×

Harsche Kritik aus den Bergen

Die CVP Graubünden verlangt vom Bund mehr Freiheit für das Bauen im ländlichen Raum.

Olivier
Berger
27.08.17 - 05:00 Uhr
Politik
Die CVP Graubünden lässt wegen der nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Ställe nicht locker.
Die CVP Graubünden lässt wegen der nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Ställe nicht locker.
YANIK BÜRKLI

Die Bündner CVP will lockere Bestimmungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen – aber nur im ländlichen Raum. Das schreibt sie in ihrer Vernehmlassung zur zweiten Teilrevision des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes. «Während sich die Raumplanung in den urbanen Gebieten durchaus auf die Bauzonen konzentrieren soll und muss, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass in den ländlichen Gebieten ein wesentlicher Teil der Entwicklung ausserhalb der Bauzone erfolgt», heisst es in dem Papier, das der «Südostschweiz am Wochenende» vorliegt. Brisant ist: Der Gesetzesentwurf selber stammt aus dem Departement von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard.

Die Kompensation soll weg

Die CVP Graubünden macht in ihrer – inzwischen von der Geschäftsleitung verabschiedeten – Vernehmlassungsantwort weiter eine ganze Reihe von Vorschlägen, was ihrer Meinung nach am Revisionsentwurf des Bundes geändert werden sollte. Die Stossrichtung der Bündner Christdemokraten ist dabei klar: Die Kantone und vor allem die Gemeinden sollen mehr, der Bund weniger Einflussmöglichkeiten auf die Raumentwicklung erhalten. Dass der Bund von sich aus in diese Richtung denkt, wird von der Partei ausdrücklich gelobt.

Weniger erbaut ist die CVP allerdings über die Ausgestaltung der Details im Gesetz – und dies besonders im Hinblick auf eine künftige Umnutzung nicht mehr landwirtschaftlich genutzter Maiensässe zu Wohnzwecken. So sieht der Entwurf des Bundes vor, dass Ställe nur ausgebaut werden dürfen, wenn anderswo Bauten auf der grünen Wiese abgerissen werden (Ausgabe vom 23. Juni). Die CVP rügt, die Bestimmung sei so nicht umsetzbar. Bauwillige müssten ein Gebäude kaufen, nur um es als Kompensation abreissen zu können. «Ob die Kantone einen Kompensationsansatz vorsehen wollen, soll einzig und allein ihnen obliegen.»

«Eine demokratische Legitimierung dieser Inventare liegt nicht vor.»

Entmachtet werden sollen die Kantone dagegen beim Bauen ausserhalb der Bauzone. Darüber, ob dieses im Einzelfall zonenkonform ist oder als Sonderfall erlaubt wird, sollen künftig nach dem Willen der CVP die Gemeinden entscheiden statt wie bisher die Kantone. Dass dadurch Willkür und Wildwuchs Einzug halten könnten, glaubt die CVP nicht. «Die Entscheide können dann ja ohnehin gerichtlich überprüft werden, womit der Missbrauch der zusätzlichen Gemeindekompetenzen erheblich eingeschränkt ist.»

Bundesinventare streichen

Ordentlich Zündstoff bietet eine weitere Änderung, welche die CVP Graubünden im Gegensatz zum heute geltenden Gesetz vorschlägt. Die Bestimmung, wonach bei der Raumplanung auch die Bundesinventare über Natur- und Heimatschutz berücksichtigt werden müssen, soll verschwinden. Diese Inventare, heisst es in der Vernehmlassung, seien «nicht in einem politischen Prozess erarbeitet, sondern weitgehend durch private Fachorganisationen und durch Fachstellen festgelegt» worden. «Eine demokratische Legitimation dieser Inventare liegt folglich nicht vor, weshalb die Streichung dieses Artikels beantragt wird.»

Und schliesslich kritisiert die Bündner CVP gleich auch noch die Revision als Ganzes. Für sie kämen «die Vernehmlassung und der zeitliche Druck der Vorlage zum falschen Zeitpunkt», schreibt die Partei. Immerhin seien Kantone und Gemeinden daran, die erst 2013 vom Volk bewilligte erste Revision des Raumentwicklungsgesetzes umzusetzen. Für eine neuerliche Revision sei es deshalb ohnehin zu früh.

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Die Zeitschrift Beobachter berichtete auf vielen Seiten in ihrer Titelstory, dass Bauzonengesetze, Landschafts-/Naturschutz (oder wie immer man das nennt) bereits bisher mit quasi "Tausenden Tricks" gelöchert werden.
Und nun fordert die CVP (die wollten doch das "C" von "Christlich" in "Centrum" umtaufen?): "Die Bündner CVP will lockere Bestimmungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen – aber nur im ländlichen Raum."
Nur im ländlichen Raum? Soll das ein unchristlicher Witz sein? Im "Städtischen Raum" herrscht sowieso "verbrannte Erde" (wie ich finde und GRF, die "gestressten Städtern" quasi Asyl in den angeblich stillen GR-Bergen anboten), dort ist das ja eh nicht möglich? Eine scheinbare "Bescheidenheit, Selbstbeschränkung" der CVP, stattdessen Marketingfinte?
Ich finde: Die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, wie rar die Natur inzwischen wurde bzw. wie zivilisationsdurchlöchert, und falls Sie "zivilisiert" begrifflich positiv sehen: "Zivilisationskrankheiten" (man-made) lassen die Leiden (und Kosten) ins Orbit schiessen bzw. exorbitant sein: Krankenwesenkosten-sisyphusniveaus. Und meinen "Gesundheitstourismus auch für Einheimische" (Refugien, Zufluchtsorte als Vorbild, Prototyp, Dominoeffekt) als Turnaround für BEIDES können Sie dann auch vergessen. Ein Kommentator aus Davos schrieb sinngemäss, die "Alternativlosigkeit" der heutigen Gesellschaft mache ihm Angst. Dass der Tourismus bzw. GRF bzw. die Bündner Regierung seit Jahren ihren "offiziellen" Begriff "Gesundheitstourismus" nicht konkretisierten bzw. nichts Bahnbrechendes sichtbar ist, wundert und beunruhigt Sie das nicht? Ich sehe da nichts Umfassendüberzeugendes, null.
Es war ein Privileg, dass früher Bauern in der freien/wilden Natur solche Heuhütten aufstellen durften (weil es "einfacher" war dort das Heu zu lagern - heute wird dort KEIN Heu mehr gelagert). Statt äusserst dankbar zu sein für dieses Privileg drehen sie bzw. deren Erben nun den Spiess maximal um und fordern dreist, diese Naturorte zu Bauland finanzvergolden (und lärmabgaseentwerten) zu dürfen.
Folgenden Vergleich veröffentlichte ich bereits: Zelten ist grundsätzlich verboten, und dort wo Sie es mit Vorschriftenbeachtung und Einschränkungen dürfen, müssen Sie aber in JEDEM Fall es wieder abbauen und den Ort so hinterlassen, wie Sie ihn angetroffen haben. Nachhaltig.
CVP – Denn sie wissen nicht was sie tun?

Mehr zu Politik MEHR