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Stallrettung mit Hindernissen

Zwei Jahre nach der Gründung ist die Auflösung des Avner Vereins Kulturlandschaft Platta beschlossene Sache. Der Vorstand fühlt sich in seinen Projekten von Gemeinde und Melioration behindert statt unterstützt.

Jano Felice
Pajarola
12.09.19 - 04:30 Uhr
Politik
Zeugen der Vergangenheit: Die Kulturlandschaft von Platta bei Avers-Cresta ist geprägt von alten Ställen.Bild Jano Felice Pajarola
Die Kulturlandschaft von Platta bei Avers-Cresta ist geprägt von alten Ställen.
Jano Felice Pajarola

Oben am Soldatlibärg ist es geglückt, auch wenn nicht alles so lief wie erhofft. Einen ganzen Winter ohne Dach musste es überstehen, das 2018 frisch restaurierte Berggädemli, eines der typischen, aber heute ungenutzten und deshalb oft zerfallenden Avner Magerheu-Ställi. Der Verein Kulturlandschaft Platta hat es gerettet, als erstes und gleichzeitig letztes Bauprojekt, wie sich nun gezeigt hat. Dabei war der Verein 2017 mit grossen Hoffnungen gegründet, seine Aktivität ein Jahr später mit einer Buchvernissage öffentlich lanciert worden. Diesen August jedoch hat der Verein überraschend die Auflösung beschlossen. Das bestätigt Präsident Hans Gilomen. Damit ist ein Vorhaben nach kurzer Zeit am Ende, dessen Ziel es gewesen wäre, die vom Zerfall bedrohten Ställe und Kleinställe im Gebiet Platta bei Avers-Cresta in ihrer Substanz zu bewahren und als gesicherte Zeitzeugen den bäuerlichen Eigentümern zurückzugeben.

Baustopp nach Hin und Her

Fragt man beim Verein nach Gründen für die unerwartete Auflösung, ist der Tenor klar: Man sei von der Gemeinde und der Meliorationskommission viel eher behindert als unterstützt worden. Das sagen sowohl Gilomen als auch Jürg Stoffel, der als Autor eines Buchs über das Gebiet Platta die Basis für die Aktivitäten des Vereins gelegt hat. «Wie die Kommission und die Gemeinde Avers uns behandelt haben, ist nicht in Ordnung», findet Stoffel.

Gezeigt hat sich das dem Verein zufolge schon beim allerersten Restaurierungsprojekt am stark gefährdeten Gädemli am Soldatlibärg. Nach einem Hin und Her mit den beiden erwähnten Instanzen kam es letzten Herbst zu einem für den Verein überraschenden Baustopp; er hatte zur Folge, dass das Ställi über Winter ohne Dach bleiben musste. Erst im Frühling konnte die Eindeckung erfolgen, glücklicherweise ohne grössere Konsequenzen.

«Wir haben dem Verein keine Steine in den Weg gelegt.»

Zu Schwierigkeiten kam es auch im Fall des zweiten Projekts, der geplanten Restaurierung des historisch wertvollen Doppelstalles «Bim Anderschhus». Das landschaftsprägende Gebäude befindet sich laut Stoffel in einem sehr baufälligen Zustand und müsste rasch gesichert werden. Die Rettung wäre für dieses Jahr gedacht gewesen.

Geht es um Umnutzungspläne?

Es sollte anders kommen. Die Meliorationskommission als Übergangsbesitzerin des aus landwirtschaftlicher und ökonomischer Sicht wertlosen Objekts habe sich quergestellt, heisst es beim Verein: Sie sei nicht gewillt gewesen, den Stall, an dem keiner der Landwirte Interesse gezeigt habe, dem Verein zwecks Rettung zu verkaufen. «Und wir gehen ja nicht Geld für das Projekt sammeln, damit die Kommission das Gebäude nachher an sonst wen veräussert», meint Stoffel. Die nötige Investition in die Bausubstanz würde sich immerhin auf gut 300 000 Franken belaufen. Das Projekt verlief im Sand.

Hinter dem als Behinderung empfundenen Verhalten von Meliorationskommission und Gemeinde vermutet man beim Verein andere Kräfte – solche, die auf eine Umnutzung der Bauten nach entsprechenden Gesetzesänderungen spekulieren würden. Im Tal gibt es die Stiftung Avers Ställe, die sich ebenfalls um die Rettung alter Ökonomiegebäude bemüht. Dem Stiftungsrat gehören unter anderen die Grossräte Robert Heinz und Reto Crameri an, bekannt als Befürworter einer Umnutzung von Ställen ausserhalb der Bauzone. Das weckt Skepsis. Agiert die Stiftung gegen den Verein, weil sie abweichende Pläne hegt oder selbst in Platta aktiv werden möchte?

Doch Avers-Ställe-Präsident Heinz dementiert. Die Stiftung strebe mit ihren Projekten keine Umnutzungen an, sondern die Erhaltung des Kulturguts. An den von der Stiftung ausgewählten Objekten ausgeführt würden nur die nötigen Arbeiten am Dach, am Fundament oder an den Balken, und zwar nach Vorgabe der Stiftung, nicht nach Wunsch des Stallbesitzers. «Dann geht das Gebäude zurück an den Landwirt.» Das sei alles exakt dokumentiert. «Wir stellen es so instand, wie es einmal war.» Von der Vereinsauflösung ist Heinz überrascht. Ob die Stiftung nun einspringe und im Gebiet Platta aktiv werde, könne er im Moment nicht sagen.

Gemeinde und Meliorationskommission wiederum wehren sich gegen den Vorwurf, sie hätten den Verein behindert. Im Fall Soldatlibärg habe man die vom Verein ergriffenen Massnahmen stoppen müssen, da das Objekt im Beizugsgebiet der Melioration sei und diese es verlangt habe. «Auch die Stiftung Avers Ställe musste ihre Vorhaben im Beizugsgebiet zurückstellen», sagt Gemeindepräsident Kurt Patzen. Da gehe es um Gleichbehandlung. Den Schwarzen Peter dafür bekomme nun die Gemeinde. «Dabei haben wir dem Verein keine Steine in den Weg gelegt.»

«Der Verein könnte agieren»

Ähnlich äussert sich Wieland Grass aus Urmein, Präsident der Avner Meliorationskommission. Wegen des Umlegebanns hätten 2017 und 2018 alle Baugesuche im Beizugsgebiet auch der Melioration vorgelegt werden müssen. In dieser Zeit habe man keine Stallsanierungen genehmigt. Für das Jahr 2019 habe man nun aber alles wieder freigegeben. «Der Verein könnte agieren», so Grass. «Unseretwegen muss er sicher nicht aufhören.» Nach dem Bewirtschaftungsantritt der Bauern Anfang November könne man den Stall «Bim Anderschhus» ausserdem zum Verkauf ausschreiben. «Auch der Verein hätte sich dann bewerben können. Wir konnten ihm einfach vorher keine Kaufzusicherung geben. Ich sehe jedenfalls keine Behinderung durch unsere Kommission. Wir haben uns bemüht, den Verein korrekt zu behandeln.»

Für Gilomen und Stoffel scheint das Kapitel aber abgeschlossen. «Man wollte uns einfach raushaben», stellt Stoffel fest. «Ich habe jetzt einen Strich daruntergezogen.»

 

Jano Felice Pajarola berichtet seit 1998 für die «Südostschweiz» aus den Regionen Surselva und Mittelbünden. Er hat Journalismus an der Schule für Angewandte Linguistik in Chur und Zürich studiert und lebt mit seiner Familie in Cazis, wo er auch aufgewachsen ist. Mehr Infos

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