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Bündner Winzer streiten um Prozente

Eine Gesetzesänderung sorgt bei den Bündner Winzern für rote Köpfe. Sie rufen die Bundesparlamentarier auf den Plan.

Philipp
Wyss
08.04.19 - 04:30 Uhr
Politik
Der Austrieb der Reben in den Weingärten der Bündner Herrschaft hat begonnen.
Der Austrieb der Reben in den Weingärten der Bündner Herrschaft hat begonnen.
PHILIPP WYSS

Mit der Agrarpolitik ab 2022 will der Bundesrat die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft verbessern. Konkret soll die Land- und Ernährungswirtschaft eigenständiger und unternehmerischer werden. Die dazu notwendige Vernehmlassung ist kürzlich abgeschlossen worden. In Graubünden wehren sich insbesondere die Winzer. Sie sehen in der geplanten Verbesserung eine Verschlechterung. Richten sollen es nun die Bündner Bundesparlamentarier.

Darum geht es bei der AP22+. QUELLE: YOUTUBE

Im Bereich Markt der Agrarpolitik (AP22+) stösst Bündner Winzern folgende Passage auf wie ein saurer Tropfen: Schutz von Herkunftsbezeichnungen für Wein. Konkret geht es um ein einheitliches System für geschützte Ursprungsbezeichnungen sowie geografische Angaben. Oder anders gesagt: Die Verantwortung für die geschützten Ursprungsbezeichnungen (GUB/AOP) und geschützten geografischen Angaben (GGA/IGP) soll an die Produzenten übertragen werden. Ziel ist die klarere Abgrenzung der beiden Klassen sowie die schweizweite Vereinheitlichung. So steht es im erläuternden Bericht zur Vernehmlassung.

Weniger Bündner Wein

Was simpel klingt, könnte für die Bündner Weinregion in der Herrschaft grössere Auswirkungen haben. So sieht die AP22+ unter anderem Folgendes vor:

  • Die 20 Prozent Bündner Trauben, die ins Unterland verkauft und dort gekeltert werden, dürften künftig nicht mehr mit AOP Graubünden bezeichnet werden.
  • Heute wird ein Wein beispielsweise als «Maienfelder» bezeichnet, wenn 60 Prozent der darin enthaltenen Trauben aus Maienfeld und maximal 40 Prozent von woanders aus dem Kanton stammen. Dieses Verhältnis soll laut AP22+ auf 90/10 vergrössert werden.

Preise könnten sinken

Ueli Liesch, Präsident des Branchenverbandes Graubünden Wein, äusssert sich deutlich gegen die neue geschützte Ursprungsbezeichnungen AOP, «weil sie weitreichende Folgen hat», wie er auf Anfrage sagt. So könnten Traubenproduzenten ihre Trauben nicht mehr über die Gemeindegrenzen hinaus verkaufen, so Liesch. Und auch Winzer, die Parzellen in zwei aneinandergrenzenden Gemeinden haben, müssten künftig mit dieser Einschränkung klar kommen. So gebe es einige Jeninser Winzer mit Weinbergen in Malans oder Maienfelder mit Rebflächen in Fläsch. Oftmals sind in den Weinhängen nicht mal die Gemeindegrenzen klar erkennbar.

Branchenkenner sagen voraus, dass bei Einführung der neuen Regel neben den bekannteren Weingemeinden Maienfeld, Malans und Fläsch Winzerdörfer wie Zizers, Trimmis oder auch Jenins unter Druck geraten würden. Unter dem Strich würden für bekanntere «Weinmarken» weniger Trauben und damit weniger Flaschen bleiben. In der Folge würde die Nachfrage nach Trauben und damit auch die Preise sinken. Ob dies im Sinne der Konsumenten wäre, müssten diese letztlich beantworten. Liesch ist aber überzeugt, dass das Ganze der Vermarktung nichts bringen würde. «Die Bezeichnung AOC sagt dem Kunden wahrscheinlich wenig. Viel wichtiger sind der Produzent und die Region, in der die Trauben gewachsen und der Wein gekeltert worden sind.»

Wie weiter?

Laut Graubünden Wein ist sich die Branche einig. Zumindest in der Deutschschweiz. Diese ist mehrheitlich gegen AP22+. Entsprechend fielen die zuhanden des Bundes abgegebenen Stellungnahmen aus. Liesch: «Die Deutschschweizer Kantone haben mehrheitlich ablehnende Stellungnahmen verfasst.» Sie verlangen die Streichung des entsprechenden Passus. «Dann wäre für uns die Sache erledigt.»

Aufgrund der im Vergleich mit der Westschweiz viel kleineren Rebflächen und der Haltung zahlreicher Branchenverbände ausserhalb der Deutschschweiz, ist die angestrebte Streichung aber ungewiss. So entspricht beispielsweise die Rebfläche Graubündens knapp zehn Prozent jener des Kantons Wallis. «Darum macht diese Verbürokratisierung keinen Sinn», ist Liesch überzeugt. Deshalb spielt Graubünden Wein den Ball nun den Bündner Politikern in Bern zu. Diese sollen sich in den Kommissionen für die Bündner Winzer stark machen, verlangt Liesch.

Aktuell hat in mehreren Bündner Weinbergen der Austrieb begonnen. Die warmen Temperaturen fördern diesen. Deshalb hoffen manche Winzer hierzulande auf moderat ansteigende Temperaturen. Diese würden den Austrieb etwas bremsen. Ein plötzlicher Kälteeinbruch bei fortgeschrittenem Austrieb könnte zu Frostnächten und damit zur Gefährdung eines Teils der Traubenernte im Herbst führen. So wie in den vergangenen drei Jahren.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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So eine Augenswischerei... insgesamt können bei Ausnutzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen über 120% Maienfelder aus 60% Trauben hergestellt werden. 40% sollen aus dem Kanton Graubünden kommen, 10% Farbverschnitt und 15% Jahrgansverschnitt, Wein gleicher Farbe können dann mit Wein aus der Schweiz hergstellt werden. 25% können also Kantonsfremde Weine beigemischt werden. Also würde die AOP Regelung diese Panscherei ausserhalb des Kantons verbieten, was die vorhandenen Strukturen stärken würde, den grossen Weinfabriken aber eine Strich durch die Rechnung machen. Statt die Bündner Strukturen zu schützen verkauft der Branchenverband an den Weinhandel denn diese nehmen heute 60% der produzierten Trauben. Kann nicht im Sinn der Konsumenten sein über die Herkunft und Qualität der Weine angelogen zu werden. Den Traubenproduzenten wird ein völlig falsches Bild vermittelt um gegen diese Massnahme zu stimmen. Profitieren würden nur die grossen, Volg, Rahm, Coop ect., Grenzen immer mehr verwässert und ausgehebelte Gesetze. Man kann nicht den Fünfer und das Weggli haben. Die Biovision die so großartig in den Medien verkündet wurde scheint selbst den Präsidenten des Branchenverbandes ein zu grosses Risiko darzustellen. Wahre Helden unsere Schweizer Bauern.

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