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Abtretende Grossrätinnen und Grossräte - Teil 5

Für 53 Mitglieder des Bündner Grossen Rates war die Junisession gleichbedeutend mit dem Abschied aus dem Parlament. Wir haben allen alt Grossrätinnen und alt Grossräten drei Fragen gestellt.

Südostschweiz
19.06.22 - 16:00 Uhr
Politik

Pascal Pajic, 2018 bis 2022 (SP)

Politischer Höhepunkt während der Amtszeit:
Es hat mich unglaublich gefreut, als erstes offen queeres Parlamentsmitglied Vorstösse zu queeren Thematiken wie bspw. Hate Crimes oder Konversionsmassnahmen einzubringen und für die queere Bevölkerung zu kämpfen.

Politischer Tiefpunkt während der Amtszeit:
Als während der Corona-Pandemie wir es nicht geschafft haben, kurzzeitig unsere Aufgaben und Verantwortung wahrzunehmen und Sessionen ausfallen liessen.

Am meisten vermissen werde ich:
Die Diskussion mit den Ratsmitgliedern aus anderen Parteien.

Urs Hardegger, 1997 bis 2022 (bis 2008 SVP, 2008 bis 2021 BDP, bis 2022 Die Mitte)

Politischer Höhepunkt während der Amtszeit:
Keine speziellen Höhepunkte. Ich freute mich, wenn ein Vorstoss in meinem Sinne überwiesen und umgesetzt worden ist. Ich habe mich schwerwiegend in der Kommission für Gesundheit und Soziales und damit für ein funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem eingesetzt. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Fachkräftemangel in allen Branchen sind mir ein grosses Anliegen bereiten mir als Leiter von Pflegeeinrichtungen Sorgen.

Politischer Tiefpunkt während der Amtszeit:
Ablehnung der 1. Vorlage der familienergänzenden Kinderbetreuung aufgrund eines Referendums der jungen SP. Diese hatte sehr negative Folgen für die Kindertagesstätten im Kanton Graubünden.

Am meisten vermissen werde ich:
Die aktive Teilnahme am Gesetzgebungsprozess und das Einbringen von Anliegen der Gesundheitsbranche.

Cornelia Märchy-Caduff, 2010 bis 2022 (Die Mitte)

Politischer Höhepunkt während der Amtszeit:
Als Kommissionspräsidentin durfte ich die Debatte zum Kulturförderungsgesetzes KFG im Februar 2017 leiten.

Politischer Tiefpunkt während der Amtszeit:
Die Grosssägerei Stallinger Swiss Timber (und die weiteren Besitzer) und das Nein des Grossen Rates zum Hilfspaket des Kantons im Jahr 2010.

Am meisten vermissen werde ich:
Die Kolleginnen und Kollegen im Grossen Rat, der spannende Austausch untereinander und in den Debatten, die Möglichkeit etwas politisch zu bewegen.

Nicoletta Noi-Togni, 1987 bis 2022 (Unabhängig bis 1991, danach SP)

Politischer Höhepunkt während der Amtszeit:
Drei Postulate und eine Motion von mir entgegengenommen bei der ersten Legislatur. Die Wahl in Roveredo 1997. Totalrevision der Kantonsverfassung 2002/2003 (Kommission),Übersetzung der Gesetzestexte in Italienisch und Romanisch für die Debatte im Grossen Rat (circa 2010), Zählen der Enthaltungen bei Abstimmungen im Rat (circa 2008), bei der Eröffnung der Legislatur zuerst Wahl der Stimmzähler dann Vereidigung (2014) alles auf mein Verlangen hin, Eröffnung der Legislatur 2018-2022 mit Rede von mir («grosser» Höhepunkt!)

Politischer Tiefpunkt während der Amtszeit:
Die Abwahl in Chur 1991. Seit der Vertretung des Kreis Roveredo (25 Jahre) praktisch keine Akzeptanz meiner Vorstösse reduziert in letztere Zeit an der Fragestunde weil Niederlage nicht immer zum verkraften sind. Habe ich deswegen nicht genützt? Ich glaube nicht, zumal ich immer bei den Debatten aktiv mitdenke und mitrede und nicht selten im Nachhinein höre von Kollegen «du hast es gesagt, du hattest recht». Und, immer im Nachhinein: wenn Kollegen und Kolleginnen aus den Parteien meine gleiche Vorschläge bringen, dann «klappte» es. Die Tatsache, auch «heisse» Themen (zum Beispiel: Briefkasten und Kriminalität Problematik in Graubünden) in den Grossen Rat zu bringen weckt immerhin Bewusstsein und fordert Aufmerksamkeit.

Am meisten vermissen werde ich:
Die Faszination von Atmosphäre, Rituale. Die Debatte als solche mit ihrer Dialektik und die Lebendigkeit der Argumenten wenn sie vorhanden sind. Das Wissen, bei Missständen etwas unternehmen zu können (wäre auch nur bekannt zu machen). Dies vor allem in Vertretung einer ganz speziell Region wie dem Misox (weit weg von Chur, eine ganz andere tägliche Realität lebend) und nicht zuletzt mit Blick an die Gemeindepolitik und an alle ihre Tücken und Schwierigkeiten. Ich werde auch die Sympathie vieler Kolleginnen und Kollegen vermissen, auch wenn sie meine Vorstösse nicht honoriert haben.

Heidi Clalüna, 2006 bis 2022 (Die Mitte)

Politischer Höhepunkt während der Amtszeit:
Kommissionsarbeit KBK und Spezialsession der Totalrevision des Schulgesetztes im 2012. Überweisung meines Auftrages: Koordination Seerettung im Kanton GR , soweit ich weiss soll der Auftrag mit Ergänzungen im 2023 umgesetzt werden. Würde mich sehr freuen.

Politischer Tiefpunkt während der Amtszeit:
Es gibt nicht DEN Tiefpunkt, aber einzelne Geschäfte und auch Diskussionen im Rat haben mich demoralisiert und ich hatte meine politische Arbeit in Frage gestellt. Frustrierend wenn man, nicht als Person, sondern als Vertreter einer Region, auf verlorenen Posten steht und die einem wichtigen Anliegen als nichtig abgetan werden.

Am meisten vermissen werde ich:
Die Fraktion, die Mitglieder, die Mitarbeiter und auch das spezielle Gefühl und die Ehre, in diesem geschichtsträchtigen Saal eine Zeit lang mitreden zu dürfen. Natürlich auch die interessanten Einladungen und die Standespräsidentenfeier. Vermissen werde ich sie vielleicht nicht, aber sicher in allerbester Erinnerung behalten. Ganz sicher vermissen werde ich die Schlagabtausche einzelner Grossratsmitglieder und die Kaffeepausen (natürlich wegen den interessanten Gesprächen).

In der Augustsession werden 53 der 120 Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht mehr im Bündner Grossen Rat sitzen. Sie traten zu den Wahlen im vergangenen Mai nicht mehr an oder sie wurden nicht wieder gewählt. Wir haben allen 53 Grossrätinnen und Grossräte drei Fragen gestellt. Hier die Rückmeldungen jener, die den Fragebogen ausgefüllt haben.

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