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Amerikas Untergang – die Trump-o-kalypse

Donald Trump beschwört in seiner Kandidatenrede den Zerfall Amerikas. Nur er allein könne die USA retten und zu alter Grösse führen.

Südostschweiz
23.07.16 - 15:19 Uhr
Politik

von Thomas J. Spang

Das bunte Konfetti, das beim Finale des Republikanerparteitags in Cleveland von der Decke der Quicken Loans Arena regnet, passt nicht so recht zur düsteren Vision, die der Spitzenkandidat zuvor während 75 Minuten beschworen hat. Donald Trumps Amerika steht vor dem Untergang. Draussen herrschen Mord und Totschlag. Strassen und Brücken zerfallen, während sich die korrupten Eliten die Taschen füllen. Zurück bleiben die vergessenen Männer und Frauen, die hart arbeiten und wenig verdienen. Eine Nation, die von anderen gedemütigt wird – militärisch und wirtschaftlich.

Inmitten dieses Chaos steht die Nation vor einer Wahl. Entweder wird sie von einer «kriminellen» Frau, die den «korrupten Status quo» repräsentiert, in den Abgrund geführt. Oder die Amerikaner entscheiden sich für einen Retter, der «Recht und Ordnung» daheim und «Respekt» in der Welt zurückbringt. «Niemand kennt das System besser als ich», verkündet der Kandidat, dessen Name in fetten Lettern über einem Meer von Sternenbannern prangt. «Ich allein kann das wieder in Ordnung bringen.»

Amerika zuerst

Wie genau Trump das anstellen will, verriet er nicht. Nur so viel: Er werde die USA über alles stellen. Vom Optimismus Ronald Reagans («Morgen in Amerika») oder dem mitfühlenden Konservatismus, den George W. Bush im Jahr 2000 beschwor, fanden sich in den Ausführungen Trumps nicht einmal Anklänge wieder.

Selbst der bittere Richard Nixon wirkte im Vergleich feinfühlig. «Trump ballt die eiserne Faust wie Nixon», meint David Gergen, der Reden für vier Präsidenten schrieb. «Aber Nixon steckte sie in einen Samthandschuh.» Diese Aufgabe wies Trump seinen Kindern zu, die ihr Bestes taten, um ihren Vater in einem sympathischeren Licht erscheinen zu lassen. Seine Lieblingstochter Ivanka führte den Rechtspopulisten mit rührenden Geschichten ein: ein einfühlsamer Mann, der das Beste in den Menschen sieht und fördert.

In seiner eigenen Rede verpasste Trump nach Ansicht von Analysten die Gelegenheit, vor einem Millionenpublikum zu einer Person aus Fleisch und Blut zu werden. «Ein wenig Menschlichkeit und Selbstreflexion können in solchen Reden sehr kraftvoll sein», sagt Matt Latimer, der für Bush senior Reden schrieb.

Ungewöhnlich war die Rede allemal. Wie dieser Parteitag in Cleveland insgesamt als denkwürdige Veranstaltung voller Dissonanzen in Erinnerung bleiben wird, der das Ende der traditionellen Grand Old Party besiegelte. Wer wissen möchte, was sich geändert hat, braucht nur Eric Gould zu fragen. Für den 44-Jährigen aus Kalifornien könnten die Geschäfte kaum besser laufen. Seine «Hillary for Prison»-T-Shirts verkauften sich auf dem Parteitag zu einem Stückpreis von 25 Dollar wie warme Weggli. «Das ist eine politische Provokation», meint Gould, der selber nicht glaubt, dass Clinton wegen ihres privaten Mail-Servers tatsächlich jemals hinter Gitter wandern wird. «Sie hat zu viel Macht.» Das sieht Michelle Buckwalter aus Illinois ganz anders. «Ich habe mitgerufen», gesteht sie ihre Beteiligung an den «Sperrt sie ein»-Sprechchören, die zum Markenzeichen des Parteitags wurden.

Ich allein kann das wieder in Ordnung bringen.

Donald Trump, US-Präsidentschaftskandidat

Viele der Delegierten wollen die Parolen wortwörtlich verstanden wissen. Forderungen, die auf früheren Parteitagen von skurrilen Randgestalten vertreten wurden, verkündeten die Redner in Cleveland von der Bühne. Der ehemalige Chef des militärischen Geheimdienstes DIA, Michael Flynn, etwa stimmte in die «Lock Her Up»-Rufe ein, während New Jerseys Gouverneur Chris Christie die Wegsperr-Fantasien der «Trumpers» mit einem Scheinprozess anheizte.

Hetze gegen Muslime

Trump hat die Republikaner bis zur Unkenntlichkeit verändert. Unter seiner Führung agieren die US-Konservativen mehr wie eine europäische Rechtspartei mit nationalistischen und rassistischen Untertönen. «Make America Great Again» bedeutet für die überwiegend älteren Delegierten soviel wie «Macht Amerika wieder weiss und protestantisch». Sie fühlen sich verloren in einer globalisierten Welt, deren eifrigste Protagonisten in der Vergangenheit ironischerweise Republikaner waren.

Die Hetze gegen Muslime und Mexikaner ist ein Platzhalter für dieses Unbehagen und den empfundenen Kontrollverlust. Die «Trumpers» haben sich auch schon ganz konkrete Gedanken gemacht, wie die Mauer an der Südgrenze zu Mexiko gebaut werden kann oder elf Millionen Menschen ohne legale Papiere deportiert werden können. «Lasst uns mit den kriminellen Elementen anfangen», meint Susan McNeil, die Trumps Gewährsfrau in Fulton County im ländlichen Teil des US-Bundesstaates New York ist. «Das kann Schritt für Schritt geschehen.»

Zerrissene Partei

Die beiden Worte «America first» fassen das Lebensgefühl der Trump-Anhänger besser zusammen als das Wahlkampfmotto. Die Partei, die sich einmal als «grosses Zelt» verstand, in dem viele Ideen Platz haben, verwandelte sich in Cleveland vor den Augen der Öffentlichkeit zu einen Klatschverein, der die Grenze zum Persönlichkeitskult auslotete. Widerspruch wird nicht geduldet. Das musste der Zweitplatzierte der Vorwahlen, Ted Cruz, erfahren, als er von der Bühne gebuht wurde, weil er den Spitzenkandidaten nicht formell unterstützte (Ausgabe von gestern). Trump schaffte es nicht, die zerrissene Partei zu einen. Wenn etwas die Rechte zusammenbringt, dann der gemeinsame Hass auf Hillary Clinton.

Bis auf den Auftritt des schwulen Unternehmers Peter Thiel tat Trump auch wenig, um seine Position bei Minderheiten zu stärken. Am Ende jubelten ihm nur die zu, die seine düstere Vision von Amerika teilen. Die offene Frage zum Abschluss des Parteitags von Cleveland bleibt, ob es genügend solche Wähler gibt, die Trump im November ins Weisse Haus verhelfen können.

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