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«Ja, aber» zur Erhöhung der Franchisen

Die Chefin des Krankenversicherers CSS fordert eine Franchise von 10 000 Franken. Das sei im Grundsatz richtig, sagt ÖKK-Chef Stefan Schena – aber zu hoch.

Olivier
Berger
18.04.18 - 04:30 Uhr
Politik
Stefan Schena, CEO ÖKK
Stefan Schena, CEO ÖKK

Der Sturm der Entrüstung ist gross. Seit Philomena Colatrella, Chefin des Krankenversicherers CSS, am Sonntag eine massive Erhöhung der Grundfranchise gefordert hat, gehen die Wogen hoch. «Müssen Krankenversicherungen wirklich so viel Gewinn machen und auf der anderen Seite eine Franchise von 10 000 Franken vorschlagen?», fragt etwa ein Nutzer auf der Facebook-Seite der «Südostschweiz». Er bezieht sich dabei auf das Geschäftsergebnis des Bündner Krankenversicherers ÖKK (Ausgabe von gestern).

Berechtigt, aber provokativ

Für Stefan Schena, CEO von ÖKK, ist die Diskussion über die Höhe der – heute bei 300 Franken liegenden – Mindestfranchise durchaus berechtigt. «Die Höhe von 10 000 Franken war wohl eher eine Provokation», vermutet Schena. «Aber manchmal muss man auch provozieren, wenn man eine Diskussion in Gang setzen will.»

Realistisch wäre für den ÖKK-Chef eine Mindestfranchise «von 800 bis 1000 Franken», wie er sagt. Allerdings müsse dann im Gegenzug auch das System der Prämienverbilligungen angepasst werden, «besonders für jene Menschen, die sich das nicht leisten können». Offen ist Schena bei den höheren Wahlfranchisen. «Und schliesslich muss man auch über den Selbst-behalt diskutieren, der heute maximal 700 Franken betragen darf.»

Am Thema vorbei

Für Schena geht die Diskussion über die Krankenkassen-Franchisen allerdings auch am Hauptthema vorbei. «Eigentlich müssten wir mehr über die Kostenentwicklung diskutieren.» Die Krankenkassenprämien seien letztlich immer ein Spiegelbild der realen Kosten im Gesundheitswesen; mit der Grundversicherung dürften die Krankenversicherer ohnehin keinen Gewinn erwirtschaften. «Die Kosten aber steigen immer weiter, allen politischen Bemühungen zum Trotz.»

Schena verweist in diesem Zusammenhang auf den Bericht einer Expertengruppe, welche 38 Massnahmen zur Kostendämpfung erarbeitet hat. «Wir stehen hinter diesen Vorschlägen», versichert er. In Einzelfällen sei er aber skeptisch, etwa bei den vorgeschlagenen Globalbudgets für die Leistungs-erbringer. «Das kann allenfalls zu einem Qualitätsverlust führen, etwa, wenn das Budget schon vor Ende Jahr aufgebraucht ist.»

Eine Fülle politischer Themen

An politischen Herausforderungen fehlt es im Gesundheitswesen derzeit ohnehin nicht. So ist nach wie vor ein Seilziehen zwischen den Vertragspartnern über den sogenannten Tarmed im Gang. «Ich bin skeptisch, ob wir bis Ende Jahr hier eine Einigung erreichen», sagt Schena. Dabei wäre eine Übereinkunft zwischen Versicherern, Ärzten und Spitälern seiner Meinung nach sehr wichtig. «Damit könnten die Tarifpartner das Ruder wieder in die eigene Hand nehmen.» Allerdings bedinge das, dass alle Partner «weniger als heute auf Partikulärinteressen beharren und stattdessen im Interesse der Versicherten handeln».

Daneben wird derzeit über nicht weniger als über vier Volksinitiativen zum Gesundheitswesen diskutiert. Diese verlangen, dass die Prämien zehn Prozent des Haushaltseinkommens nicht überschreiten dürfen, dass kantonale Einheitskassen geschaffen werden, dass die erwähnten Globalbudgets gelten sollen und dass im Bundesparlament keine Vertreter von Krankenversicherern mehr sitzen dürfen.

Schliesslich wird über die Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen debattiert. Eine entsprechende Liste des Bundes stösst bei Schena auf Akzeptanz. Eine Erweiterung dieser Liste auf weitere Behandlungen, wie sie fünf Kantone vorgenommen haben, lehne er aber ab – «damit werden nur Kosten vom Staat zu den Versicherten verlagert».

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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