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Lausanne richtet über Bäume in Bollingen

Zwei Waldbesitzer rekurrierten wegen einer Rechnung von 680 Franken für die Räumung morscher Bäume in Bollingen bis vor Bundesgericht. Der Sicherheitschef der Stadt sieht im Urteil einen wichtigen Grundsatzentscheid.

Pascal
Büsser
28.08.19 - 04:30 Uhr
Politik
«Tatort»: Auf diesem Abschnitt der Moosstrasse oberhalb von Bollingen stürzen im Mai 2018 zwei Bäume um.
«Tatort»: Auf diesem Abschnitt der Moosstrasse oberhalb von Bollingen stürzen im Mai 2018 zwei Bäume um.
PASCAL BÜSSER

Finanziell ging der Schuss für das Ehepaar nach hinten los. Wegen einer Rechnung der Stadt Rapperswil-Jona von 680 Franken für die Räumung zweier gefallener Bäume rekurrierte es vor dem St. Galler Verwaltungsgericht. Als es dort eine Abfuhr gab, zog es den Entscheid ans Bundesgericht in Lausanne weiter. Auch dieses wies die Beschwerde ab, wie aus dem rechtskräftigen Urteil vom 22. Juli hervorgeht, das vor Kurzem publiziert wurde. Allein für das bundesgerichtliche Urteil kommen für die privaten Waldbesitzer nun zusätzliche 1200 Franken an Kosten dazu.

«Eigenmächtiges» Verhalten

Auslöser für den Rechtsstreit war ein Vorfall vom 28. Mai 2018. Damals räumte die Feuerwehr Rapperswil-Jona laut Urteilstext zwei «allem Anschein nach morsche Bäume» weg, die auf eine Strasse gefallen waren, die sich im Besitz der Stadt befindet. Laut Stadtpräsident Martin Stöckling handelt es sich um die Moosstrasse, die von Bollingen nach Wagen führt. «Wir wurden von der Polizei für diesen Einsatz aufgeboten», bestätigt Roland Meier, Sicherheitschef und Feuerwehrkommandant der Stadt, auf Anfrage.

Das Ehepaar wehrte sich mit diversen Argumenten dagegen, für den Räumungseinsatz zu bezahlen. So brachten sie etwa vor, die Strasse sei unzulänglich unterhalten gewesen. «Weshalb dies zum Umfallen der beiden Bäume hätte beitragen können, weisen sie aber in keiner Weise nach», hält das Bundesgericht fest.

Weiter brachte das Ehepaar vor, dass sie die Feuerwehr nicht selber aufgeboten hätten – und folglich auch nicht zahlungspflichtig seien. Den Behörden warfen sie «eigenmächtiges» Verhalten vor, das gegen Bundesgesetze oder Verfassungsrecht verstossen habe. Auch diese Argumente hält das bundesrichterliche Trio, das sich mit dem Fall befasste, rechtlich nicht für stichhaltig. «Dass ein auf der Fahrbahn befindlicher Baum die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet, liegt auf der Hand», heisst es im Urteil. «Entsprechend duldet die Beseitigung keinen Aufschub und kann der Werkeigentümer nicht zuwarten, bis der Eigentümer des einwirkenden Grundstücks handelt.»

Faktisch ist das betroffene Landstrassenstück eine leicht abschüssige Gerade mit guter Sicht. Trotzdem meint auch der städtische Sicherheitschef Meier: «Wenn ein Velo- oder Töfffahrer das Hindernis nicht rechtzeitig gesehen hätte, aus welchen Gründen auch immer, hätte er tot sein können.»

«Für alle Feuerwehren der Schweiz hat dieses Urteil wichtige Signalwirkung», sagt der städtische Sicherheitschef, Roland Meier.
«Für alle Feuerwehren der Schweiz hat dieses Urteil wichtige Signalwirkung», sagt der städtische Sicherheitschef, Roland Meier.

Richter: «Kein Elementarschaden»

Als weiteres Argument brachte das Ehepaar laut Urteil vor, dass «ein Waldeigentümer nicht verpflichtet sei, den Wald zu unterhalten und daher das ‘blosse Belassen eines Naturzustandes’ von vornherein zu keiner Grundeigentümerhaftpflicht führen könne». Auch dem widerspricht das Bundesgericht. Aus dem Waldgesetz gehe hervor, dass ein Wald so zu bewirtschaften sei, «dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann». Die Nichtbewirtschaftung eines bewaldeten oder unbewaldeten Grundstücks dürfe zu keiner Gefährdung von Polizeigütern Dritter führen. Dies sei aber im vorliegenden Fall passiert. Ob die als Ursache vermutete Stammfäulnis erkennbar gewesen sei oder nicht, sei unerheblich.

Der Räumungseinsatz wäre für das Ehepaar gemäss Bundesgericht nur unentgeltlich gewesen, wenn die Bäume wegen eines im kantonalen Gesetz definierten Naturereignisses umgefallen wären. «Dass ein Elementarschadenfall vorliege, ist vorinstanzlich weder festgestellt noch wird dies von den Grundeigentümern behauptet», heisst es im Urteil. «Damit ist insbesondere nicht dargetan, dass das Ereignis durch einen Sturmwind bewirkt worden sein könnte.»

Diesen Sachverhalt bestätigt auch Sicherheitschef Meier. Die Räumung habe an einem strahlend schönen Tag stattgefunden. Er ist erleichtert, dass das Bundesgericht die Beschwerde abgewiesen hat. Konkret ging es zwar um einen bescheidenen Betrag. Aber: «Für alle Feuerwehren in der Schweiz hat dieses Urteil wichtige Signalwirkung», sagt Meier. «Wir machen viele Dienstleistungen, die nicht direkt auf Elementarereignisse zurückzuführen sind. Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit dafür zahlen muss.»

Bundesgerichts-Urteil 2C_560/2019

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