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«Die meisten Politiker schauen erst, wo die Mehrheit steht»

Kantonsrichter Peter Schnyder, der mit dem Anprangern eines angeblich abgeänderten Urteils von Gerichtspräsident Norbert Brunner einen Bündner Justizskandal ins Rollen gebracht hat, wurde vom Bündner Grossen Rat abgewählt. Wir haben nach dem zweiten Wahlgang mit ihm gesprochen.

Südostschweiz
27.08.20 - 17:11 Uhr
Politik
Peter Schnyder Kantonsrichter Kanton Graubünden Richter Gericht
Peter Schnyder.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Herr Schnyder, im ersten Wahlgang haben Sie 26 Stimmen erreicht, im zweiten Wahlgang deren 24. Dies trotz der Nicht-Wahl-Empfehlung der Justizkommission. Was sagen Sie zu diesem Ergebnis?

Vor dem Hintergrund den wir bei dieser Wahl hatten, ist es ein gutes Ergebnis. Das hat mich gefreut.

Bis am Nachmittag war die Chance noch da, dass Sie im zweiten Wahlgang mit relativem Mehr noch wiedergewählt werden. Hätten Sie die Wahl angenommen?

Ja, ansonsten hätte ich mich gar nicht erst zur Wahl gestellt. Aber realistisch gesehen waren die Chancen von Anfang an sehr klein.

Sie haben die Justizaffäre mit dem Anprangern eines angeblich von Gerichtspräsident Norbert Brunner abgeänderten Urteils ins Rollen gebracht. Würden Sie heute noch einmal gleich handeln?

Ja, genau gleich.

«Das geht nicht spurlos an einem vorbei.»

Im Grossen Rat gab es am Donnerstag mehrere Voten, die Sie als Bauernopfer in der ganzen Angelegenheit sehen. Also dass der Kantonsrichter abgesetzt wurde, der den Finger auf den wunden Punkt gelegt und als «Whistleblower» agiert hat. Sehen Sie sich als Whistleblower?

Nein. Ich habe die ganze Angelegenheit versucht intern zu regeln. Das Kantonsgericht ging an die Öffentlichkeit, als sie den Antrag stellte, mich des Amtes zu entheben. Dieser Antrag ist ja dann abgelehnt worden. Es ist aber richtig, dass gewisse Parteien – vor allem die CVP – es nicht goutiert haben, dass Norbert Brunner als Gerichtspräsident so unter die Räder gekommen ist.

Diese Querelen rund um das Kantonsgericht dauern jetzt bereits lange Zeit an. Eine belastende Situation für Sie?

Klar, das geht nicht spurlos an einem vorbei. Aber ich kann auch sagen: Es gibt auch ein Leben nach dem Kantonsgericht. Ich habe mich schon lange darauf eingestellt. Dass das nicht so weitergehen wird. Aber ich wollte, dass der Grosse Rat eine Auswahl hat, damit er entscheiden kann, ob er lieber Vertuscher hat, oder Richter, die lieber keine Urteilsfälschungen haben. Diese Wahl hatte das Parlament jetzt.

Haben Sie sich trotzdem in den vergangenen Monaten irgendwann überlegt, den Bettel ganz hinzuwerfen?

Eigentlich nicht. Ich war der Meinung, dass es wichtig ist, dass diese Auseinandersetzung geführt wird. Und es war mir klar, wenn ich nicht antrete, dann wird alles unter den Teppich gekehrt.

Was hat Sie in den vergangenen Monaten am meisten überrascht oder enttäuscht?

Am meisten erstaunt hat mich der Kontakt mit vielen Politikern. Es gibt gute darunter, dass ist klar. Aber viele sind hemmungslose Opportunisten. Die meisten Politiker schauen erst, wo die Mehrheit steht, und laufen dann in diese Richtung. Der Inhalt der Auseinandersetzung interessiert nur sekundär. Das hat mich erstaunt.

«Ich werde wohl wieder als Anwalt und Notar arbeiten.»

Fühlen Sie sich auch von Ihrer – nun ehemaligen Partei BDP – welche sie zu grossen Teilen ebenfalls nicht mehr wählen wollte, im Stich gelassen?

Die BDP hat sicher keine gute Falle gemacht. Sie hat von Beginn an relativ zwiespältig operiert und zuletzt ging es nur noch darum, Kantonsrichter Davide Pedrotti zu verhindern. Aus meiner Sicht kein Verlust, wenn er nun nicht mehr dabei ist. Grundsätzlich finde ich das Verhalten der BDP aber alles andere als toll.

Wie sieht nun Ihre Zukunft im neuen Jahr aus.

Ich werde wohl wieder als Anwalt und Notar arbeiten. Ich habe dies immer gerne gemacht.

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BDP/CVP - Hans was Heiri, Teflonpolitiker, welche hervorragend um die Slalomstangen wedeln können. Um die Sache gehts schon lange nicht mehr. Dieser Kanton ist politisch ein Desaster, Bauskandal, Justizskandal, Pandemieunfähig.
Eigentlich Schade - es wäre mal an der Zeit aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen!

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