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«Eine so grosse Stadt ohne Hallenbad – das ist ein No-Go»

Kosten, Verkehr, Standort – es gibt viele Gründe, die gegen ein Hallenbad im Rapperswiler Lido sprechen. Moderatorin Regula Späni und Sportrat Dani Alge wollen trotzdem eines. Und sie sind überzeugt, dass Verkehr und Kosten auf lange Sicht sogar sinken würden.

Fabio
Wyss
07.11.20 - 03:30 Uhr
Politik
Steht dereinst in Rapperswil ein Hallenbad anstelle des baufälligen Freibads Lido? Für Regula Späni und Dani Alge klar: Ja.
Steht dereinst in Rapperswil ein Hallenbad anstelle des baufälligen Freibads Lido? Für Regula Späni und Dani Alge klar: Ja.
BILD FABIO WYSS

Ein Hallenbad in Rapperswil – das wollen Regula Späni und Dani Alge schon lange. Das Interview findet im Lido statt. Für die beiden der ideale Standort für ein Hallenbad: der See, die zentrale Lage, die Sportanlagen. Jetzt ist laut den Sportbegeisterten aus Rapperswil-Jona der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren: Der Neubau des Freibads scheiterte vor knapp einem Jahr. Nun plant der Stadtrat, was dereinst im Lido entstehen soll. Die Pläne der bekannten Moderatorin und des umtriebigen Sportrats dürften im Stadthaus nicht ungehört bleiben.

Regula Späni, Sie mischen sich öffentlich in die Lokalpolitik ein. Wieso?

Regula Späni (RS): Das Hallenbad ist seit Längerem eine Herzensangelegenheit von mir. Schon oft habe ich Stadträte darauf aufmerksam gemacht. Es hiess immer: Die Bäder-Strategie mit drei Lehrschwimmbecken reiche aus. Für mich reicht das aber überhaupt nicht.

Weshalb?

(RS): Schwimmen muss mehr gefördert werden. Es ist eine der gesündesten Sportarten. Neben Herz-Kreis-Lauf-Training werden insgesamt 170 Muskeln gelenkschonend trainiert – darunter die grossen Muskelgruppen. Viele Kalorien werden nur schon verbrannt, weil der Körper die Wassertemperatur ausgleichen muss. Dazu der Stressabbau: Der Aufenthalt im Wasser ist ein Gegenmittel zur heutigen Reizüberflutung. Im Wasser ist man in einer komplett anderen Welt.

Schwimmende Moderatorin: Regula Späni
Schwimmende Moderatorin: Regula Späni

Olympia, Fussball-WM, Tour de France – Regula Späni (55) hat während über 20 Jahren im Schweizer Fernsehen die grössten Sportanlässe der Welt hautnah miterlebt. Was viele nicht wissen: Bevor Späni Sportmoderatorin wurde, schwamm sie – und zwar schnell. 12 Schweizermeistertitel heimste die gebürtige Winterthurerin ein. In den 90ern zog sie der Liebe wegen nach Rapperswil-Jona. Mit ihrem Mann, dem Tenniskommentator Stefan Bürer, und den drei Kindern wohnt sie im Busskirch – gleich neben Dani Alge. (wyf)

Sie haben eine Vergangenheit als Schwimmerin. Das ist ein Nischenpublikum.

(RS): Nein, das Bedürfnis ist enorm. Es sind ganz viele Menschen und Zielgruppen. Ich denke etwa an Familien. Aus Sicherheitsgründen ist es am besten, wenn Kinder spätestens als 5-jährige lernen zu schwimmen, davor ist die Wassergewöhnung essenziell. Zudem gibt es Aquajogging, Aquafit, Wassertherapien und Weiteres, welches auch für ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigung enorm wichtig ist. Zu guter Letzt gibt es ganz viele, die als Hobby oder für ihre Gesundheit schwimmen. Und Rapperswil-Jona ist die Iron-Man-Stadt.

Dani Alge (DA): Es geht nicht nur um die Sportler, sondern um einen riesigen Mehrwert für Rapperswil-Jona. Wir vom Sportrat wollen einen gesundheitsbewussten Lebensstil fördern. Dafür fehlt aktuell ein Hallenbad, eine richtige Wasserwelt für das ganze Jahr. Wir Einwohner haben das verdient.

Für die gibt es aber in Schmerikon ein frisch saniertes Hallenbad und in Uster das grösste Hallenbad der Schweiz.

(RS): Das ist so. Mit den öffentlichen Verkehrsmittel ist das Schmerkner Bad gerade für Familien oder Ältere aber nicht gut erschlossen, sie sind auf ein Auto angewiesen. Dazu verfügt das Bad über eher kleine Kapazitäten. Viele, die schwimmen wollen, fahren darum eine halbe Stunde nach Uster. Für all diese braucht es ein grösseres Hallenbad in Rapperswil-Jona, das immer offen ist. Das erfüllen die drei Lehrschwimmbecken allesamt nicht.

Wieso werden nicht die Öffnungszeiten bei den Lehrschwimmbecken erweitert? Das wäre doch ein gangbarer Weg ohne grosse Zusatzkosten.

(DA): Die Lehrschwimmbecken sind tipptop für den Sportunterricht – auch für Vereine. Aber ein Treffpunkt in der Wärme sind sie nicht. Wenn man sieht, wie viele Leute im Sommer in der Seebadi und im Lido schwimmen, ist doch klar, dass so etwas im Winter fehlt.

Und wieso können das Lehrschwimmbecken nicht erfüllen?

(DA): Einerseits sind sie tagsüber sinnvollerweise von der Schule belegt, und anderseits bieten sie zu wenig. Ich habe eine relativ grosse Familie. Sobald mehrere Kinder da sind und das Alter auseinandergeht, stösst man im kleinen Becken an Grenzen: Sinnvolle Bewegung und Beschäftigung für alle fehlt. Es braucht etwas, das – den ganzen Tag über – für alle etwas bietet. Die kantonale Sportstudie verdeutlicht, wie gross das Bedürfnis nach einem Hallenbad in Rapperswil-Jona ist.

(RS): Ich arbeitete selber als Schwimmlehrerin. Ich konnte dabei feststellen: Schwimmen lernen Kinder nur bedingt während der paar Stunden Schulschwimmen. Dort muss sich die Lehrerin gleichzeitig um 25 Kinder kümmern. Sich sicher im Wasser zu bewegen, lernen die Kinder auf spielerische Weise in ihrer Freizeit. Sie experimentieren, tauchen, springen ins Wasser, probieren Salti aus oder gehen rutschen. Zu alldem haben sie dabei Spass: Schwimmen ist in der Schweiz die drittbeliebteste Sportaktivität in der Freizeit bei Jugendlichen.

(DA): Kinder schwimmen nicht freiwillig einfach Längen. Sie brauchen Anreize.

Ihnen schwebt demnach mehr als ein 25-Meter-Becken vor?

(RS): Es braucht sicher nicht nur ein Becken, sondern auch einen Sprungturm mit verschiedenen Höhen und eine Rutsche.

(DA): Wieso nicht ein 25-Meter-Becken und zwei Bahnen, die 50 Meter lang sind? Oder eine Runde, die ins Freie führt: Mal muss man tauchen, mal klettern, mal fällt man ins Wasser. Mit verschiedenen Elementen könnte der Parcours immer wieder angepasst werden.

Sportlicher Enthusiast: Dani Alge
Sportlicher Enthusiast: Dani Alge

Dani Alge wohnt mit seiner sechsköpfigen Familie nicht nur gleich neben Regula Späni, der Mittfünfziger ist auch gleich alt wie sie. Ebenfalls teilt er die Faszination für den Sport: Tennistrainer, Kanti-Sportlehrer, Sportrat, Sportwärts-Gründer, Lakers-Konditionscoach – die vollständige Auflistung von Alges jetzigen und ehemaligen Tätigkeiten würde diesen Rahmen sprengen. Kurz: Dani Alge ist ein Sportenthusiast. Dafür zeichnete ihn die Stadt 2013 mit dem Sportförderpreis aus. Den Abend moderierte übrigens: Regula Späni. (wyf)

So etwas wie ein zweites Alpamare auf der anderen Seite des Seedamms?

(DA): Nein, das nicht. Ich habe nichts gegen Rutschbahnen, solange man hoch rennen kann. Aber es geht um die Bewegung im Wasser. Ich hoffe sehr, dass sich auch die Bevölkerung mit Ideen einbringt. Gerade von den Jüngeren erhoffe ich mir ein paar verrückte Ideen. Vielleicht wäre sogar eine künstliche Welle möglich - Wellensurfen ist momentan bei Jung und Alt voll im Trend. Es soll ein Bad für die Zukunft sein und dem Zeitgeist entsprechen.

Dafür müssten zig Millionen verbaut werden, der Verkehr nimmt nochmals zu.

(RS): Damit meine Kinder richtig baden und schwimmen lernen konnten, bin ich – wie viele andere Familien – regelmässig mit ihnen in ein Hallenbad gefahren – ausserhalb von Rapperswil-Jona. Ein ökologischer Schwachsinn. Denn der öffentliche Verkehr ist mit kleinen Kindern und dem ganzen Gepäck sehr umständlich. Das hält viele davon ab, diesen Aufwand zu betreiben. Wenn man kurz mit dem Velo zum Hallenbad fahren könnte, würde die Hemmschwelle massiv sinken.

(DA): Rapperswil-Jona hätte diese Investition verdient. Ein modernes Hallenbad mit Aussenbecken und Seeanstoss – hauptsächlich für die Einwohner von Rapperswil-Jona – wäre ein riesiger Gewinn.

Aus der Sportstättenplanung der Stadt Rapperswil-Jona geht hervor, dass Kosten, Energie und Verkehr gegen ein Hallenbad sprechen.

(RS): Die Sportstättenplanung ist 20 Jahre alt. Da kann der Stadtrat auch mal wieder über die Bücher. Die ökologische und ökonomische Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Es ist sehr viel gegangen in dieser Zeit.

Offen bleibt das Thema Kosten…

(DA): Die Berechnung der Baukosten müssen wir natürlich den Experten überlassen.

(RS): Dabei darf nicht vergessen werden: Die Gesundheitskosten explodieren. Es gibt immer mehr übergewichtige Kinder und ältere Menschen, die sich draussen nicht mehr so bewegen können, im Wasser jedoch beschwerdefrei. Da lohnt es sich, in die Gesundheit und das psychische Wohlbefinden zu investieren.

(DA): Die Leute müssen sich vielseitig bewegen können, es ist aus gesundheitlicher Perspektive allerhöchste Zeit dafür. Ich fände auch attraktiv, dass Besucher den Preis runter schwimmen können, da vielleicht eine Gesundheitsorganisation den Eintritt übernimmt. Wer beispielsweise 400 Meter absolviert, bekommt eine Ermässigung oder schwimmt sogar gratis.

Die Folgen des Coronavirus dürften sich negativ auf Grossinvestitionen auswirken. Kommt Ihr Anliegen nicht zur falschen Zeit?

(DA): Natürlich wäre es im Frühling besser gewesen, als die Stadt einen Überschuss von 27,4 Millionen Franken vermeldete. Es ist eine schwierige Zeit mit Corona – das nehme ich sehr ernst. Das Bedürfnis nach einem Hallenbad wird trotzdem bleiben.

(RS): Corona ist ein grosses Problem. Glücklicherweise verfügt die Stadt Rapperswil-Jona über finanzielle Reserven. Klar ist: Die Situation im Lido wird jetzt neu angedacht. Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir über ein Hallenbad diskutieren? Und die Investition wäre nicht nur für die Gesundheit wichtig.

Sondern?

(RS): Es ist auch ein Sicherheitsaspekt: Wenn ein Kind irgendwo ins Wasser fällt, muss es sich sofort orientieren können. Dazu gehört die erwähnte frühe Wassergewöhnung. Studien zeigen, dass immer weniger Kinder und Jugendliche sich sicher im Wasser bewegen können. Die Jungen gehen jetzt aber vermehrt mit Gummibooten auf die Linth oder die Aare, es ist ein Wunder, das dort nicht mehr passiert. Der sichere Umgang mit Wasser gehört zur Allgemeinbildung.

Ihr Wunsch nach einem Hallenbad hat in den Sozialen Medien hohe Wellen geworfen. Hunderte brachten ihre Meinung zum Ausdruck – die meisten davon positiv. Was hat der Sportrat für Reaktionen erhalten?

(DA): Durchwegs positive. Lässig, endlich geht was, das ist der Tenor. So wie mir liegt vielen die wunderschöne Lage im Lido am Herzen. Nebenan ist eine Eishalle, das Wassersportzentrum, die neue sogenannte Rappi-Beach – ein unglaublich schöner Strand. Ein Hallenbad passt so gut hierher. Wasser ist im Winter Eis, vielleicht könnten aus den Aussenbecken in der kalten Jahreszeit zusätzliche Eisflächen entstehen.

Gab es auch schon Feedback aus dem Stadthaus?

(DA): Ich weiss, dass Luca Eberle, der den Bereich Schule, Familie, Alter, Sport und Gesundheit abdeckt, der Idee nicht abgeneigt ist.

Eine weniger kostenintensive Idee wäre, über das Aussenbecken einen Ballon – also ein provisorisches, aufblasbares Dach für den Winter – zu legen. Wäre das denkbar?

(RS): Ich finde, ja. Chur hat das beispielsweise so gelöst. Unter dem Ballon schwimmen alle Leistungssportler und Vereine. Trotzdem braucht es aber ein Hallenbad – und zwar für das gesellschaftliche, gesundheitliche Schwimmen und die Erholung.

(DA): Was jetzt kommt, ist nicht nur mein Anliegen, sondern wurde schon an diversen Bürgerversammlungen eingebracht. Aber dort unten (deutet auf den See) braucht es eine Sauna mit Seezugang – eine Wellnessoase.

(RS): Es kann auch eine Mantelnutzung angedacht werden: Physiotherapie, Massage, Fitness. Diverses Gewerbe könnte sich einmieten. Wie viele Eltern laden ihre Kinder beim Eisstadion ab und müssen sich die Zeit vertreiben dazwischen? Da wäre ein solches Zentrum ideal.

Im Grünfeld entsteht eine Trainingshalle. Nebenan wäre das Stampf mit viel mehr Platz als beim Lido. Wäre das nicht der bessere Standort für solche Pläne?

(RS): Das müssen der Stadtrat und Experten herausfinden. Lieber im Stampf ein Hallenbad als keines, aber hier fände ich es sinnvoller. Es ist mit dem Zug gut erreichbar und liegt zentraler.

(DA): Das Lido ist ein so unglaublich schöner Platz, der ganzjährig genutzt werden sollte, und es besteht aktuell Handlungsbedarf. Aber klar, beim Stampf könnte sicher auch eine Ganzjahres-Wasserwelt entstehen. Energietechnisch müsste ein solches Projekt auf höchstem nachhaltigen Niveau sein, da ist heute sehr viel möglich.

Ihr Ziel ist, dem Stadtrat Mut zu machen, ein Hallenbad genauer zu prüfen. Was muss dafür konkret passieren?

(DA): Ein geplantes Podium war dafür angedacht gewesen, daraus hätte eine Interessensgruppe entstehen sollen. Diese hätte dem Stadtrat konkrete Vorschläge gebracht mit den Bedürfnissen, welche die Bevölkerung von Rapperswil-Jona wirklich hat. Wegen Corona kann dieses leider nicht stattfinden. Im Lido besteht Handlungsbedarf. Der Stadtrat soll mit einem guten Gefühl mit seine Experten abklären können, was von den Gegebenheiten her alles möglich wäre.

(RS): Je mehr Leute sich zu einem Hallenbad bekennen, desto eher erhält der Stadtrat den Auftrag, das vertieft anzuschauen.

Seit wann lebt dieser Wunsch nach einem Hallenbad?

(DA): Als ich eine Familie gründete. Meine Kinder zeigten mir: Es braucht ein vielseitiges Hallenbad hier – eine Wasserwelt wäre ein Riesengewinn.

(RS): Seit 1997, als ich hierhergezogen bin. Eine so grosse Stadt ohne Hallenbad – das ist ein No-Go.

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