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Gegen Vermummungen, für Bodycams

Wir tickern für Euch die wichtigsten Entscheidungen und Reaktionen aus dem Bündner Kantonsparlament. Am zweiten Tag hat das Parlament die zweite Schul-Initiative dem Volk zur Ablehnung empfohlen und die Teilrevision des Polizeigesetzes debattiert.

Philipp
Wyss
30.08.18 - 18:09 Uhr
Politik

Ticker

Am zweiten Tag der Augustsession hat der Bündner Grosse Rat:

  • Die Regierung 2019 mit den neuen Mitgliedern Marcus Caduff und Peter Peyer vereidigt
  • Jon Domenic Parolini zum Regierungspräsidenten 2019 und Christian Rathgeb zum Regierungsvizepräsidenten 2019 gewählt
  • Die zweite Volksinitiative zur «Guten Schule Graubünden» diskutiert und den Stimmberechtigten zur Ablehnung empfohlen
  • Die Teilrevision des Polizeigesetzes zu beraten begonnen und dabei das Vermummungsverbot abgelehnt und den Einsatz von Bodycams gesetzlich erlaubt

Die Session wird am Freitag ab 8.15 Uhr fortgesetzt. Die Debatten sind öffentlich.

Standespräsidentin unterbricht Diskussion

Nach einer langen Debatte und aufgrund des BDP-Delegiertenversammlung unterbrecht Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin (SP, Chur) die Debatte und schickt die Parlamentarier in den Feierabend.

Somit wird die Teilrevision des Polizeigesetzes am Freitag fortgesetzt.

 

Filmt die Bündner Polizei bald mit?

Wie Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP, Chur) auf Anfrage sagte, handelt es sich bei der ganzen Teilrevision um die Möglichkeit von Überwachungen. Allgemein empfand er die bisherige Diskussion sachlich und gut, wie er weiter sagte. Aus Sicht des Bündner Polizeikommandos sieht Rathgeb in Sachen Vermummungsverbot weder Probleme noch Nutzen. In Sachen Bodycams, dem zweiten «heissen Eisen» dieser Teilrevision, das nun beraten wird, steht das Polizeikommando einer gesetzlichen Grundlage positiv gegenüber. Allerdings ist der Bündnerische Polizeibeamtenverband gegen die Einführung von Bodycams.

Remo Cavegn (CVP, Bonaduz) verlangt die Streichung des Gesetzesabsatzes 22c mit «körpernah getragene Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte, sogenannten Bodycams». «Ob der von der Regierung vorgeschlagene Wortlaut 'zur Verhinderung von Straftaten' eine Meisterleistung sei, wage ich zu bezweifeln», so der Präsident des Bündnerischen Polizeibeamtenverbandes. «Heute werden in der Schweiz keine Bodycams eingesetzt. Ausser vielleicht bei Luzerner Tatort-Filmen», so Cavegn. Im Ausland werden Bodycams teilweise, aber nicht so verbreitet wie allgemein angenommen, eingesetzt, führte Cavegn weiter aus. Für ihn ist es nicht ersichtlich, warum Graubünden schweizweit eine Vorreiterrolle einnehmen und Bodycams einsetzen sollte.

Der Antrag auf Streichung des Gesetzesabsatzes 22c mit Bodycams von Remo Cavegn (CVP, Bonaduz) verwirft das Parlament mit 90:23 Stimmen bei einer Enthaltung deutlich.

Kameras an «allgemein zugänglichen Orten»

Auch die Diskussion über die verdeckte Überwachung «allgemein zugänglicher Orte» dauert nicht lange. Laut der Botschaft ist diese Überwachung für betroffene Personen nicht oder nicht unmittelbar erkennbar. Sie unterscheidet sich jedoch insofern von der präventiven Observation, als sie nicht gegen bestimmte Personen oder Sachen gerichtet ist, heisst es in der Botschaft weiter.

Das Parlament heisst auch diesen Artikel mit 90:22 Stimmen bei einer Enthaltung gut.

ARCHIV

Kameras an «Hotspots der Kriminalität»

In einem nächsten Artikel der Teilrevision des Polizeigesetzes geht es um die Überwachung von «Hotspots der Kriminalität». Regierung und Kommissionsmehrheit setzen sich für diese Überwachung ein. Insbesondere die Linke stellt sich gegen diese Gesetzesanpassung. Nach einer kurzen Diskussion wurde die Anpassung mit 87:26 Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich zugestimmt.

YANIK BÜRKLI

Eine Rüge der höchsten Bündnerin

Standespräsidentin Tina Gartmann-Albin (SP, Chur) ermahnt die Grossräte, nach Pausen jeweils pünktlich zu erscheinen, «das ist nur fair all jenen gegenüber, die pünktlich in den Grossratssaal zurückkehren», so die höchste Bündnerin am zweiten Sessionstag.

So blickt der neue Regierungspräsident in die Zukunft

Achtung: Humor

Soeben im Nezt gefunden: Ein Tweet von Melanie Janka. Darin schreibt sie: Die Junge CVP Graubünden gratuliert ihrem Grossrat Kevin Brunold (CVP, Surcuolm) und seiner Gattin Heidi zur Hochzeit. Aus diesem Grund haben wir eine Unterschriftensammlung zur Einreichung einer Verfassungsinitiative (Änderung von Art. 88 der Bündner KV; Familie) lanciert!

Grosser Rat Grossrat
OLIVIA ITEM

Kein Vermummungsverbot

«Im Kanton Graubünden gelten unsere Rechte», sagt Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP, Chur). «Ohne dass ich all die Voten und Beispiele wiederholen möchte kann ich sagen: Wir sehen aus polizeilicher Sicht kein Bedarf für ein Vermummungsverbot», so Rathgeb.

Demgegenüber kontert der Präsident der Kommissionsmehrheit, Reto Crameri (CVP, Surava), dass es in andern Kantonen Gesetze gebe, die Schutzkleidung, beispielsweise Kälteschütze im Winter, vom Vermummungsverbot ausschliesse. Wer mit einer Überregulierung argumentiert, müsste weitere Artikel aus der Teilrevision streichen. Da das aber nicht gemacht wird, wollen wir die Spielregeln so regulieren, dass wer an öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt, sein Gesicht zeigt.

Andri Perl (SP, Chur) spricht abschliessend als Präsident der Kommissionsminderheit. «Das Vermummungsverbot trägt nichts zur Lösung von angesprochenen Problemen bei. Gerade der Vergleich mit andern Kantonen zeigt dies. In Zürich gab es in der Vergangenheit schlimme Beispiele. Aber: Der Kanton Zürich hat ein Vermummungsverbot.»

Das Schlussvotum von Reto Crameri (CVP, Surava), Präsident der Kommissionsmehrheit, möchte Bilder wie in Zürich nicht in Graubünden haben. «Ich möchte nicht die Verantwortung übernehmen müssen, wenn Vermummte Chaoten in Graubünden Schäden verursachen. Ich bin überzeugt, dass unsere Polizei mit diesem neuen Mittel umzugehen weiss.»

Schliesslich wird der Artikel 3b der Teilrevision des Polizeigesetzes mit 61:53 Stimmen bei 5 Enthaltungen abgelehnt.

THEO GSTÖHL

Die Positionen sind bezogen

Reto Crameri (CVP, Surava), Präsident der Kommissionsmehrheit, erklärt zum Auftakt der Nachmittagsdebatte um die Teilrevision des Polizeigesetzes, noch einmal, dass ein Vermummungsverbot heutzutage angebracht sei. «Muss eigentlich immer zuerst jemand verletzt werden, bevor ein Kundgebungsteilnehmer aus dem Verkehr gezogen wird», fragt Fadri Felix Duosch (FDP, Scuol). Und Mario Salis (SVP, St. Moritz) zählt Beispiele auf, bei denen Leute von Vermummten zu Schaden gekommen sind. Das Ziel von Vermummten sie, jemandem Schaden zu zufügen und dabei unerkannt zu bleiben. «ein Nein zum Vermummungsverbot wäre eine Kapitulation gegenüber unserem Rechtsstaat.»

Kenneth Danuser (BDP, Cazis) lehnt feiges Verstecken und Schadenzufügen ab. Und er sagt: «Ich finde es fahrlässig, wenn Polizisten sich in Gefahr bringen müssen, um Täter aus einer Menge herauszupicken.». Aber Danuser sagt auch: «In den meisten Fällen sind Personen, welche vermummt Schaden verursachen, bereits straffällig.» Danuser ist der Meinung, dass ein Vermummungsverbot nicht die gewünschte Wirkung erreichen würde. «Lassen wir diese Überregulierung.» Gian Peter Niggli (FDP, Samedan) stellt sich hinter die Kommissionsmehrheit, weil er nicht zu jenen Leuten gehören möchte, auf die man später zeigen wird, wenn es zu allfälligen Vorfällen kommen würde. Rudolf Kunz (FDP, Chur) zitiert aus dem Gesetz: «Es ist verboten.» Damit würde man die Polizei dazu zwingen, zu entscheiden, wann etwas geschehen lassen, und wann eingegriffen wird. Weiter sagt Kunz: «In Graubünden ist das Vermummungsverbot nicht nötig und die Polizei selbst wünscht es nicht.»

Und Lukas Horrer (SP, Chur) sagt, dass es beinahe schon trivial sei, zu behaupten, Graubünden habe ein Vermummungsproblem. «Hier wird eigentlich versucht, ein Problem zu lösen, dass es nicht gibt.» Vielleicht könnte man mit dem Gesetzesartikel ein künftiges Problem lösen. Gehen wir einmal davon aus, dass US-Präsident Donald Trump wieder einmal ans World Economic Forum nach Davos kommt. Gehen wir weiter davon aus, dass dann in Davos kein Schnee liegt. Dann dürfte in der Stadt demonstriert werden. Mit einem Vermummungsverbot müssten dann in Davos Vermummte aus der Menge gezogen werden. Das würde die Sicherheit der Polizei gefährden. Unter anderem darum schrieb der Kanton St. Gallen ins Vermummungsgesetz, so Horrer weiter, dass die Polizei von einem solchen Eingriff absehen kann. Der Grosse Rat sollten den Leuten an der Front nicht vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu machen haben, so Horrer.

René Epp (CVP, Sedrun) äussert sich ebenso pro Vermummungsverbot, wie Lorenz Alig (FDP, Pignu). Er wird deutlich: «Solches Gesindel wollen wir als Gesetzgeber wohl nicht unterstützen. Wenn Chaoten Plätze beherrschen haben Politik und Gesetzgeber schon kapituliert», so Alig. Bei einem Vermummungsverbot ist mir völlig egal, aus welchen Glaubensgemeinschaften und aus welchen Ländern die Demonstranten kommen. Alle haben in Graubünden das Recht, um zu demonstrieren. Aber dann sollen sie auch ihr Gesicht zeigen. Wir dürfen nicht die die 'ehrlichen' Demonstranten schneiden. Und Neo-Grossrat Josias F. Gasser (GLP, Chur) will «im Namen der GLP-Fraktion, die gar keine Fraktion ist» (Anmerkung der Redaktion, die GLP besteht lediglich aus drei Mitgliedern) keine Überregulierung. Auch Bruno W. Claus (FDP, Chur) spricht sich gegen das Vermummungsverbot aus, weil es letztlich nicht nötig und wohl kaum durchsetzbar wäre. Michael Pfäffli (FDP, St. Moritz) glaubt, die Debatte sei mehr für die Zuschauertribüne als für die Sache. Er denkt an die 12'000 Teilnehmer des Engadin Skimarathon. Winter, kühle Temperaturen, «die meisten machen sich wohl mit verhülltem Gesicht auf zum Start». Weiter denkt Pfäffli an die Fasnacht – und outet sich schliesslich als Gegner des Verhüllungsverbots.

Und weiter gehts

Während im Grossratssaal die Debatte um die Teilrevision des Polizeigesetzes wieder aufgenommen wird, fotografiert unser Yanik Bürkli im Untergeschoss alle 120 Grossräte. Mehr dazu demnächst auf unserem Instagram-Kanal.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich. Mehr Infos

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