. Weiter schreibt die Regierung, dass das Jahresprogramm 2022 bei der Sprachenförderung Ausgaben von 10,2 Millionen Franken vorsah. Mehr als die Hälfte der Sprachenförderungsmittel erhalten die Sprachorganisationen und Nachrichtenagenturen: FMR und SDA-Keystone für Italienischbünden, Fachstelle Mehrsprachigkeit, Ausbau der Sprachkurse der Kantonalen Verwaltung, Gestaltungsrichtlinien für die Signaletik von kantonalen Gebäuden, Verbesserung des Internetauftritts der Dienststellen, Zusammenarbeit mit den zweisprachigen Kantonen, Institutionalisierung des Austauschs mit den Sprachorganisationen und Aufnahme der Sprachenfrage in die Personalverordnung.

Regierungsrat Jon Domenic Parolini (Mitte, Chur) sagt, dass der Kanton in dieser Thematik viel weiter sei, als gemeinhin angenommen. «Wir sind noch nicht am Schluss, es handelt sich aber auch um eine Daueraufgabe», so Parolini. Den Vorwurf der fehlenden Führungsverantwortung lässt die Regierung nicht gelten. Entgegen dem Vorhalt im Auftrag ist die Regierung bei der Förderung der Dreisprachigkeit in den letzten Jahren strategisch und operativ sehr aktiv gewesen und hat viele Massnahmen zum Schutz und zur Förderung der Dreisprachigkeit umgesetzt. Anstatt eine weitere Strategie zu erarbeiten, erachtete es die Regierung als zielführender, die vorhandenen Ressourcen in die Umsetzung und die Entwicklung neuer Massnahmen basierend auf dem Massnahmenkatalog einzusetzen.

Nach einer längeren Diskussion wird der Auftrag Rettich mit 115:0 Stimmen und 0 Enthaltungen überwiesen.

Garderobe im Primarschulhaus in Schiers (Symbolbild).
Garderobe im Primarschulhaus in Schiers (Symbolbild).
Bild Livia Mauerhofer

Lohnungleichheiten in Sonderschulen sollen angepasst werden

Unbestritten wird der abgeänderte  Auftrag von Grossrätin Erika Cahenzli-Philipp (SP, Untervaz) betreffend Überprüfung des Besoldungssystems in Sonderschulinstitutionen überwiesen. Cahenzli-Philipp machte geltend, dass im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens in Graubünden bei der Finanzierungsvoraussetzung verschiedene Besoldungssysteme angewendet werden. So die analytische Funktionsbewertung, welche die betrieblichen Funktionen erfasst, bewertet und wie im kantonalen Besoldungssystem eingereiht. Im Bereich der Sonderschulinstitutionen hingegen wird dieses Besoldungssystem vom Kanton nicht anerkannt. Dies entspricht für die Grossrätin nicht mehr der Realität, da der Kanton für seine Angestellten das Bandbreitenmodell verwendet. Für die Mitarbeitenden der Sonderschulinstitutionen jedoch, mit Ausnahme der Lehrpersonen, der kantonale Einreihungsplan von vor mehr als 20 Jahren.

Die Unterzeichnenden sind der Auffassung, dass diese Ungleichbehandlung, welche auf den «Weisungen zur Finanzierung von Institutionen der Sonderschulung des Kantons Graubünden» beruht, behoben werden muss, damit den Sonderschulinstitutionen die gleichen Chancen zur Rekrutierung von Fachpersonal eingeräumt und diese unbegründeten Lohndiskriminierungen beseitigt werden. Dies ist aufgrund des Fachkräftemangels auch in dieser Branche dringend angezeigt.

Mit dem von knapp 50 Parlamentsmitgliedern unterzeichneten Auftrag soll die Regierung die «Weisungen zur Finanzierung von Institutionen der Sonderschulen des Kantons Graubünden» so anpassen, dass die Lohnungleichheit behoben wird.

In ihrer Antwort schrieb die Regierung, dass der Bündner Spital- und Heimverband (BSH) in Zusammenarbeit mit dem Spitex-Verband Graubünden (SVGR) für seine Mitglieder, zu denen auch die Institutionen der Sonderschulung gehören, eine Überprüfung und Neubewertung des Einreihungs­plans vorgenommen hat. Der BSH und der SVGR präsentierten 2012 die «analytische Funktionenbewertung (AFB)», welche in den Mitgliedsinstitutionen – mit Ausnahme der Institutionen der Sonderschulung – ab 2013 umgesetzt wurde. Die in diesem Zusammenhang beantragte Erhöhung der Lohnsumme von 1,13 Millionen Franken hat die Regierung 2012 abgelehnt.

Heute ist es für die Regierung nachvollziehbar, dass die Ungleichheiten bei einigen Funktionen negative Auswirkungen auf die Stellenbesetzungen haben können. Aufgrund der Vorgabe bezüglich kostenneutraler Umsetzung sowie infolge der finanziellen Entwicklung im Sonderschulbereich mit den steigenden Kosten und den daraus resultierenden Nachtragskrediten 2019 und 2020 von knapp vier Millionen Franken hat die Regierung bisher auf Massnahmen mit jährlich wiederkehrenden Kostenfolgen verzichtet. Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats hat eine Kostenreduktion verlangt. Der vorliegende Auftrag zur allfälligen Anpassung der Mindestbesoldung von Berufskategorien im Sonderschulbereich läuft laut der Antwort der Regierung diesen Bemühungen zuwider. Aufgrund dieser Ausführungen beantragt die Regierung dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag wie folgt abzuändern: Die bestehenden Funktionseinreihungen in den Weisungen zur Finanzierung von Institutionen der Sonderschulung des Kantons Graubünden sind zu überprüfen und bei grossen Lohnungleichheiten anzupassen oder bei Bedarf entsprechend zu ergänzen.

Diesen abgeänderten Auftrag überweist das Parlament kurz vor der Mittagspause mit 111:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen.

Bus von Davos fährt vor dem Kongresszentrum in Richtung Davos Dorf.
Bus von Davos fährt vor dem Kongresszentrum in Richtung Davos Dorf.
Bild Olivia Aebli-Item

Sollen Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs keine Verkehrssteuer bezahlen?

Grossrat Simon Gredig (Grüne, Chur) stellte der Regierung eine Anfrage betreffend Verkehrssteuerbefreiung von Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Gredig schreibt: In Graubünden immatrikulierte Motorfahrzeuge entrichten jährlich eine Verkehrssteuer. Diese Steuereinnahmen kommen nach Abzug der Aufwendungen des Strassenverkehrsamts der Spezialfinanzierung Strassen zugute. Ausgenommen von der Steuerpflicht sind nur Fahrzeuge des Kantons, von Blaulichtorganisationen sowie von Personen mit einer Beeinträchtigung.

Nicht ausgenommen sind Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs (ÖV). Für Linienbusse wie auch die Dienstfahrzeuge von öffentlichen Transportunternehmen müssen Verkehrssteuern entrichtet werden. Der strassengebundene ÖV ist im öffentlichen Interesse und trägt zu einer deutlichen Reduktion der Fahrzeuge auf dem Strassennetz bei. Die meisten Kantone befreien aus diesem Grund Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs von der Verkehrssteuer, beispielsweise St. Gallen, Thurgau oder Schaffhausen.

In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass auf ein Gesuch das Strassenverkehrsamt die Verkehrssteuer für Fahrzeuge, die im öffentlichen Linienverkehr eingesetzt werden, um 50 Prozent reduzieren kann. Der Gesamtbetrag, den Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs im Kanton Graubünden jährlich als Verkehrssteuern entrichten, beträgt 400'000 Franken. Die Verkehrssteuern fliessen in die Strassenrechnung und dienen dem Unterhalt, Bau und Betrieb der Strassen im Kanton sowie dem Langsamverkehr. Der Wegfall oder eine Reduzierung des Betrags müsste durch allgemeine Steuergelder ausgeglichen werden oder würde zu Ausgabenkürzungen im Strassenbereich führen.

In der Surselva träumt man von einem Töditunnel

Nun geht es um die Erschliessung der Surselva durch einen Tunnel von Grossrat Maurus Tomaschett (Mitte, Brigels). Bei Grossprojekten des öffentlichen Verkehrs (Bahn 2000, erste Etappe; Neat) stellt die Bündner Regierung fest, schreibt Tomaschett, dass die finanziellen Mittel vorwiegend in die Wirtschaftsräume zwischen Zürich und Bern geflossen sind. Gestützt auf diese Feststellung hat das Amt für Wirtschaft und Tourismus Graubünden vor über zehn Jahren einen Verkehrsingenieur beauftragt, in einer zweiten Etappe (Bahn 2000, zweite Etappe; Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz) die Interessen des Kantons Graubünden in dieser Angelegenheit zu prüfen. Das Resultat dieser Interessensprüfung wird in der Studie «Zu(g)kunft Graubünden» dargestellt.

Der Kanton Graubünden erhoffte sich vom Projekt eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Graubünden. Diese Erwartung hat sich laut Tomaschett leider, insbesondere für die Surselva, nicht erfüllt. Die Surselva leidet an einer überdurchschnittlichen Abwanderung. Die wirtschaftliche Hauptstütze, der Tourismus, verzeichnet Jahr für Jahr einen markanten Gästerückgang.

Die Studie «Zu(g)kunft Graubünden» zeigt die ungewisse Situation der Surselva in Sachen Machbarkeit des Individualverkehrs und des öffentlichen Verkehrs. Während die Umfahrungen von Trin und Flims realisiert sind, ist der Sattel zwischen Tamins und Schluein mit viel Langsamverkehr der Stolperstein, um die mittlere und obere Surselva in angemessener Zeit zu erreichen. Ausserdem macht der Verkehr aus dem gesamten nördlichen Einzugsgebiet einen Umweg von 90 Kilometer über Chur, um die Surselva zu erreichen. Der Spontangast von morgen reist öfter, bleibt jedoch kürzer am Reiseziel.

Die Studie präsentiert für die Surselva die Variante eines 14 Kilometer langen Tunnels zwischen Linthal und Trun und zeigt so Perspektiven auf, die der Surselva neue Impulse und ideale Rahmenbedingungen geben, um die Herausforderungen eines Randgebietes zu meistern.

Das Projekt der Tödi-Linie (Eisenbahntunnel von Linthal oder Schwanden nach Trun) wäre laut Tomaschett nicht nur als Personen- und Gütertransportbahn ideal, sondern auch als rollende Strasse (für Autos und Lastwagen, analog Vereina). Die Surselva würde sich der Metropole Zürich und dem Flughafen annähern und wäre innerhalb von 75 Minuten erreichbar. Nebst des enormen touristischen Potenzials der Grossagglomeration ist auch das Arbeitsplatzangebot im Wirtschaftsraum zwischen Zürich und Bern als weitere Chance zu betrachten.

Wie Regierungsrätin Carmelia Maissen (Mitte, Castrisch) in ihrer Antwort sagt, ist die Realisierung eines Tödi-Tunnels als isolierte Massnahme aufgrund des beschränkten Nachfragepotentials und der hohen Investitions- und Betriebskosten in absehbarer Zukunft wenig wahrscheinlich. Geplant seien hingegen punktuelle Ausbauten auf der Surselvalinie, wie ein Ausbau der Bahn-/Bus-Drehscheibe Ilanz und Doppelspurinseln im Bereich der System-Kreuzungsstellen.

Die Bündner Regierung hat das Tödi-Projekt mit der Glarner Regierung bisher nicht besprochen. Sie ist aber bereit, dieses Vorhaben auch gegenüber der Glarner Regierung zu thematisieren, um deren Einschätzung über allfällige, gemeinsam zu tätigende Abklärungen mit Bezug auf die Vor- und Nachteile eines solchen Vorhabens in Erfahrung zu bringen.

Ein Gänsegeierpräparat im Bündner Naturmuseum in Chur.
Ein Gänsegeierpräparat im Bündner Naturmuseum in Chur.
Bild Olivia Aebli-Item

Regierung behält Gänsegeierpopulation im Blick

Weiter geht es um ein «neueres» Wildtier in Graubünden, den Gänsegeier. Grossrat Thomas Roffler (SVP, Grüsch) stellte der Regierung eine Anfrage betreffend der steigende Population des Gänsegeiers. Im Sommer wurde im Kanton Graubünden vermehrt das Aufkommen des Aasfressers sowie Schäden im Rahmen der Weidehaltung bei Nutztieren festgestellt. Ein Wachstum der Gänsegeierpopulation wird in Zukunft auch die Schäden bei der Nutztierhaltung erhöhen und die natürliche Weidehaltung belasten und erschweren, so Roffler. Gänsegeier sind geschützt und bestens auf das Ausnehmen von Kadavern angepasst. Ganz selten werden lebende Tiere von Gänsegeiern angegangen. Davon betroffen sind in der weit überwiegenden Zahl junge und geschwächte Tiere. Er und knapp ein Drittel des Parlaments stellten der Regierung folgende Fragen:

Was unternimmt die Regierung gegen das steigende Aufkommen des Gänsegeiers?

Das Amt für Jagd und Fischerei verfolgt die Einflüge der nichtbrütenden Gänsegeier in den Sommermonaten seit Jahren. Es dokumentiert und untersucht diese sowie die damit einhergehenden Übergriffe auf Nutztiere und erfasst die Daten im Meldesystem der Schweizerischen Vogelwarte Sempach (ornitho.ch). In Graubünden werden seit knapp 20 Jahren regelmässig Gänsegeier beobachtet. 2022 traten erstmals Grossgruppen von bis zu 70 Vögeln auf. Sie suchten während der Sömmerungszeit die verschiedenen Gebiete mit vorangegangenen Wolfsrissen auf (Val Cristallina, Scharboda, Stutzalp, Val Curciusa, Calfeisental, Klosters etc.). Welchen Einfluss ein Wachstum der Gänsegeierpopulation in Zukunft auf die Nutztierhaltung und insbesondere auf die natürliche Weidehaltung haben wird, ist zurzeit nicht abschätzbar. Die Regierung beobachtet die weitere Entwicklung mit der nötigen Aufmerksamkeit.

Hat der Kanton aktuelle Zahlen der Population? Wie beurteilt die Regierung die Populationsentwicklung in Zahlen in den nächsten Jahren?

Gänsegeierpopulationen bestehen in den französischen Westalpen, Cevennen und dem Massif centrale. Dort haben die Gänsegeier-Bestände in den letzten 30 Jahren auch infolge Aussetzungsprogrammen in Nationalpärken stark zugenommen. In Frankreich sieht die Populationsentwicklung wie folgt aus: 350 Brutpaare (Bp.) im Jahr 2000, 450 Bp. im Jahr 2006 und 640 Bp. im Jahr 2020. Weil die Gänsegeier in der Schweiz beziehungsweise in den Zentralalpen nicht brüten, hat sich bei uns keine Population etabliert. Noch nicht geschlechtsreife Gänsegeier schliessen sich aber zu Gruppen zusammen (auch mit jungen Mönchsgeiern) und durchstreifen zusammen weite Teile der Alpen. Bis anhin waren aus Zentraleuropa solche Sommereinflüge fast nur aus den Salzburger Alpen bekannt, wo Tiere aus der Balkanpopulation auftraten. Aufgrund des Wachstums der Populationen in Frankreich steigt die Anzahl der umherstreifenden Individuen auch in der Schweiz. Es ist anzunehmen, dass die Anzahl Brutpaare in Frankreich und die Schwärme der Nichtbrüter in der Schweiz und in Graubünden weiter zunehmen werden.

Welche Möglichkeit der Regulation hat der Kanton gegenüber der Gänsegeierpopulation?

Da es sich um eine geschützte Tierart handelt, hat der Kanton keine Möglichkeit, diese Bestände zu regulieren. Bei Beobachtung von Übergriffen auf lebende Nutztiere ist vorgesehen, Vergrämungsmassnahmen anzuwenden.

Welche Auswirkung hat der Gänsegeier auf die einheimische Vogelpopulation?

Der Gänsegeier komplettiert zusammen mit dem seltener beobachteten Mönchsgeier die Gemeinschaft der aasfressenden Vogelgemeinschaft der Alpen, die sich bisher zusammensetzte aus: Steinadler, Rot- und Schwarzmilan, Kolkrabe, Rabenkrähe, Alpendohle und Bartgeier. Da jede Art ihre ökologische Nische besetzt und weil der Gänsegeier auf ein grosses Angebot von Tierkadavern angewiesen ist, werden sich der Einflug und die Konkurrenzsituationen in Grenzen halten. Der in Graubünden brütende Bartgeier wird auch durch das verstärkte Auftreten des Gänsegeiers kaum gestört, weil sich der Bartgeier auf den letzten Abschnitt der Kadaverwertung, das Fressen von Knochen, spezialisiert hat.

Di. 14.02.2023 - 10.30 Uhr
Zwei Jäger mit einem Hirschkalb (gestellte Aufnahme).
Zwei Jäger mit einem Hirschkalb (gestellte Aufnahme).
Bild Olivia Aebli-Item

Hirschwanderung ist für die Jagd eine Herausforderung

Nach der Pasue geht es weiter mit der Anfrage von Grossrat Werner Natter (FDP, Tomils) betreffend Umsetzung der «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021». Die laufend erarbeiteten Wald-Wildberichte des Kantons Graubünden zeigen in aller Deutlichkeit, dass weite Teile des Bündner Walds infolge überhöhter Schalenwildbestände besorgniserregende Verjüngungsdefizite aufweisen. Dies ist angesichts des Klimawandels besonders gravierend. Denn das Schalenwild geht in hohem Masse diejenigen einheimischen Baumarten an, denen eine tragende Rolle im zukünftigen Schutzwald zugeschrieben wird, beispielsweise die Weisstanne sowie Laubbäume wie Eiche, Linde und Ahorn.

Anhand monetärer Bewertungen der Wildschäden, welche fallweise in den Wald-Wildberichten enthalten sind, werden die Kosten abgeschätzt, die entstehen werden, um unter dem aktuellen Wildeinfluss die Schutzwirkung der Bündner Wälder in Zukunft aufrecht zu erhalten. Darauf basierende Hochrechnungen ergeben, dass die Waldbesitzer und die öffentliche Hand nicht nur für Wildschutzmassnahmen, sondern für Verbauungen und Notmassnahmen in Schutzwäldern in den nächsten 50 Jahren rund eine halbe Milliarde Franken investieren müssten.

Als Folge dieser beunruhigenden Perspektive hat die Regierung am 13. August 2021 die «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» verabschiedet. Um die darin formulierten Ziele erreichen zu können, werden mehrere Massnahmen formuliert. Ein zentrales Element dabei ist die Reduktion der überhöhten Schalenwildbestände. Dies bedeutet ein Paradigmenwechsel in der Jagdpolitik. Deshalb bedarf es einer guten Information der Anspruchsgruppen aus Forst und Jagd. Aber auch in der breiten Gesellschaft muss das Bewusstsein für die Problematik der Wildschäden im Schutzwald, die Notwendigkeit der Reduktion der Wildbestände und die Bedeutung der Jagd gefördert werden. So wurde die Strategie den Bündner Waldeigentümern anlässlich ihrer Generalversammlung bereits im August 2021 eingehend vorgestellt.

Wichtig für den Erfolg der Strategie ist also, dass die Reduktion der Wildbestände in der Jagdplanung ihren Niederschlag erfährt und von der Jägerschaft umgesetzt wird. Nun wird aber bereits in diesem Jahr auf Antrag der Delegiertenversammlung des Bündner Kantonaler Patentjäger-Verband BKPJV die Dauer der Sonderjagd im November und Dezember pro Hirschregion auf maximal 10 halbe Tage beschränkt, d. h. gegenüber dem Vorjahr wieder reduziert, wie in der Einleitung zu den Jagdbetriebvorschriften 2022 unter Punkt 5 zu entnehmen ist. Eine länger dauernde Jagd ist ausschliesslich auf ausgeschiedenen Wald-Wild-Problemflächen zugelassen. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der Hirsch ein ausgesprochen mobiles Verhalten in Raum und Zeit aufweist. So entstehen Schäden oft durch Zuwanderung von Tieren aus benachbarten Hirschregionen. Die Jagd auf den Hirsch sollte deshalb über alle Regionen und genügend lange durchgeführt werden.

In iher Antwort schreibt die Regierung: Die «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» ist der Grundbaustein, um die Wald-Wild-Situation im Kanton Graubünden bis 2035 etappenweise zu verbessern. Mit der Reduktion bzw. Regulierung der Wildbestände muss die Jagd einen wichtigen Beitrag zur Zielerreichung leisten. Die Entwicklung der Frühlingsbestände der vergangenen drei Jahre (2020-2022) zeigt, dass die Trendwende eingeleitet und der kantonale Hirschbestand rückläufig ist. Die Erreichung der jagdlichen Ziele gemäss Strategie Lebensraum Wald-Wild hat für das Amt für Jagd und Fischerei (AJF) weiterhin hohe Priorität. Allein durch die jagdliche Regulierung der Wildbestände können die Wald-Wild-Probleme aber nicht gelöst werden. Es ist erwiesen, dass ebenso waldbauliche Massnahmen und die Sicherstellung ungestörter und geeigneter Lebensräume entscheidend und zur Verbesserung der Wald-Wild-Situation vonnöten sind.

Die Unterzeichnenden stellen der Regierung die folgenden Fragen:

In welcher Form hat der Kanton neben den Waldbesitzern auch die Jägerschaft und die breite Öffentlichkeit über die neue «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» informiert, insbesondere über die Notwendigkeit der Reduktion der Wildbestände, und wie wird dieser Informationsfluss in Zukunft sichergestellt?

Die «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» wurde mittels Medienmitteilung kommuniziert. Das AJF orientiert die breite Öffentlichkeit und die Jägerschaft regelmässig in Medienmitteilungen, in Fachbeiträgen und Vorträgen zu Themen der Jagd. Aktuell arbeiten das Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) und das AJF mit externer Unterstützung an einem einheitlichen Kommunikationskonzept, um den Informationsfluss langfristig sicherzustellen. Schliesslich kommt neben dem Kanton auch den Gemeinden als Waldeigentümerinnen eine wichtige Funktion nicht nur in der Sensibilisierung der Bevölkerung, sondern auch im proaktiven Schutz des Waldes zu.

Sieht die Regierung in der Verkürzung der Dauer der Sonderjagd des Hirsches keinen Widerspruch zur «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021»?

Der Richtwert von zehn Sonderjagdtagen mit der Möglichkeit, diese lokal in Wald-Wild-Problemgebieten zu verlängern, ist aus wildbiologischer, tierschützerischer und jagdplanerischer Sicht sinnvoll und steht im Einklang mit der «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021». Demgegenüber beeinträchtigt eine grossräumige Verlängerung der Jagd ungeachtet der äusseren Bedingungen den hohen tierschützerischen, ethischen und ökologischen Standard der Bündner Jagd und steht somit im Widerspruch mit der Strategie (mit dem zweiten Oberziel). Eine generelle Verlängerung der Sonderjagd, wie sie im Jahr 2021 anberaumt worden war, hat ausserdem gezeigt, dass eine solche Verlängerung nicht nur unverhältnismässig grosse Störungen in den Winterlebensräumen verursacht, sondern auch bei der Jägerschaft und der Bevölkerung auf Unverständnis stösst. Ausserdem bringt sie die Jägerschaft an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, was sich in der Bescheidenheit der Jagdstrecke nach dem zehnten Jagdtag gezeigt hat. Für die mittel- bis langfristige Erreichung der jagdlichen Ziele ist entscheidend, dass die Jägerschaft von den jagdlichen Massnahmen überzeugt ist und die Umsetzung auch realistisch ist.

Wie berücksichtigt die Regierung in der Jagd vom November/Dezember die zeitlich variable Wanderschaft der Hirsche, damit die Abschusspläne entsprechend der «Strategie Lebensraum Wald-Wild 2021» erfüllt werden?

Die Hirschwanderung stellt für die Planung der Jagd in Graubünden eine grosse Herausforderung dar. In Jahren mit üblichen Wanderbewegungen funktioniert die Sonderjagd sehr gut und die Abschusspläne können nach der Zuwanderung der Hirsche in die Wintereinstände effizient erfüllt werden. Je nach Wetterlage oder Grossraubtiersituation kann es sein, dass die Hirsche erst nach dem 20. Dezember oder gar nicht in die Wintereinstände wandern. Damit sie sich trotzdem nicht dem Jagddruck entziehen und die Abschusspläne erfüllt werden können, wird der Start der Sonderjagd massgeblich durch den Status der Wanderbewegungen bestimmt und den Witterungsverhältnissen angepasst. Die dafür notwendige Flexibilität wird dem Fachdepartement durch die kantonale Jagdgesetzgebung eingeräumt.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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