Mehr Weiblichkeit in den Bündner Strassen
FDP-Grossrat Thomas Bigliel will mehr Strassen und Plätze nach Frauen benennen. Mit dieser Forderung stehen er und seine Mitunterzeichnerinnen für die Gleichberechtigung ein.
FDP-Grossrat Thomas Bigliel will mehr Strassen und Plätze nach Frauen benennen. Mit dieser Forderung stehen er und seine Mitunterzeichnerinnen für die Gleichberechtigung ein.
Strassen, Plätze und Baudenkmäler seien in der Vergangenheit überwiegend nach Männern benannt worden, sagt FDP-Grossrat Thomas Bigliel. «Obwohl rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung aus Frauen besteht, sind sie im Strassenbild, beziehungsweise bei der Benennung von Strassen und Plätzen stark untervertreten.» Diese Woche fordert er in der Session des Kantonsparlaments in Davos nun die Regierung auf, eine Liste mit Frauennamen zu erstellen. «Es sollen solche sein, die sich in besonderer Art und Weise für Graubünden eingesetzt oder verdient gemacht haben», erklärt Bigliel. «Inklusive einer kurzen Biografie.» Wünschenswert sei zudem, dass diese Liste in Zusammenarbeit mit der Stabsstelle für Chancengleichheit und unter Zuzug weiterer Frauenverbände erarbeitet werde. «Besonders erwähnenswert ist das bereits bestehende Namenregister, welches vom Frauenkulturarchiv Graubünden geführt wird.»
Ausgeglichenes Verhältnis
Bigliel und Mitunterzeichnerin SP-Grossrätin Julia Müller wollen mit diesem Vorstoss erreichen, dass der Kanton die Gemeinden mit einer Namensvorschlag-Liste unterstützt. Es gehe darum, eine zentrale Liste mit Vorschlägen zu erstellen, die eben für alle Gemeinden zugänglich sei. «Wir wollen verhindern, dass sich jede Gemeinde die Mühe machen muss, eine eigene Liste zu erarbeiten. Bigliel nennt das Beispiel des Tessiner Dorfs Mendrisio. «Dort haben sie für dieses Thema eigens eine teure Kommission eingesetzt.»
Natürlich müssten die Gemeinden auch dahingehend sensibilisiert werden, überhaupt Strassen und Plätze nach Frauen zu benennen. Im Auftrag von Bigliel ist deshalb auch festgehalten: «Der Kanton macht die Gemeinden darauf aufmerksam, dass neue Strassen bevorzugt nach Frauen benannt werden sollen. Ein ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Strassennamen ist langfristig anzustreben, aber in keiner Art und Weise verpflichtend.»
Den Unterzeichnenden gehe es explizit um Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Geschlechter, schreibt Bigliel in seinem Vorstoss. Und es gehe nur um neue Strassen. «Die Umbenennung bestehender Strassennamen, insbesondere solche, die nach Männern benennt sind, ist unerwünscht.» Ebenso wolle man sich nicht in die Gemeindeautonomie einmischen.
Eine verpasste Chance
Auf die Idee, ein Auge auf weiblichen Strassenbeschilderungen zu richten, hat Bigliel unter anderem die neue Churer Fussgänger- und Velobrücke gebracht. «Dort haben die Churer eine Chance verpasst», sagt er. Jetzt heisse sie «Italienische Brücke», dabei seien durchaus Vorschläge mit Frauennamen eingegangen.
Tatsächlich reichte das Frauenstreikkollektiv Graubünden schon Ende August verschiedene Namen von historisch wichtigen Frauen ein, um der neuen Brücke einen weiblichen Touch zu verpassen. Sie schlugen unter anderem Clara Ragaz-Brücke und Hanni Bay-Brücke vor.
Clara Ragaz-Nadig war Frauenrechtlerin und Friedensaktivistin. Sie wurde 1874 in Chur geboren und war Vizepräsidentin der internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Die im Jahre 1855 im bernischen Belp geborene Johanna Bay war Malerin. Sie engagierte sich für die Arbeiter- und Frauenrechtsbewegung und führte von 1910 bis 1919 im damaligen «Churer Volkshaus» eine Beratungsstation für mittellose Mütter und ihre Neugeborenen.
Leistungen von Frauen
Die von Bigliel anfänglich angedeutete «Mendrisio-Geschichte» schlug im Tessin hohe Wellen. Denn gerade mal zwei Strassen sind in der Gemeinde mit knapp 15 000 Einwohnerinnen und Einwohnern nach Frauen benannt. Seit September sucht eine Kommission, darunter auch Historikerinnen, nach Frauen, die Mendrisio geprägt haben. Kopf der Kommission ist Daniele Caverzasio von der Lega. In einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen sagte er: «Das Zeichen, das wir mit mehr Frauennamen geben, ist sehr wichtig. Es zeigt, dass ein Mentalitätswandel im Gange ist.»
Und schliesslich spricht Bigliel noch Deutschland an. Auch dort dominieren männliche Strassenschilder. Die Politik versucht zwar, mehr Gleichberechtigung zu schaffen – mit wenig Erfolg. Die «Stuttgarter Zeitung» bringt es auf den Punkt: «Weibliche Namen tauchen auf Strassen und Plätzen kaum auf – und damit fehlen auch Wertschätzung von und Erinnerungen an Leistungen von Frauen im öffentlichen Raum.»
Alle diese aktuellen Diskussionen hätten ihm gezeigt, dass er mit seinem Vorstoss auf dem richtigen Weg sei, sagt Bigliel. «Es ist an der Zeit, bei diesem Thema endlich Nägel mit Köpfen zu machen.»
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