×

Eine «Kanti Linth» dürfte zur «Mission Impossible» werden

Kantonsräte aus See-Gaster wollen sich 2019 nochmals für einen Kantistandort im Linthgebiet ins Zeug legen. Sie dürften allerdings auf verlorenem Posten stehen, wie eine Umfrage bei den St. Galler Parteispitzen zeigt.

Pascal
Büsser
13.02.19 - 10:39 Uhr
Politik
In schlechtem Zustand: Das bisherige Kantigebäude in Wattwil soll durch einen Neubau in unmittelbarer Nähe ersetzt werden.
In schlechtem Zustand: Das bisherige Kantigebäude in Wattwil soll durch einen Neubau in unmittelbarer Nähe ersetzt werden.
MARKUS TIMO RÜEGG

Dieses Jahr entscheidet sich, ob es einen Kantineubau in Wattwil gibt. Dort steht die Kantonsschule für die Kantischüler aus dem Linthgebiet und dem Toggenburg bereits heute. Dort soll sie nach dem Willen der Regierung bleiben. Neu als Campus mit dem Berufs- und Weiterbildungszentrum (BWZ) Toggenburg. Das ergibt laut Regierung Synergien. Trotzdem soll das Projekt stattliche 108 Millionen Franken kosten – rund 30 Millionen mehr als ursprünglich geschätzt.

Warum der Campus Wattwil plötzlich 108 Millionen kostet
Für den Campus Wattwil rechnet die St. Galler Regierung mit Kosten von insgesamt 108 Millionen Franken. Das sind fast 30 Millionen mehr als bei der Kostenschätzung 2015. Für den Neubau der Kanti rechnet die Regierung nun mit Kosten von 73,5 statt 63 Millionen. Die Gründe laut kantonalem Baudepartement: Spezielle Vorbereitungsarbeiten, erhöhte Geschossflächen, Lärmschutzmassnahmen, die Freilegung des Hofstattbachs, die Möglichkeit eines Holzbaus sowie Reserven, die neu eingerechnet sind. Für die Sanierung der Berufsschule (BWZ) sind die Kosten gegenüber der Projektskizze von 2015 gar von 18 auf 34,5 Millionen gestiegen. Hauptgrund: Verschiedene Bauteile wie Fassade, Flachdach oder Fenster müssen ersetzt werden.
Brisant: Die Zahlen von 2015 stammen aus einer Vergleichsstudie, in der die Regierung darlegte, dass ein Kanti-Neubau in Uznach oder Rapperswil-Jona teurer käme als das Projekt in Wattwil. Für Rapperswil- Jona lag die Kostenschätzung 2015 bei 105 Millionen. Auf Anfrage heisst es beim kantonalen Baudepartement, dass bei einem Neubauprojekt in der Stadt mit einer ähnlichen Kostensteigerung zu rechnen wäre wie nun in Wattwil. Bei den Fraktionschefs im Kantonsrat heisst es, dass man die Kosten des Campus Wattwil sicherlich noch genau prüfen werde. Dass das Projekt an den Kosten scheitert, glauben sie jedoch nicht. 

Verschiebung der Gewichte

Sagt das Parlament Ja, wird aufgrund der Höhe der Kosten voraussichtlich im November die St. Galler Bevölkerung über das Projekt entscheiden. Ihre Hoffnungen auf diese Volksabstimmung setzt Yvonne Suter, CVP-Kantonsrätin aus Rapperswil-Jona. Sie wirbelt seit Jahren an vorderster Front dafür, den Kantistandort Wattwil zu hinterfragen. Erst im Sinne einer Verschiebung des Kantistandorts ins Linthgebiet. Da die Regierung auf Wattwil beharrte, brachte Suter mit Peter Göldi (CVP, Gommiswald) und Thomas Rüegg (FDP, Rapperswil) den Vorschlag von neu zwei kleineren Kantis in Wattwil und Rapperswil-Jona ein.

Für den Standort Wattwil spricht auch die Dringlichkeit einer Lösung.

Dies, weil sich die Herkunft der Schüler massiv verändert hat. So kommt nur noch rund ein Viertel der Schüler an der Kanti Wattwil aus dem Toggenburg. 2007 waren es noch 40 Prozent gewesen. 2018 stammten dagegen gut 40 Prozent der neu startenden Schüler allein aus Rapperswil-Jona.

Doch auch von einer geografischen Aufteilung der Kanti will die Regierung nichts wissen. Das bringe mehr Nach- als Vorteile (Ausgabe vom 13. November).

Linthgebietlerin hofft aufs Volk

«Spätestens in der Volksabstimmung wird es die Vorlage der Regierung sehr schwer haben, denn die Bevölkerung sieht natürlich die offensichtlichen Mängel in der Argumentation», glaubt Suter. «Die Bürger wollen keine politischen Experimente auf dem Buckel von Schülerinnen und Schülern, und sie müssen ja auch nicht auf die kommenden Wahlen schielen.» Suter spielt damit auf die Tatsache an, dass ein (Teil-)Abzug der Kanti aus Wattwil im Toggenburg grossen Aufruhr verursachen würde.

«Spätestens in der Volksabstimmung wird es die Vorlage der Regierung sehr schwer haben.»
- Yvonne Suter, Kantonsrätin CVP, Rapperswil-Jona

Weniger optimistisch tönt sie für die Ratsdebatte: «Ob der Kantonsrat den Mut hat, die Regierung in dieser regionalpolitisch aufgeladenen Frage auf einen besseren Weg zu schicken, wird sich weisen.»

Wie ist die Stimmung dazu in den St. Galler Parteien? Man wolle der Diskussion nicht vorgreifen, heisst es bei den Fraktionschefs von SVP, FDP, CVP und SP-Grüne unisono. Für alle wäre es aber eine Überraschung, wenn eine Mehrheit in der Fraktion den Kantistandort Wattwil grundsätzlich infrage stellen würde. Dies gilt insbesondere für SVP und SP. «Ich wäre überrascht, wenn unsere Kantonsräte aus See-Gaster zu Wortführern gegen die Vorlage würden», sagt SVP-Fraktionschef Michael Götte. Insofern sei auch nicht zu erwarten, dass aus der SVP grundsätzliche Opposition gegen den Campus Wattwil komme.

Links-Grün klar für Wattwil

Noch klarer ist die Lage im linken Spektrum: Die SP-Grüne-Fraktion hat grossmehrheitlich bereits im Zuge früherer Diskussionen einen Grundsatzentscheid pro Wattwil getroffen, wie Co-Fraktionschefin Bettina Surber erklärt.

Zu den Rädelsführern der «Kanti-Linth»-Gruppe gehören seit jeher die CVP-Kantonsräte Yvonne Suter und Peter Göldi. Doch auch hier sagt CVP-Fraktionschef Andreas Widmer: «Sie vertreten eine klare Minderheitenmeinung in der Partei.» Dass er selber aus der Wattwiler Nachbarsgemeinde Mosnang stamme, spiele bei dieser Einschätzung keine Rolle.

Widmer geht davon aus, dass sich eine klare Mehrheit des Kantonsrats für die Vorlage aussprechen wird. «Vor allem die Campus-Lösung ist bestechend», findet Widmer. Wattwil sei zudem für das gesamte Einzugsgebiet gut mit dem ÖV erreichbar. Eine bestehende Schule von einem langjährigen Standort abzuziehen, sei ohnehin schwierig. «Das ist politisch so noch nie passiert im Kanton.» Zumal der Beweis nicht zu erbringen sei, dass ein Campus in Rapperswil-Jona billiger zu realisieren sei.

«Bevölkerung folgt Kantonsrat»

Auch bei der nötigen Volksabstimmung glaubt Widmer an eine solide Mehrheit für den Campus Wattwil. «Wer bei Vorlagen für Bildungseinreichtungen nicht direkt betroffen ist, verlässt sich auf Regierung und Kantonsrat.» Und auch im Linthgebiet geht Widmer nicht von einer geschlossenen Gegnerschaft gegen den Campus Wattwil aus.

«Ich glaube, dass der Solidaritätsgedanke zugunsten des Toggenburgs mitgetragen wird.»
Bettina Surber, Co-Fraktionschefin SP, St. Gallen

SP-Grüne-Co-Fraktionschefin Surber teilt Widmers Einschätzungen zu Campus und ÖV. «Selbstverständlich hat die Kantivorlage auch eine regionalpolitische Komponente, zugunsten einer Region, die es nicht so ‘ring’ hat», meint Surber. Sie glaubt, dass dieser Solidaritätsgedanke auch in der Bevölkerung mitgetragen wird. «Ich verstehe schon, dass man aus Sicht von Rapperswil-Jona den Standort Wattwil hinterfragt», gibt Surber an. Gleichzeitig hält sie für Kantischüler einen Schulweg von einer halben Stunde «oder auch etwas mehr» für zumutbar.

Argument des Scherbenhaufens

«Kanti-Linth»-Vorkämpferin Yvonne Suter will sich von dieser Ausgangslage nicht entmutigen lassen. «Ich gehe die Debatte ebenso sachlich wie lustvoll an und freue mich auf einen fairen Hosenlupf», meint sie. «Und am Schluss gehen wir den Weg, auf den uns die Stimmbevölkerung schickt.»

Dass dieser Weg ins Toggenburg führen dürfte, dafür spricht noch ein weiteres Argument: jenes der Dringlichkeit einer Lösung angesichts des verlotternden Kantigebäudes in Wattwil. Denn wird der Campus Wattwil abgelehnt, kommt nicht automatisch eine «Kanti Linth», sondern für ein paar Jahre nichts, bis eine neue Vorlage steht. «Ich bin gespannt, wie die Vertreter des Linthgebiets einen Scherbenhaufen würden erklären wollen», sagt Ivan Louis, SVP-Kantonsrat und Vorkämpfer des Campus Wattwil.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR