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Mehr als einfach ein Paar Hörner

Hannes Hefti lässt seinen Kühen die Hörner. Für ihn geht es bei der Hornkuh-Initiative um einen wegweisenden Entscheid. Kurt Krieg enthornt seine Tiere und würde es nicht mehr anders machen wollen.

Daniel
Fischli
03.11.18 - 04:30 Uhr
Politik
Entschädigung für Kuhhörner? Kurt Krieg ist gegen die Initiative.
Entschädigung für Kuhhörner? Kurt Krieg ist gegen die Initiative.

Emmi hat oben an der Stirn zwei fünflibergrosse kreisrunde dunkle Flecken. Es sind Narben. Das Kalb von Kurt und Gabi Krieg aus Niederurnen ist vor zwei Wochen enthornt worden: Der Tierarzt ist auf den Hof gekommen, er hat dem dreiwöchigen Kälbchen ein Beruhigungsmittel gegeben, hat ihm die Stirn lokal betäubt und dann mit einem Heissluftföhn die kleinen Hornanlagen in der Haut verbrannt. Die Hörner werden nun nicht mehr wachsen. «Eine Sache von höchstens zehn Minuten», sagt Kurt Krieg. Blut sehe man dabei keines. Und: «Am nächsten Tag hat man dem Tier nichts mehr angemerkt.»

Die Kriegs halten rund 35 Milchkühe und Jungvieh auf einem Betrieb. Sie können mit der Hornkuh-Initiative, über die am 25. November abgestimmt wird, nichts anfangen. Bis vor 21 Jahren war ihr Vieh im Stall angebunden. Dann haben sie einen Laufstall gebaut, in dem die Tiere herumgehen können. Beim Wechsel von der Haltung im Anbinde- zu jener im Laufstall sind vom Tierarzt allen Tieren die Hörner abgesägt worden, und seither werden alle Kälber kurz nach der Geburt enthornt. «Ich habe früher grossen Wert gelegt auf schöne Hörner. Heute finde ich, dass eine hornlose Kuh eleganter aussieht als eine horntragende», sagt Kurt Krieg.

10 bis 20 Prozent teurere Ställe

Auch Sandra und Hannes Hefti aus Mitlödi halten ihre etwa 26 Kühe und das Jungvieh in einem Laufstall. Sie tragen alle Hörner. «Eine Kuh ohne Hörner ist nicht schön», sagt Bio-Bauer Hannes Hefti. Und es sei möglich, einen Laufstall so zu bauen, dass man darin ohne Probleme Hornkühe halten könne: «Es darf darin keine Sackgassen geben, damit die Tiere einander aus dem Weg gehen können.» Und vor allem: «Er muss ein gutes Stück grösser sein.»

Das Problem mit den Hornkühen im Laufstall sind die Kämpfe um die Rangordnung in der Herde, die die Kühe untereinander austragen. Wenn in einem solchen Kampf die schwächere Kuh nicht ausweichen kann, können die Hörner der stärkeren schon einmal zu einer gefährlichen Waffe werden. Der grössere Stall geht natürlich ins Geld: Auf 10 bis 20 Prozent schätzt der Bundesrat in seiner Botschaft zur Hornkuh-Initiative die Mehrkosten. Die Initiative will deshalb Gegensteuer geben: Halter von Rindern und Ziegen, die Hörner tragen, sollen finanziell unterstützt werden. Die Enthornung wäre aber weiterhin zulässig.

Sandra und Hannes Hefti haben ihren teureren Stall vor fünf Jahren auch ohne diesen Zustupf vom Bund gebaut. Sie lassen ihrem Vieh die Hörner seit jeher aus Überzeugung. Verletzungen aus Rangkämpfen gebe es auch bei hornlosen Kühen, nur würde man sie weniger gut sehen. Und wer es nicht glaube, dass man Hornkühe im Laufstall halten könne, dürfe gerne bei ihnen auf dem Hof vorbeischauen.

Gabi und Kurt Krieg würden umgekehrt auch mit einer Entschädigung nicht mehr zu behornten Tieren zurückgehen. Sie sind skeptisch, dass sich Verletzungen durch die Hörner vermeiden lassen. Auch in einem grösseren Stall.

Auf das Herz hören

Hannes Hefti ist es wichtig, die Botschaft zu vermitteln, dass die Annahme der Initiative die Steuerzahler nicht belasten würde. «Wenn die Leute erfahren, dass es sie nichts kostet, hören sie hoffentlich auf ihr Herz», sagt er.

Die Mittel für die Unterstützung würden nämlich aus dem bereits bestehenden Topf für die Landwirtschaft abgezweigt. «Eine Kuh mit Hörnern hat mindestens so viel wert wie ein Ast- oder Steinhaufen, die jetzt schon finanziell gefördert werden.»

Genau das befürchtet Kurt Krieg: Dass Geld aus sinnvollen Projekten abgezogen und für etwas Sinnloses ausgegeben würde. Der Bund rechnet mit 10 bis 30 Millionen Franken, die umgeleitet würden. Krieg sagt: «Wäre ich überzeugt, dass Kühe Hörner brauchen, würde ich sie ihnen auch ohne Entschädigung lassen.»

Dass die Kühe keine Hörner tragen, ist heute die Regel. Der Bund schätzt, dass in der Schweiz rund 75 Prozent der Kühe und etwa 30 Prozent der Ziegen enthornt werden. Genaue Zahlen gibt es nicht.

Im Kanton Glarus dürfte es noch etwas mehr horntragende Tiere geben, schätzt der Präsident des Glarner Bauernverbandes, Fritz Waldvogel. Über die Gründe kann auch er nur spekulieren: Sei es, dass die Herden hier kleiner sind als im Mittelland, oder dass es noch mehr Anbindeställe gibt.

Auch nach Bio-Richtlinien ist die Enthornung zulässig. Strenger sind aber die Anforderungen an biologisch-dynamische Betriebe, die nach den wissenschaftlich umstrittenen anthroposophischen Richtlinien Rudolf Steiners arbeiten. «Kühe würden Hörner tragen!», heisst es beim biodynamischen Label «Demeter». Auch die gezielte Zucht von Hornlosigkeit wird abgelehnt.

Für die biodynamische Landwirtschaft sind die Hörner wichtige Organe für die Kommunikation, die Regulation der Körperwärme oder die Körperpflege. Und vor allem will sie die Tiere nicht den Produktionsbedingungen anpassen, sondern umgekehrt. Hannes Hefti sagt: «Der Bauer muss horntragenden Kühen mehr Respekt entgegenbringen als hornlosen.»

Die Initiative fördere deshalb eine Landwirtschaft ohne industrielle Auswüchse. Also genau das, was die Werbung als heiles Bild verkaufe und was auch die Bevölkerung erwarte. Heftis Betrieb trägt die Bio-Knospe, nicht aber das Demeter-Label. Er sagt: «Es ist verboten, einem Hund den Schwanz zu coupieren, obwohl er weniger stark durchblutet ist als ein Kuhhorn.»

Wie ein Familienmitglied

Gabi Krieg sagt: «Eine Kuh ist wie ein Familienmitglied.» Auch eine hornlose Hochleistungskuh. Vor vier Jahren sind sieben ihrer Rinder von einem Zug überfahren und getötet worden. «Das Bild der toten Tiere werde ich nie vergessen können», sagt Kurt Krieg. Noch heute fahre ihm der Schrecken in die Knochen, wenn nachts das Telefon läute.

Gabi und Kurt Krieg haben keine Bedenken, den Tieren ihre Hörner zu nehmen. «Jede Katze wird kastriert, und dieser Eingriff ist viel grösser», sagt Kurt Krieg. Und die von Natur aus hornlosen Kühe seien genauso glücklich wie die horntragenden.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert. Mehr Infos

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