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Süsses kommt aus Gränna

Wer hat gerne Süsses? Hand hoch! Alle anderen können jetzt runter Richtung Schluss scrollen. Ich schreibe heute nämlich über Süsses, genauer gesagt über Polkagris. Das sind die rot-weisse Zuckerstangen mit Pfefferminz-Geschmack. Hergestellt werden sie in Gränna von mehreren kleinen Herstellern. Das wollte ich mir genauer ansehen und bin spontan in der Backstube gelandet.

Südostschweiz
24.06.16 - 14:54 Uhr
Ereignisse
 

Gränna ist eine kleine, schmucke schwedische Stadt, wie wir sie uns vorstellen. Alte schöne Häuschen, eine Hauptstrasse mit Cafés, Kleiderläden, Coiffeursalons und noch den einen oder anderen Antiquitäten-Händler. Aber halt, in Gränna findet man an der Hauptstrasse knapp ein Dutzend Läden mit Süssigkeiten, den weiss-roten Zuckerstangen. Gränna ist das Mekka, der Dreh- und Angelpunkt, die Wiege, das Walhalla und der Schmelztiegel der Polkagris-Kultur. Hier finden die Weltmeisterschaften im «Polkagris-Herstellen» statt und jedes Jahr pilgern 1,5 Millionen Leute hin, um bei der Produktion zuzusehen.

Erfunden hat das Schleckzeugs Amalia Erikson. Amalia erblickte 1824 das Licht der Welt und mit 25 Jahren wurde sie Witwe und alleinerziehende Mutter. Mittellos und mit einer Tochter am Rockzipfel versuchte sie sich eine Exsistenz aufzubauen. Anfangs stellte sie in ihrer Küche Bonbons für Veranstaltungen her. Als ihre Tochter Ida eines Tages krank war, kam Amalia die grossartige Idee, sie könnte doch etwas Pfefferminzöl in die Bonbons geben. Prompt wurde Ida gesund und der Bedarf an diesen Bonbons stieg rapide an.

Bevor Amalia Erikson 1859 ihr eigenes Geschäft eröffnen konnte, musste sie einige «bürokratische» Hürden überspringen. Es war Frauen in dieser Zeit untersagt, ein eigenes Geschäft zu führen. Das weibliche Geschlecht war ja für den Haushalt und die Kinder zuständig. Reden wir nicht darüber, dass es auch heute noch Leute gibt, die das gut so finden. Egal, jedenfalls bekam, nach dem sich sogar der König in die Angelegenheit eingeschaltet hatte, Amalie Erikson von Bürgermeister Carl Johann Wennberg die Erlaubnis, Süssigkeiten und Backwaren herzustellen und sie auch zu verkaufen. Tochter Ida half fleissig im Laden mit und führte das Geschäft nach dem Tod von Amalia im Jahre 1923 weiter.

Im Verlauf der Jahre nahm der Tourismus in Gränna immer mehr zu. Grund dafür war unter anderem, dass die Strasse von Stockholm nach Göteborg mitten durch den Ort führte. Die Reisenden machten gerne in Gränna Halt und tranken Kaffee, übernachteten hier oder kauften Polkagris als Geschenk für Freunde oder als Medizin für sich selber.

Falls ihr euch jetzt fragt, woher denn der Name Polkagris stammt, so vermutet man folgende Geschichte dahinter. Polkagris hiesst wörtlich übersetzt Polka und Schwein. Also Polkaschwein. Hä? Man nimmt an, dass Gris früher der Name für Bonbons war. Und Polka war ein Tanz, der im 19. Jahrhundert sehr beliebt und modern war. Die jungen Männer hatten oftmals Süssigkeiten dabei, und wenn sie eine Dame zum Tanz aufforderten, boten sie ihnen diese Süssigkeiten an. So war der Zusammenhang, vermutet man. Trotzdem gilt immer noch, was wir gelernt haben: «Von fremden Männern nimmt man keine Süssigkeiten an.»

Sprechen wir darüber, wie man die Dinger herstellt. Im Prinzip ist es ganz simpel. Man kocht ein Gemisch aus Wasser, Essig und viel Zucker, bis eine zähe Masse entsteht. Dabei muss man immer die Temperatur im Augen halten. Ist die Masse perfekt, wird diese sie auf dem Knettisch weiterverarbeitet. Der kleinere Teil wird eingefärbt. Im Original ist das Rot. Der Rest wird mit dem gewünschten Aroma versehen. Im Original ist das Pfefferminze. Dann wird jeder Teil für sich gezogen und geknetet. Da muss Luft rein. Man sieht, wie sich die Masse von leicht durchsichtig in weiss verändert. Zum Teil knetet man die Masse mit den Händen, oft wird heute der Vorgang auch von Maschinen übernommen.

Ist die Kneterei vorbei, wird die Zuckermasse in Form gebracht. Beide Teile werden länglich ausgeformt und der rote Teil auf den weißen gelegt. Jetzt wird gerollt und gerollt, halbiert, weiter gerollt bis die Stangen in Länge und Durchmesser passen. Trödelt man rum, wir die Masse zu schnell hart und man kann nicht mehr rollen. Zum Schluss kommen die Stangen auf eine Art Trocknungsvorrichtung und werden noch ein paar Minuten ausgehärtet. Jetzt noch in ein Papier einwickeln und finito sind die Polkagris.

Auf meiner Erkundungstour in Gränna bin ich auf die Manufaktur Polkapojkarna gestossen. Hier hat mich Zuckerbäcker Rasmus Käll spontan mit der Polkagris Herstellung vertraut gemacht. Ich durfte meine eigenen Stangen rollen. Glaubt mir, das ist auf die Länge ziemlich anstrengend.

Die Original Polkagris sind rot und weiss und haben Pfefferminz-Geschmack. Unterdessen gibt es aber ganz viele neue Farben und Aromen. Neuster Coup von Polkapojkarna ist die Variante Gin Tonic. Eine Freude, sage ich euch.

Wettbewerb

Und weil ihr so artig bis zum Schluss gelesen habt, verlose ich 3 x 2 Original Polkagris Stangen, die ich selber gemacht habe. Verlost werden die Exemplare unter allen, die zu diesem Beitrage einen Kommentar schreiben mit dem Inhalt, was eure Lieblingssüssigkeit ist. In die Verlosung kommen alle Kommentare, die bis zum 26. Juni 2016 gepostet wurden. Die Gewinner können ihre Polkagris nach meiner Rückkehr im Medienhaus abholen.

Viel Glück!

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