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Politische Ämter passen nicht in die Bündner Terminkalender

In den Gemeinden politische Ämter zu besetzen, ist oft schwierig. Vor allem junge Erwachsene sind in den Gemeindeexekutiven untervertreten. Das Projekt Promo 35 hat das politische Engagement von jungen Erwachsenen unter die Lupe genommen. Und gibt Tipps, wie Gemeinden Nachwuchspolitiker an Bord holen können.

Simone
Zwinggi
24.04.19 - 04:30 Uhr
Politik
Bündner Gemeinden haben oft Mühe, politische Ämter zu besetzen – vor allem Nachwuchspolitiker sind schwierig zu finden.
Bündner Gemeinden haben oft Mühe, politische Ämter zu besetzen – vor allem Nachwuchspolitiker sind schwierig zu finden.
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Im Rahmen des Projekts Promo 35 hat die HTW Chur 602 Schweizer Gemeinden zu ihrer Besetzung der politischen Ämter befragt. In 20 Interviews mit  aktuellen und potentiellen Amtsinhabern sowie einer Online-Umfrage mit 1000 jungen Erwachsenen erkundigten sich die Studienleiter Curdin Derungs und Dario Wellinger ausserdem nach der Motivation für ihr politisches Engagement und nach allfälligen Hürden auf dem Weg dorthin.

Von der Uni in die Vorstandssitzung?

Die Studie zeigt, dass rund ein Drittel der Schweizer Gemeinden erhebliche Schwierigkeiten hat, Leute für ein Amt in der Gemeindeexekutive zu begeistern. Der Anteil derjenigen Amtsinhaber, die jünger als 35 sind, beträgt gar nur 5,6 Prozent. «In Graubünden gestaltet sich die Rekrutierung von neuen Mitgliedern von Gemeindeexekutiven meist noch schwieriger als im Schweizer Durchschnitt», sagt Dario Wellinger und bezieht sich dabei auf alle Altersklassen.

Junge Bündner Erwachsene würden ihre Ausbildung oft in einem anderen Kanton in Angriff nehmen, führt Wellinger weiter aus. «Und weil politische Ämter meist auch Verpflichtungen unter der Woche oder teilweise sogar tagsüber mit sich bringen, lassen sich Ausbildung und Gemeindepolitik nur schwer miteinander vereinbaren.»

Verbesserungsvorschläge

Aufgrund der Studienresultate haben Derungs und Wellinger einen Massnahmenkatalog erarbeitet. Verteilt auf 18 Themenbereiche sollen die 84 Massnahmen Gemeinden und Parteien helfen, politische Ämter zu besetzen. Wer jetzt zurückschreckt, sei beruhigt: Statt sich durch die lange Liste durchzuackern, beantwortet man online einen Fragebogen. Darin erfassen die Verantwortlichen Eckdaten der Gemeinde wie Einwohnerzahlen und Anzahl Mitglieder der Gemeindeexekutive. Und möchten weiter wissen, ob «Ihre Gemeinde bereits Massnahmen ergriffen hat, um das Interesse für Gemeindepolitik bei jungen Erwachsenen zu wecken?» Oder ob die Gemeinde den Bereich «Sitzungen effizienter gestalten» in den letzten Jahren modernisiert habe.

Der Online-Fragebogen mitsamt der Auswertung und den empfohlenen Massnahmen ist seit Anfang Februar online, wie Wellinger erklärt. «Wir verzeichnen bislang über 3000 Seitenaufrufe.» Die Studienleiter würden immer wieder Rückfragen von Gemeinden zum Fragebogen und zum Massnahmetool erhalten. «Zusätzlich haben wir diverse Einladungen für Fachbeiträge und Vorträge erhalten», so Wellinger. Zuletzt durften sie ihr Projekt vor zwei Wochen an der Jugendsession Graubünden vorstellen, nächsten Monat folgt eine Präsentation bei Unicef.

Besser informieren

Die Informationspolitik über die Ämter besser zu steuern sei eine Massnahme, die von den Gemeinden sehr gut aufgenommen wurde, erklärt Wellinger. «Mit einfachen Mitteln kann man vor allem die junge Bevölkerung besser über die politischen Ämter informieren.» Einzelne Gemeinden zeigten sich sehr zeitgemäss, indem sie digitale Sitzungen durchführen. «Solche sehr modernen Massnahmen sind aber von einzelnen Personen abhängig und werden nur vereinzelt durchgeführt», so Wellinger.

Verbesserungspotential ortet Wellinger vor allem bei der Informationspolitik: «Die Gemeinden müssen unbedingt besser über den Kandidaturprozess informieren.» Die Gemeinden gingen davon aus, dass klar sei, wie man für ein politisches Amt kandidiere. Doch die junge Bevölkerung zeige sich oft unwissend. Zudem müssten die Gemeinden unbedingt aktiv auf junge Erwachsene zugehen, so Wellinger. «Die Gemeinden glauben, sie würden genügend Kandidaten ansprechen. Gleichzeitig gaben etwa 90 Prozent der befragten Personen an, noch nie eine solche Anfrage erhalten zu haben.» Diesen «blinden Fleck» im Rekrutierungsvorgehen der Gemeinden habe man dank der Studie aufdecken können.

Breit gestreut

Das Projekt Promo 35 wurde über die kantonalen Verbände der Gemeinden und über weitere kantonale Amtsstellen bekannt gemacht, wie Wellinger erklärt. «Wenn Fragen zum Projekt und zu den empfohlenen Massnahmen auftauchen, stehen wir als Ansprechpersonen gerne beratend zur Verfügung.» Zudem sei im Verlauf des Jahres ein Update im Online-Tool bezüglich Massnahmen geplant.

Simone Zwinggi ist Redaktorin bei Zeitung und Online. Nach einem Sportstudium wendete sie sich dem Journalismus zu. Sie ist hauptberuflich Mutter, arbeitet in einem Teilzeitpensum bei der «Südostschweiz» und hält Anekdoten aus ihrem Familienleben in regelmässigen Abständen im Blog Breistift fest. Mehr Infos

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Manchmal währen interessenten da, aber die Person passt denen die das sagen haben nicht!!!!!!!!

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