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Expertise entkräftet Kritik an 
geplanter Baumreihe in Stadt

Das Nein-Komitee für die «Stadtraum»-Vorlage in Rapperswil-Jona hat eine Baum-Expertise eingeholt. Diese 
besagt, dass die kritisierten Baumreihen funktionieren können. Das Komitee sieht sich trotzdem bestätigt.

Pascal
Büsser
12.11.19 - 07:30 Uhr
Politik
Laut Fachfirma möglich: Stadt und Kanton wollen die Neue Jonastrasse mit Bäumen auf einem Mittelstreifen begrünen.
Laut Fachfirma möglich: Stadt und Kanton wollen die Neue Jonastrasse mit Bäumen auf einem Mittelstreifen begrünen.
VISUALISIERUNG STADT RAPPERSWIL-JONA

Die geplanten Bäume sind eines der Reizthemen beim «Stadtraum»-Projekt, das nächsten Sonntag in Rapperswil-Jona zur Abstimmung kommt. Das «Bürgerkomitee Stadtraum Nein», das gegen die Vorlage kämpft, bezweifelt, dass diese im Strassenraum gedeihen können. Und hat deswegen bei der Firma Heinrich Roth GmbH, die in der Ostschweiz tätig ist, um eine Expertise gebeten. Und diese in einer Medienmitteilung verschickt. Die Expertise kommt zum Schluss, dass Bäume in der Mitte der Strasse «für eine langfristige und nachhaltige Lösung absolut möglich» sind – wenn die Voraussetzungen stimmten und man es richtig mache.

Beim Parkplatz Stampf, der den Projekt-Gegnern als Negativ-Beispiel dient, seien die Baumgruben zu klein gewesen und die Pflege vernachlässigt worden, urteilt die Firma Heinrich Roth. Ähnlich hatten sich Vertreter des Architekturforums Obersee (AFO) geäussert (Ausgabe vom 2. November). Trotzdem sieht sich das Nein-Komitee bestätigt (Box unten).

Nachfolgend die Originalmitteilung und ein Kommentar des Bürgerforums Stadtraum Nein und der «Linth-Zeitung»:

Macht es ökologisch Sinn, bestehende Vorgärten (Wiesen/Baumbestand) an der Verkehrsachse aufzuheben, zugunsten von Bäumen in der Mitte, respektive am Rand der Strasse? Circa 12 000 Quadratmeter wären davon betroffen, würden zubetoniert, die Bäume in diesem Umfeld gepflanzt.
Firma Heinrich Roth: Jein. Erfahrungen zeigen, dass viel Geld in Planung investiert wird, bei der Ausführung dann aber vieles schief geht, weil essenzielle Voraussetzungen nicht gegeben sind, respektive das Fachwissen und in den Folgejahren die wichtige Pflege und der nachhaltige Umgang fehlt. Natürlich sollen bestehende Grünflächen und Baumbestände, wenn immer möglich, erhalten bleiben. Aber, wenn bessere Lösungen möglich sind, kann es durchaus Sinn machen, bestehende Grünflächen umzunutzen.

Kann ein Mittelstreifen mit Bäumen in der Strasse funktionieren? (Gliederungsfrage von Redaktion verfasst, Antwort ist unverändert)
Bäume in der Mitte der Strasse sind für eine langfristige und nachhaltige Lösung absolut möglich, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
• mindestens 12 Quadratmeter Wurzelraum pro Baum, also mindestens 1,5 m in die Tiefe (in brauchbares Substrat, ohne Leitungen etc.) und acht Quadratmeter wasserdurchlässige Grünfläche, wie Wiesenblumen/Wildblumen oder kleiner, tiefwachsender Staudenunterbepflanzung.
• Der Grünstreifen in der Mitte der Strasse sollte zwei Meter breit sein (entspricht der geplanten Breite beim «Stadtraum»-Projekt, Anmerkung der Redaktion), wenn möglich mindestens 30 Zentimeter durch Bordsteine erhöht gegenüber der Fahrbahn. Damit wird verhindert, dass im Winter ein Teil des Streusalzes direkt durch den Einbringer, respektive durch ablaufendes Tauwasser in den Wurzelbereich der Bäume gelangt. Weiter kann so eine Beschädigung der Bäume durch Fremdeinwirkung vermindert werden. Am optimalsten wäre es aber, wenn der gesamte Streifen in der Mitte durchgehend begrünt wäre. Für die Bäume wie auch für die daraus folgende positiv beeinflusste Biodiversität und psychologische Wirkung.

Welche Baumsorten machen Sinn für eine solche Aufgabe? (Resistent gegen Salz im Winter, Hitze im Sommer und schlechte Bewässerung, keine Wurzelbildung mit Druck nach oben, Kronenbildung erst ab 4,5 m – Strassenverkehrsgesetz 732.1 Art 106, c) Lichtraum – wenig Laubbildung, binden von CO2, Abgasen). Handelt es sich um einheimische Sorten?
Geeignete heimische Baumsorten für Standorte in/an Strassen gibt in einer grossen Auswahl. Es sind dies unter anderem Linden, Spitzahorn sowie viele mehr. Aber auch diese funktionieren langfristig nur, wenn die erläuterten Voraussetzungen gegeben sind.

Müssten im Hinblick auf Anfälligkeit von Krankheiten mehrere Sorten in Betracht gezogen werden? (Durchmischung der Artenvielfalt)
Eine Durchmischung der Sorten ist durchwegs sinnvoll und sollte stattfinden, weil durch Krankheiten, Versagen der Resistenz, Schädlinge oder weiterer Einflüsse sonst die ganze Baumzeile betroffen sein könnte. Artenvielfalt ist wichtig und hilft auch gegen eine optische Monotonie, sofern sie optisch aufeinander etwas abgestimmt sind.

Ist die Pflege ein Fass ohne Boden?
Wenn die Voraussetzungen für die Pflanzung gegeben sind, ist der laufende Unterhalt keine unglaublich grosse Sache, jedoch bei 180 Bäumen nicht zu unterschätzen. Wichtig ist, dass die frisch gepflanzten Bäume ordentlich unterstützt und geschützt werden. Dazu gehören die korrekte Anbindung, ausreichende Bewässerung und ein geeigneter Stammschutz als Sonnenschutz. Die Bewässerung in der heissen Jahreszeit ist gerade in Zukunft wichtig. Die fachgerechte Pflege und Unterhalt ist das Allerwichtigste. Eine korrekte und regelmässige Pflege kommt immer um ein Vielfaches günstiger als ein Baumersatz.

Die Kosten für den Ersatz eines abgestorbenen Baumes können anhängig von der Baumgrösse schnell zwischen circa 1500 bis 8000 oder mehr betragen. Da sind die korrekte Pflege und der sorgsame Unterhalt bei weitem viel preiswerter und vor allem nachhaltiger. Unsere Erfahrung zeigt, dass falsche Pflanzung, mangelnder oder fehlerhafter Unterhalt die grössten Kosten verursachen – respektive diese Arbeiten dann vielfach einfach nicht mehr ausgeführt werden, und schlussendlich der Baum dann eben ersetzt werden muss.

Positiv- und Negativbeispiel: Sind die Baumgruben zu klein, überleben Bäume nicht, sind die Grünstreifen genügend breit, lang und tief, können Bäume auch im Stadtraum gedeihen.
Positiv- und Negativbeispiel: Sind die Baumgruben zu klein, überleben Bäume nicht, sind die Grünstreifen genügend breit, lang und tief, können Bäume auch im Stadtraum gedeihen.

Was ist mit den Bäumen im Stampf schiefgelaufen?
Die knapp zwei Mal zwei Meter Pflanzfläche pro Baum auf einer voll geteerten Fläche ist für eine Entwicklung eines Baumes an diesem Standort viel zu wenig. Die Bäume gemäss der zur Verfügung gestellten Fotos haben infolge falscher oder vergessener Pflege Sonnenbrand (Rindenschäden auf Südseite ersichtlich) und eventuell auch Anfahrschäden. Diese Bäume können nicht mehr gerettet werden.

Es ist zudem mehr als fragwürdig, warum im Stampf überhaupt alles geteert wurde. Viel besser wäre ein Luft- und wasserdurchlässiger Belag, zum Beispiel extra dafür konzipierte Platten verbaut worden. So könnten Bäume optimal Wurzeln entwickeln, mehr Wasser und Sauerstoff stünde zur Verfügung und zudem würde mehr Hitze absorbiert.

Die Bäume im Stampf, welche auf dem breiten Grasstreifen wachsen dürfen gedeihen. Der Stampf ist somit ein gutes Beispiel wie es funktioniert, aber auch wie es nicht funktioniert (ausgenommen die verpasste Nachpflege der Bäume im durchgehenden Grünstreifen).

 

Kommentar zur Baum-Expertise durch Bürgerforum und «Linth-Zeitung»

Marcel Gasser, Bürgerforum Stadtraum Nein: Die Aussagen der Fachleute decken sich mit den Einschätzungen des Bürgerforums (...). Gegen Bäume im Strassenraum dort, wo es sinnvoll und aufwandtechnisch vertretbar und zugelassen ist, ist nichts einzuwenden. Primär aber zuerst dort, wo es am meisten bringt, und zwar den Menschen und der Natur. Also in privaten und öffentlichen Gärten, in Parks auf Verweilplätzen und entlang von Quartierstrassen und dies möglichst auf offenem durchlässigem Boden. Und dem Klima zuliebe, lieber heute als morgen und nicht erst in 20 Jahren. Auf dem Stadtgebiet bieten sich dazu unzählige Möglichkeiten. Unser Vorschlag für eine grüne Initiative mit der Stadt als «Treiber» zusammen mit privaten Liegenschaftsbesitzern könnte rasch in die Tat umgesetzt werden. Unsere vermögende Stadt könnte auch finanzielle Anschubhilfe leisten – etwas Subvention von Baumpflanzungen und naturnaher Gestaltung der Umgebung bei Neuüberbauungen und bestehenden Objekten. Das reicht von zusätzlichen Bäumen und Büschen in Gärten über Fassaden- und Dachbegrünungen bis hin zur naturnahen Gestaltung von Brachflächen wie dem langweiligen Teuchelweiher-Rasen. Und bei privaten Grossüberbauungen weg vom urbanen Architekten-Unsinn mit Kiesböden, getrimmten Buchs- oder giftigen Eibenhecken und Betonflächen mit Bänkli, wo kein Mensch verweilt, kein Käfer kriecht und kein Vogel fliegt oder etwas findet.

Pascal Büsser, Dienstchef «Linth-Zeitung»:
Eine grüne Initiative für mehr Bäume mit der Stadt als Treiber ist angesichts des Klimawandels ein sinnvoller Vorschlag. Zumindest bei Neubauten wurde das von Ortsparteien auch schon gefordert. Dies kann man allerdings unabhängig vom «Stadtraum»-Projekt umsetzen und hat mit diesem keinen direkten Zusammenhang. Die geplante Strassenbreite ergibt sich primär aus verkehrstechnischen Überlegungen, wie Stadt und Kanton erklären. Die Bäume sollen dazu dienen, den breiteren Strassenraum optisch abzufedern und vor übermässiger Erhitzung zu schützen. Dort, wo die Bäume am Strassenrand geplant sind, vom Stadtkreisel ostwärts, spricht absolut nichts dagegen, die Baumpflanzung im Idealfall mit einer neuen Vorgarten- oder Vorplatzgestaltung der privaten Liegenschaften zu kombinieren. Grosse Bestandesbäume sollten zudem, wo immer möglich, erhalten bleiben. Wie das zum Beispiel vis-à-vis des Albuville auch geplant ist. Ebenso kann und sollte bei der konkreten Realisierung geprüft werden, ob im Bereich «Wohnstadt», zwischen Zeughaus und Schlüsselplatz, Bäume bei den Liegenschaften am Strassenrand mehr Sinn machen als in der Strassenmitte (betreffend Wirkung und Pflegeaufwand). Beim Umsetzen dieser Schnittstellen mit Privaten müsste sich die Stadt dann finanziell grosszügig zeigen. (pb)

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