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Schmerkner sorgt für sauberes Wasser in Liberias Hauptstadt

Der 23-jährige Bob aus der liberianischen Hauptstadt Monrovia studiert zurzeit an der HSR in Rapperswil-Jona. Dann geht es zurück in sein Heimatland, wo er das Gelernte umsetzt. Ein Beispiel für nachhaltige Entwicklungshilfe.

16.05.19 - 11:34 Uhr
Politik

«Das ist mein Arbeitsplatz», sagt Bob und deutet auf einen Schreibtisch in den Räumen des Ingenieurbüros Kuster+Hager in Pfäffikon. Neben dem Notebook liegen Bücher über Hydraulik und das Ingenieurwesen, auf Bobs Notizzettel sind kompliziert aussehende Berechnungen und Gleichungen notiert. Bob heisst eigentlich Laryee Alieu Sannor und kommt aus der liberianischen Hauptstadt Monrovia, wo er Bauingenieurwesen studiert. Gestern feierte er seinen 23. Geburtstag. Bob nennt man ihn aber nicht etwa nur in der Schweiz: «In Liberia ist es Tradition, dass alle einen Spitznamen bekommen. Diesen verrät man aber nur den Menschen aus der Nachbarschaft und Freunden, die einem nahe stehen. So kam ich zum Namen Bob», erklärt er und lacht.

Dass Bob sich zurzeit in der Schweiz aufhält, hat er dem Schmerkner Felix Walz (siehe Artikel unten) und dessen Bowier Trust Foundation Switzerland zu verdanken. Es ist Bobs erster Aufenthalt im Ausland. Er ist hier, um sich an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR), bei zwei Ingenieurbüros in Dübendorf und Pfäffikon und durch Besichtigungen verschiedener Be- und Entwässerungsanlagen neues Wissen anzueignen. Am 17. Mai geht es für Bob und eine Schweizer Delegation, darunter Walz und ein Student der HSR, zurück nach Monrovia. Dort soll er das Gelernte anwenden, um aus schmutzigem Grundwasser sauberes Trinkwasser zu machen.

«Privileg – aber auch Druck»

«Das Verfahren nennt sich GDM, was für Gravitiy-Driven Membrane steht», erläutert Bob. Bei GDM-Systemen handle es sich um einfache, aber robuste Anlagen, die sich gerade für ein Land wie Liberia gut eigneten. «Die Infrastruktur, aber auch die Arbeitsmoral und die Ausbildung der Menschen in Liberia sind in keiner Weise mit denjenigen in der Schweiz zu vergleichen», sagt Bob in fliessendem Englisch. Und: «Es ist ein grosses Privileg, dass ich hier sein und diese Erfahrung machen darf.» Er weiss aber, dass er dieses Privileg ohne klare Vorgaben und einen Leistungsvertrag nicht erhalten hätte: «Die zwei Ingenieurbüros, die HSR und das Stella Maris Polytechnikum in Monrovia, wo ich studiere, haben klar definiert, was ich lernen soll und wie ich es zu Hause anwenden muss, damit die Zusammenarbeit eine Zukunft haben kann», führt Bob aus.

Walz weigerte sich, während der Ebola-Epidemie das Land zu verlassen.

Denn das Ziel von Walz’ Stiftung ist klar: «Wir wollen zeigen, dass nachhaltige Entwicklungshilfe nur dann erfolgreich sein kann, wenn sich die Wirkung im Entwicklungsland entfaltet», erklärt der Schmerkner. Das Personal soll in der Schweiz Ausbildung erhalten und dann zurück im Heimatland unter Begleitung umsetzen, was es gelernt hat. Bob ist der erste Liberianer, der im Rahmen dieses Austauschs die Schweiz besucht. «Der Druck auf meinen Schultern ist gross, und ich werde alles daran setzen, ihm gerecht zu werden», sagt Bob.

Denn um die Wasserversorgung in und um Monrovia steht es schlecht – wie im Rest des westafrikanischen Landes mit 4,7 Millionen Einwohnern. Das hat Walz am eigenen Leib erfahren, als er 2013 im Auftrag der UNO als Polizeiberater erstmals nach Liberia reiste. «Während der Trockenzeit gibt es kaum sauberes Wasser. Und während der Regenzeit kann das Wasser nirgends abfliessen, die Slums sind überflutet, in den Strassen und Gassen bilden sich grosse Tümpel, die den Moskitos als Brutstätten dienen», erklärt Walz. Die Insekten wiederum verbreiteten Krankheiten wie die Malaria Tropica mit hoher Sterblichkeitsrate.

Trotz Epidemie geblieben

Wie gefährlich solche Krankheiten sein können, hat Westafrika das letzte Mal 2014 erfahren, als im März eine Ebola-Epidemie ausbrach. «In Liberia starben Tausende Menschen, bevor im Dezember das Land wieder für ebolafrei erklärt werden konnte», erinnert sich Walz. Er hatte sich geweigert, das Land zu verlassen, als die Schweizer Behörden ihn zurückholen wollte. «Meine erste und letzte Dienstverweigerung», sagt der 66-Jährige und lacht.

Spätestens wegen dieser Epidemie hat Walz erkannt, was an der aktuellen Entwicklungshilfe falsch läuft: «Nach Ausbruch der Ebola-Epidemie wurden innert kürzester Zeit grosse Geldsummen gesprochen, aus verschiedenen Ländern kamen Teams und bauten Care Center auf, um die Infizierten zu isolieren und zu behandeln.» Als die Epidemie besiegt war, hätten alle wieder zusammengepackt und seien abgereist. «Liberia und Westafrika waren dann zwar frei von Ebola. Aber gelernt haben sie kaum etwas. Die Hilfe war nicht nachhaltig.» Nicht zuletzt diese Erfahrung hat Walz dazu bewegt, 2016 die Bowier Trust Foundation zu gründen (siehe Infokasten).

Gegenseitige Bereicherung

Bevor Bob sich auf den Heimweg von der Arbeit bei Kuster+Hager macht, bittet ihn Ingenieur Giuliano Calendo in sein Büro. Auf Bildern am PC erklärt er Bob, was passiert, wenn Wasser an einer Rohrverbindung in die Kanalisation eindringt und sich Kalkablagerungen bilden. «Der Durchmesser der Röhre wird kleiner, was die Durchflusskapazität reduziert. Wird der Kalk nicht periodisch entfernt, kann sich ein Rückstau bilden und das Rohrsystem kann überlaufen», erklärt Calendo. Bob macht Notizen, fragt nach. Hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Arbeitsweise in den beiden Ländern ist: Als Ingenieur Calendo Bob erklärt, dass hier Roboter für Unterhaltsarbeiten eingesetzt werden, macht er grosse Augen und lacht: «Da werde ich mir etwas einfallen lassen müssen, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in ganz Liberia keinen Rohrputzroboter werde auftreiben können.»

Im Gespräch erklärt Calendo, die Arbeit mit Bob sei eine gegenseitige Bereicherung: «Das Ziel, dass Bob nach drei Monaten das Projekt in Monrovia leiten kann, ist ambitioniert. Aber er bringt enorm viel Motivation mit und hat eine schnelle Auffassungsgabe. Ich bin mir sicher, dass er diese Aufgabe gut meistern wird.» Und auch für diejenigen, die in der Schweiz mit Bob zusammenarbeiten, sei der soziale Austausch wertvoll: «Trotz grosser kultureller Unterschiede hat Bob mir viele positive Eindrücke aus seinem Heimatland vermittelt. Und die sozialen Anlässe haben Spass gemacht.» Sollte der Austausch mit liberianischen Studenten weitergeführt werden, könne Calendo sich gut vorstellen, dass auch Kuster+Hager wieder mitmachen werde.

Neun Angestellte für sauberes Wasser und Bildung
Felix Walz gründete die Bowier Trust Foundation Switzerland (BTFS) mit Beat Jud, Verwaltungsratspräsident der JMS AG, Linus Hoffman aus Rapperswil, Markus Blatter und Franziska Hofer. Die Stiftung beschäftigt in Liberia neun Angestellte im Management-Team. «Wir bezahlen ihnen einen kleinen Lohn, der in Liberia bereits viel bewirken kann», sagt Gründer Walz: «Dank des Einkommens haben die Familien heute Zugang zu einer grundlegenden medizinischen Versorgung.» Die Tätigkeiten der Stiftung beruhen auf drei Stützpfeilern: Gesundheit, Bildung und Sicherheit. «Gesundheit ist ohne sauberes Wasser nicht möglich», erklärt Walz. Deshalb habe zurzeit der Bau von Brunnen, Wassertanks und sanitären Anlagen erste Priorität. In einem Pilotprojekt konnte die Stiftung 2018 an einer Schule mit 320 Kindern Brunnen und Wassertanks errichten, die von Rotary Clubs aus dem Linthgebiet finanziert wurden. Die bisher insgesamt drei Brunnen der Stiftung versorgen an die 4000 Menschen mit sauberem Trinkwasser. 
Im Bereich Bildung unterstützt die BTFS in Monrovia eine Schule mit Lehrmitteln, Schreibheften und weiterem Schulmaterial. Auch Trainings und Workshops zu Themen wie HIV, Gesundheit und Körperhygiene, Kinderschwangerschaften, Selbstbestimmung und Selbstvertrauen oder Projektmanagement gehören zu den Angeboten. «Viele Liberianer sind zwar wahre Überlebenskünstler, denken aber nicht weiter als von heute auf morgen», sagt Gründer Walz. «Einen Plan für ihr Leben, ihre Zukunft zu entwerfen – das haben die Leute im krisengeschüttelten Liberia nie gelernt und lange nicht für notwendig erachtet.» Auch hier sei deshalb viel Geduld, Umsicht und eine langjährige Begleitung der Menschen nötig. Das Pilotprojekt, in dem der liberianische Student Bob ein dreimonatiges Praktikum in der Schweiz absolviert, soll den Grundstein für einen engeren Austausch der beiden Länder im Bereich Bildung legen: «Wir hoffen, dass wir mit diesem positiven Beispiel die Behörden beider Länder vom Sinn solcher Austausche überzeugen und so bürokratische Hürden abbauen können», sagt Walz. Denn egal ob beim Trinkwasser, im alltäglichen Leben oder in der Bildung, für Walz ist klar: «Nachhaltige Entwicklungshilfe kann nur funktionieren, wenn wir die Menschen in Liberia an unserem Wissen und unseren Erfahrungen teilhaben lassen und ihnen so die Möglichkeit geben, ein selbstbestimmtes und glückliches Leben in ihrer Heimat zu leben.» 

«Jede Sekunde glücklich»

Auf dem Weg zum Bahnhof erzählt Bob von den Unterschieden zwischen Liberia und der Schweiz: «Es ist unglaublich, wie organisiert und strukturiert hier alles abläuft.» Auch, dass sauberes Wasser immer und überall zur Verfügung stehe und nicht als wertvolles Gut betrachtet werde, sei für ihn eine neue Erfahrung. Vom Unterricht an der HSR ganz zu schweigen: «Die Einrichtung, die Labors, die Modelle, die Unterrichtsmethoden – all das werden wir in Liberia in zehn Jahren noch nicht haben», ist Bob überzeugt. Deshalb setze er sich nach dem Unterricht fast jeden Tag in seiner Wohnung im Studentenwohnheim an den Tisch und überlege sich: «Wie kann ich das Gelernte meinen Mitschülern und den Angestellten der Stiftung in Liberia ohne die ganzen Hilfsmittel erklären, welche die Dozierenden hier zur Verfügung haben?»

Ingenieur Calendo sagt, die Arbeit mit Bob sei eine gegenseitige Bereicherung.

Doch nicht alles an der Schweiz gefällt ihm: «Am meisten stört mich das Wetter, es ist so kalt hier», sagt er, lacht und zieht sich gegen den stürmischen Wind sein Cap tiefer ins Gesicht. Auch mit kulturellen Unterschieden habe er anfangs zu kämpfen gehabt: «Viele junge Leute trinken offenbar viel Alkohol, das verstehe ich nicht.» Hin und wieder kriege er den Eindruck, dass die Menschen hier ihre Privilegien gar nicht zu schätzen wissen. Doch Bob verurteilt niemanden: «Mir musste einfach erst klar werden, dass etwas, das man von Geburt an im Überfluss hat, irgendwann nicht mehr als Luxus angesehen wird.»

Natürlich vermisse Bob seine Familie, seine Freundin und Kollegen. Am meisten setze ihm aber das Gefühl zu, kein Zuhause zu haben. «Die Menschen geben mir hier sehr viel und ich bin extrem dankbar. Aber glücklich fühle ich mich trotzdem nicht immer», sagt er und lässt den Blick aus dem Zugfenster über den See schweifen. «In Liberia ist das anders. Dort habe ich viel weniger, doch ich bin jede Sekunde meines Lebens glücklich.»

Seine Betrübtheit ist längst wieder verflogen, als Bob im Studentenwohnheim ankommt, wo Ignaz Caviezel schon wartet. Caviezel ist Geschäftsführer des Ingenieurbüros Kuster+Hager, wo Bob einen Teil seines dreimonatigen Praktikums absolviert. Stolz präsentiert Bob sein Zimmer, auch dort liegen verschiedene Lehrmittel und Arbeitsutensilien auf dem Tisch. Vorsichtig füllt er ein Glas Wasser und bietet es Caviezel an. «Als Felix Walz mir die Idee unterbreitete, musste ich nicht lange überlegen», sagt dieser. Der Ansatz, Entwicklungshilfe vor Ort zu betreiben, habe ihn auf Anhieb überzeugt.

Hohe Arbeitslosigkeit und grosse Armut – ein krisengebeuteltes Land
Im Dezember 1989 begann der liberianische Bürgerkrieg mit dem Einmarsch einer Rebellenbewegung unter der Führung von Charles Taylor. Es folgten jahrzehntelange blutige Unruhen, in denen Warlords um Macht und Ressourcen kämpften. Die Infrastruktur des Landes lag am Boden, jeder zehnte Bürger war geflüchtet, die Möglichkeiten zur Schulbildung unzureichend und 80 Prozent der Einwohner von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Kriminalitätsrate war hoch, ethnische Spannungen weit verbreitet, die Korruption immens und das Land stark verschuldet. Ellen Johnson-Sirleaf war das erste weibliche Staatsoberhaupt Afrikas. Sie wurde 2005 mit knappem Vorsprung vor dem Ex-Fussballstar George Manneh Weah zur Präsidentin Liberias gewählt, das zweite Mal Ende 2011. Seit Januar 2018 ist George Weah an der Macht. Krankheitsepidemien und Ernteausfälle setzten Liberia immer wieder zu. Noch heute leiden viele Menschen unter Arbeitslosigkeit, Wassermangel und fehlendem Zugang zu Bildung und Medizin. 

Siegreiche Premiere

Neben der Arbeit habe er Bob auch privat als aufgestellten Menschen kennengelernt. «Ich habe versucht, ihm ein paar schöne Seiten der Schweiz zu zeigen.» So organisierte Caviezel eine Wanderung auf den Bachtel oder einen Ausflug ins Bowlingcenter mit dem ganzen Team. Bob beginnt zu strahlen, als davon gesprochen wird. «Eine tolle Erfahrung», schwärmt er. Und: «Eine Runde habe ich sogar gewonnen. Obwohl ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Bowlingkugel in der Hand hielt!»

Bei der Verabschiedung kommt Bob mit nach unten. Aus dem Regal nimmt er Fussballschuhe. «Die hat mir ein Freund ein paar Tage nach meiner Ankunft im Wohnheim ausgeliehen und mich eingeladen, jeden Mittwoch mit ihnen zu spielen», sagt Bob. Auch ein Velo habe er sich ausleihen dürfen. Als er sich mit den Schuhen über der Schulter aufs Rad schwingt und losfährt, ruft er noch zurück: «Ihr müsst unbedingt auch einmal kommen. Wir spielen auf einem richtigen Fussballplatz!»

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Er setzt sich mit Leib und Seele für ein «vergessenes Land» ein 


Felix Walz aus Schmerikon engagiert sich für nachhaltige Entwicklungshilfe in Liberia – ein Kampf gegen Bürokratie und Korruption. Entwicklungshilfe von Staat zu Staat, wie sie in Afrika heute oft praktiziert wird, kritisiert der Schmerkner scharf. 

Beim Betrachten der Bilder aus Liberia gerät Felix Walz ins Schwärmen. Sie zeigen die Brunnen, welche dank der von Walz gegründeten Stiftung gebaut werden konnten und heute in der Trockenzeit rund 4000 Menschen mit Wasser versorgen. Sie zeigen stolze Liberianer, Angestellte von Walz’ Stiftung (siehe Infokasten), welche ein Zertifikat in die Kamera halten, das Walz ihnen ausgestellt hat. Sie zeigen konzentrierte Gesichter beim Unterricht, inbrünstige beim Singen in der Kirche und besorgte bei der Verabschiedung von Bob, als dieser zum ersten Mal in seinem Leben das Land verlässt, um drei Monate in der Schweiz zu verbringen (siehe Artikel oben). 
Im Gespräch wird schnell klar: Liberia hat sich Felix Walz mit Haut und Haaren einverleibt – im positiven Sinne. Als sein Mandat als Polizeiberater in Westafrika vor drei Jahren endgültig auslief, entschied er, sich frühpensionieren zu lassen und sein Engagement in Liberia mit seiner Stiftung weiterzuverfolgen. «Mir wurde klar, dass die Schulen und die Kirche die gesellschaftlichen Epizentren Liberias sind», sagt Walz. Also entschied er, dort anzusetzen. 


Am Tisch mit Rebellenführern


Dafür brauchte es viel Überzeugungsarbeit: «Es war nicht einfach, Polizisten, Lehrer, Frauen, Priester und selbst die Rädelsführer von kriminellen Banden an einen Tisch zu kriegen, um über Verbesserungen in der Infrastruktur zu diskutieren», sagt Walz nicht ohne Stolz. Geholfen hätten ihm dabei die weitreichenden Kontakte, welche er während seiner Zeit als UNO-Beauftragter und Berater der lokalen Polizeibehörde knüpfen konnte. 

Im Sommer letzten Jahres konnten die sanitären Anlagen im wichtigsten Schulprojekt der Stiftung fertiggestellt werden. Für die Bauarbeiten stellte die Butti Bauunternehmung AG aus Pfäffikon für zwei Monate einen Baufachmann unentgeltlich zur Verfügung. In der Schule werden 320 Kinder unterrichtet, das Gebäude dient auch als Treffpunkt für die Menschen aus den umliegenden Bezirken. «Die Toiletten mit Spülkästen waren ein absolutes Highlight, und bei der Schulung, wie diese zu benutzen sind, wurde viel gelacht», erinnert sich Walz. 

Doch seit er die Stiftung aufbaute und sich für nachhaltige Entwicklungshilfe in dem von Bürgerkriegen erschütterten Land einsetzt, war Walz nicht immer zum Lachen zumute: «Ich dachte mehr als einmal daran, alles hinzuschmeissen, weil ich das Gefühl hatte, nichts bewirken zu können», sagt er. Die politischen Hürden seien hoch, die internationale Gemeinschaft schaue nicht nach Liberia, Hilfswerke suche man vergebens. «Viele denken bloss an Blutdiamanten, Charles Taylor, Bürgerkriege und Epidemien, wenn sie Liberia hören», sagt Walz. 


Auch in Friedenszeiten helfen


In seiner Zeit vor Ort hat Walz das Land und die Leute ins Herz geschlossen. «Ich habe gesehen, dass die Liberianer extrem stolz sind auf ihr Land und es weiterbringen wollen.» Oftmals fehlten ihnen dazu aber die Möglichkeiten. In Walz wuchs die Überzeugung: «Wer den Menschen nachhaltig helfen will, damit ihr Land und ganz Afrika weiterkommen, muss dies in Zeiten des Friedens tun.» Jetzt wegzuschauen und erst dann wieder Hilfe zu bieten, wenn eine humanitäre Krise oder eine Epidemie ausbricht, sei der falsche Weg. 

Walz kritisiert die Art und Weise, wie in Afrika Entwicklungshilfe geleistet wird – zuweilen an höchster Stelle. Wie während eines Treffens Ende Januar mit Bundesrat Ignazio Cassis, der dem Departement für auswärtige Angelegenheiten vorsteht: «Ich sagte ihm und wiederhole immer wieder, dass Entwicklungshilfe nicht von einer in eine andere Staatskasse erfolgen darf. So versickert viel zu viel Geld in Korruption und Bürokratie. Wir müssen den Menschen Perspektiven geben, Möglichkeiten schaffen, dass sie sich zum Wohl ihres Landes einsetzen können.» Den Boden vorbereiten, nennt Walz diese Vorgehensweise, «um dann den Samen einzusetzen und die Pflanze so lange zu giessen, bis sie selbstständig auch starken Stürmen widersteht, Früchte trägt und sich verbreiten kann», schliesst er die Metapher.

Der Besuch des Studenten Bob in der Schweiz soll der Grundstein sein, das «Flaggschiff»: «Das Ziel ist es, in Liberia ein Unternehmen aufzubauen, Jobs zu schaffen, den Wissensaustausch mit der Schweiz zu intensivieren und so nach und nach das ganze Land mit sauberem Trinkwasser zu versorgen», schwärmt Walz. Bei der Projektintegration erhält Bob alle notwendige Unterstützung, doch die Erwartung ist klar: «Langfristig soll das Unternehmen von Liberianern geführt werden, und die Profite müssen im Land bleiben.»

So will Walz auch weitere Flüchtlingsströme verhindern, denn für ihn ist klar: «Die Liberianer lieben ihr Land, sie wollen nicht weg. Wenn sie fliehen, dann nur, weil sie gezwungen werden.» Hätten sie vor Ort die Möglichkeit, ein gutes, sicheres Leben zu führen und für sich und ihre Familien zu sorgen, würden sie bleiben. «Davon bin ich hundertprozentig überzeugt», sagt Walz. 


Land ist noch immer instabil


Doch bei allem Schwärmen verhehlt Walz nicht, dass die Arbeit nicht immer einfach ist und teilweise behindert wird: «Zwei grosse Firmen, von denen ich mir Investitionen erhoffte, sprangen ab, weil die Sicherheit aus ihrer Sicht nicht gewährleistet war.» Das Land sei nach wie vor instabil, die Grundversorgung gerade in der Millionenstadt Monrovia katastrophal. In Teilen der Hauptstadt seien Gewalt, Raub, Korruption und andere Verbrechen nach wie vor an der Tagesordnung. Für seine Besucher bürgt Walz, der viele der Polizisten vor Ort selber ausgebildet hat. Aber: «Man muss wissen, wann man sich wo bewegt.» 

Am 17. Mai reist Walz mit Bob und einer Schweizer Delegation zurück nach Liberia. Mit dabei ist auch der Bereichsleiter der Pflege vom Spital Linth in Uznach, Marcel Buchmann. Er wird in den zwei Kliniken, mit denen Walz zusammenarbeitet, Abklärungen machen, welche Massnahmen im Bereich der medizinischen Versorgung sinnvoll und realistischerweise umsetzbar sind. «Für Menschen wie Marcel Buchmann vom Spital Linth, die HSR-Professoren Michael Burkhard und Felix Wenk sowie die Chefs von Gossweiler Ingenieure und Kuster+Hager bin ich extrem dankbar», sagt Walz. Sie setzten sich mit viel Elan für das Wohl der Menschen in Liberia ein. «Das ist gelebte Entwicklungshilfe.» Beim Treffen mit  Bundesrat Cassis kritisierte Walz die Entwicklungshilfe in Afrika: Das Geld dürfe nicht von einer Staatskasse in die andere fliessen. 

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