Bündnerin wird neue EU-Chefunterhändlerin
Gekonnt bewegt sich die Bündnerin Livia Leu seit Jahrzehnten auf dem diplomatischen Parkett. Als erste Frau war sie Botschafterin der Schweiz im Iran und zuletzt Botschafterin in Paris. Jetzt wird die 59-Jährige unter anderem das schwierige EU-Dossier übernehmen.
Gekonnt bewegt sich die Bündnerin Livia Leu seit Jahrzehnten auf dem diplomatischen Parkett. Als erste Frau war sie Botschafterin der Schweiz im Iran und zuletzt Botschafterin in Paris. Jetzt wird die 59-Jährige unter anderem das schwierige EU-Dossier übernehmen.

Die Bündnerin Livia Leu, derzeit Botschafterin in Paris, übernimmt ab sofort die Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA) und wird Chefunterhändlerin für die Verhandlungen mit der EU. Dies schreibt das EDA in einer Mitteilung. Sie erhält dazu den Titel einer Staatssekretärin. Dies hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 14. Oktober 2020 beschlossen.
Die Juristin Leu ist keine Unbekannte in der Schweizer Diplomatie und eine der wenigen Spitzenfrauen. Bereits 1989 trat sie in den diplomatischen Dienst der Eidgenossenschaft ein. Der eigentliche Karrieresprung war die Ernennung zur Botschafterin in Teheran 2009 durch die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
Leu brachte für diesen Posten breite Erfahrung als Leiterin der Abteilung für Afrika und den Nahen Osten im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein. Sie bezeichnete ihre Ernennung in einem Interview als «ein Zeichen für die Gleichberechtigung der Frauen in einer Männerwelt».
Botschafterin im Iran und Frankreich
Bis 2013 vertrat sie als erste Frau die Interessen der Schweiz im Iran und damit auch diejenigen der USA. Für ihre diplomatischen Bemühungen im Iran wurden Leu und das EDA 2013 in Washington mit dem «Common Ground Award» ausgezeichnet.
In einem Interview mit einer Westschweizer Zeitung im Juni 2019 stellte Leu schmunzelnd fest, ihre Karriere sei lang genug gewesen, um mit Calmy-Rey eine erste Frau an der Spitze des EDA zu erleben. Die Männer hätten sich erst daran gewöhnen müssen, aber Calmy-Rey habe sich durchgesetzt.
Erneut eine Premiere war 2018 die Ernennung von Leu zur Botschafterin der Schweiz in Frankreich. Paris bedeutete auch eine Rückkehr an den Anfang ihrer diplomatischen Karriere, absolvierte sie doch rund dreissig Jahre zuvor ihr erstes Praktikum auf der dortigen Botschaft.
Intervention in Kolumbien
Zwischen diesen beiden gewichtigen Auslandeinsätzen arbeitete Leu als Botschafterin und Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge und Leiterin des Bereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
In dieser Funktion intervenierte Leu unter anderem im Sommer 2015 bei der kolumbianischen Regierung. Kolumbien wollte damals Generika des Novartis-Medikaments Glivec vor dem Auslaufen des Patents patentieren lassen, um der Bevölkerung Zugang zu einer günstigeren Krebsbehandlung zu ermöglichen. Leu bezeichnete in einem zweiseitigen Schreiben die Zwangslizenzen unter anderem als Versuch einer Patent-Enteignung.
Bündner Hoteliers-Tochter
Livia Leu wuchs in Arosa als Tochter des charismatischen und ideenreichen Hoteliers Hans C. Leu (1930-2017) auf. In einem Interview vor zehn Jahren erklärte die Diplomatin, die im Auftrag des Aussendepartements auch in Kairo und New York tätig war, dass sie im Herzen Bündnerin geblieben sei.
Sie ist mit dem Ameisenforscher Donat Agosti verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. (so/sda)
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