×

«Ein Tropfen Alkohol ist für manche Gäste ein Bedürfnis»

Autofahrer sollen sich künftig auch auf der Autobahnraststätte einen Schluck Wein genehmigen können. Oder dort auf dem Nachhauseweg eine Flasche kaufen. Den Nationalratsentscheid begrüsst Hans Umberg. Er ist Verwaltungsratspräsident der Betreibergesellschaft der Raststätte Glarnerland und für eine Gleichbehandlung.

Marco
Lüthi
17.06.17 - 12:00 Uhr
Politik
Auf der Raststätte Glarnerland könnte es künftig neben einem Benzin-Zapfhahn auch einen für Bier geben.
Auf der Raststätte Glarnerland könnte es künftig neben einem Benzin-Zapfhahn auch einen für Bier geben.
SASI SUBRAMANIAM

Herr Umberg, warum sollte Ihrer Meinung nach auf Schweizer Autobahnraststätten nach über 50 Jahren wieder Alkohol verkauft und ausgeschenkt werden dürfen?
Hans Umberg: Die Zeiten haben sich geändert. So auch der Hintergrund zur damaligen Meinung, Alkohol auf Raststätten zu verbieten. Ebenfalls hat sich die räumliche Verdichtung in den letzten 50 Jahren stark verändert. Die Ortschaften sind näher an der Autobahn, und die Auf- und Abfahrten sind dichter bebaut. Heutzutage kann man vielerorts wenige Meter ab der Autobahn fahren und findet dort Einkaufszentren, Gastronomie und unzählige Läden. Daher sollte eine Unterscheidung beim Alkoholverkauf und -ausschank an und neben der Autobahn nicht mehr gemacht werden.

Der Entscheid des Nationalrates am Dienstag hat Sie somit besonders gefreut. Denn damit wurde die erste Hürde für die Aufhebung des Verbots genommen.
Es ist nicht etwas, auf das man bei der Raststätte Glarnerland AG sehnlichst wartet oder sie davon existenziell abhängig ist. Der Nationalrat-Entscheid hat sich bereits im Frühling abgezeichnet, als dessen Verkehrskommission verlauten liess, den Vorstoss voranzutreiben. Man wusste, dass die Motion in der Sommersession zum Thema wird.

Sehen Sie die mögliche Aufhebung des langjährigen Alkoholverbots als Chance für die einzige Glarner Raststätte?
Ich würde es mal so formulieren: Es ist für uns keinesfalls ein unglaublich dringendes Bedürfnis. Man muss das etwas pragmatischer sehen. Für manche Gäste ist es ein Bedürfnis. Ich denke da weniger an den Autofahrer, der alleine unterwegs ist. Vielmehr an die Gruppen- und Busreisenden, für die es durchaus ein Thema sein wird. Wenn sie sich auf der Raststätte verpflegen und dabei ein Glas Wein zum Essen trinken können.

Allerdings gab es auf der Raststätte Glarnerland im vergangenen Jahr einen spürbaren Rückgang bei eben diesen Busreisenden.
Dieser Rückgang ist sicher nicht wegen des fehlenden Alkohols auf der Raststätte Glarnerland. Gerade Busreisende sind sehr preissensibel. Allgemein wird die Schweiz von ausländischen Gästen als teuer wahrgenommen. Das könnte eine Auswirkung sein. Aber ich sehe die Ursache auch an einem ganz anderen Ort. Auf Raststätten im Ausland wird vielfach die Region präsentiert, mit regionalen Produkten. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass die Raststätten in der Schweiz, die ein Schaufenster für die Regionen sind, ihr Angebot erweitern können. Mit einheimischen Weinen, Bieren oder Spirituosen. Deren Verkauf man durchaus auch als touristische Komponente sehen kann.

Davon hätte das Glarnerland einiges zu bieten.
Das ist so. Das Glarnerland hat mit der Raststätte ein Schaufenster, das der erste Anknüpfungspunkt ist für jemanden, der mit dem Auto in Richtung Glarnerland unterwegs ist. Oder es nur tangiert, aber trotzdem wahrnimmt, dass er in dem Moment auf Glarner Boden eine Rast macht. Und so vielleicht auf das Glarnerland hingewiesen wird und von der Autobahn fährt. Dennoch: Das alles muss man nicht zu euphorisch sehen, es wäre lediglich eine Ergänzung.

Hat der Verwaltungsrat der Raststätte Glarnerland AG die Motion der nationalrätlichen Verkehrskommission in irgendeiner Form unterstützt?
Nein. Wir haben diese wohlwollend zur Kenntnis genommen. Aber nicht, dass wir dafür lobbyiert hätten.

Die Gegner der Motion sagen, das Unfallrisiko würde dadurch steigen. Wie sehen Sie das?
Logisch kann man so argumentieren. Aber man kann auch das Gegenteil sagen. Der Autofahrer ist sich mittlerweile so im Klaren, was er in Sachen Alkoholkonsum darf oder nicht. Seine Selbstverantwortung sollte wie bisher absolut im Vordergrund stehen, und man sollte nicht versuchen, mit einem Alkohol-Verbot auf Raststätten präventiv zu wirken. Wenn jemand sich eine Flasche Bier oder Wein besorgen will, hat er heute viele Möglichkeiten. Da wird zu stark an etwas herumstudiert, das pragmatisch gesehen nicht der Fall ist.

Als Nächstes kommt die Vorlage in den Ständerat. Ein Blick in die Kristallkugel. Was denken Sie, wird sich die kleine Kammer des Parlaments gleich wie der Bundes- und der Nationalrat entscheiden?
Ich denke schon. Es ist in dem Sinn nicht eine Vorlage, die unglaublich hohe Wellen schlägt. Aber trotzdem eine einschneidende Wirkung hat. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass im Ständerat die regionalen Interessen und die touristische Bedeutung der Raststätten zum Tragen kommen.

Marco Lüthi ist Redaktor und Produzent bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR