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Richtige Medizin für krankes Gesundheitswesen gesucht

Erst 2014 sagte die St. Galler Bevölkerung Ja zu 800 Millionen für Spitalerneuerungen. Nun ist ein Teil der Investitionen bereits infrage gestellt. Regierungsräte erklärten in Uznach die Hintergründe.

Pascal
Büsser
07.02.19 - 04:30 Uhr
Politik

Was für ein Kontrast: In Wattwil kamen Ende November rund 800 Personen, im Oberstufenschulhaus Haslen in Uznach gestern rund 40 – mehrheitlich Kantonsräte, Gemeindevertreter und ein paar weitere Politinteressierte. Anlass war zweimal derselbe. Ein Gespräch der Regierung mit der Bevölkerung zur Zukunft der St. Galler Spitäler.

Es drohen massive Defizite

Der Grund für das massiv unterschiedlich hohe Interesse ist klar: Das Spital Wattwil ist eines von fünf im Kanton, deren Zukunft unsicher ist. Nicht zur Debatte stehen dagegen das Spital Linth in Uznach, das Kantonsspital St. Gallen und diejenigen in Grabs und Wil. In Uznach wurden ab 2006 bereits 30 Millionen Franken investiert. Aktuell läuft die zweite Bauetappe für rund 100 Millionen. In Wattwil und Altstätten hat der Verwaltungsrat der St. Galler Spitalverbunde unter dem neuen Präsidenten Felix Sennhauser dagegen eine Denkpause verordnet. Und Baupläne für rund 170 Millionen auf Eis gelegt (diese Zeitung berichtete). Dies, obwohl sie Teil eines 800-Mio.-Pakets sind, das die St. Galler Bevölkerung 2014 abgesegnet hat. Die Denkpause sorgte für gehörig Aufruhr in Politik und Bevölkerung – insbesondere in den betroffenen Regionen. Hintergrund: Laut Verwaltungsrat drohen den Spitalverbunden – ohne Gegenmassnahmen – ab 2023 jährliche Defizite von über 70 Millionen. «Unser Gesundheitswesen ist selber krank», bilanzierte Sennhauser gestern Abend.

Bereits zweimal gescheitert

Der verordnete Marschhalt brachte Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann unter Erklärungsdruck. Sie hat die Spitalstrategie des Kantons seit 2004 massgeblich aufgegleist. Seit 2014 hätten sich grundlegende Änderungen ergeben, erklärte sie gestern in Uznach. So griff der Bund zweimal in die Tarifstruktur für ambulante Verhandlungen ein. Für die St. Galler Spitäler resultierten daraus bis zu 25 Millionen Mindereinnahmen. Ohnehin sei St. Gallen benachteiligt, weil die Spitäler für gleiche Leistungen weniger hohe Vergütungen erhalten als etwa Zürcher – mit denen sie seit der Liberalisierung des Gesundheitsmarktes 2012 in direkter Konkurrenz stehen. Mit der Übertragung der Spitalimmobilien vom Kanton an die Spitäler sei der Kostendruck für diese zusätzlich gestiegen.

Sennhauser betonte, dass die Herausforderungen nur teilweise mit Geld zu tun hätten. Es gehe auch um medizinische Trends wie zunehmende Spezialisierung, die Veränderungen bedingten. Als Grobidee steht im Raum, fünf St. Galler Spitäler zu Gesundheitszentren zurückzustufen. Das letzte Wort wird dazu 2020 der Kantonsrat – oder gar das Volk – haben.

Bereits 1997 und 2004 versuchte die St. Galler Regierung Spitäler zu schliessen. Nach massiven Protesten krebste sie zurück. Wieso sollte es diesmal gelingen?, fragte ein Zuhörer. «Der Handlungsbedarf ist heute fast allen klar und schweizweit ein Thema», sagte Bauchef Marc Mächler. «Eine Lehre ist, dass man den betroffenen Standorten Alternativen aufzeigen muss», meinte Finanzchef Beni Würth. Daran arbeite man zurzeit.

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