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Diakon mit dem Akkordeon: Wie Christoph Brüning die Adventszeit meistert

Diakon Christoph Brüning von der Heiligkreuzpfarrei in Chur hat an Weihnachten alle Hände voll zu tun. Wir haben ihn bei seinem «Postenlauf» begleitet.

Bündner Woche
05.12.24 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale
Eine Tradition: Wenn im Atrium der Heiligkreuzpfarrei der Christbaum aufgestellt wird, spielt Diakon Christoph Brüning auf seinem Akkordeon.
Eine Tradition: Wenn im Atrium der Heiligkreuzpfarrei der Christbaum aufgestellt wird, spielt Diakon Christoph Brüning auf seinem Akkordeon.
Susanne Turra

von Susanne Turra

«O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter! Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit. O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter!». Mit voller Hingabe spielt Christoph Brüning auf seinem Akkordeon den Weihnachtsklassiker. Dabei steht er vor dem grossen Christbaum im Atrium der Heiligkreuzkirche in Chur. Gekleidet in sein liturgisches Gewand. Darüber trägt er eine violette Diakonstola, die liturgische Farbe im Advent.

Sein Tagesablauf gleicht einem Postenlauf

Es ist fünf Tage vor dem ersten Advent. Und Diakon Christoph Brüning hat alle Hände voll zu tun. Sein Tagesablauf gleicht einem Postenlauf. Und der erste Posten – der musikalische Gruss am Morgen – ist auch schon wieder vorbei. «Das ist eine Tradition», erzählt er und lacht fröhlich. «Jedes Jahr, wenn der Messmer den Christbaum aufstellt, untermale ich das Ganze auf dem Akkordeon mit ‹O Tannenbaum›.» Der Diakon legt sein Akkordeon auf die Seite und geht zum Brunnen vor der Kirche. Der nächste Posten. Und: «Mein Lieblingsplatz», sagt er und verrät auch gleich, warum. Vor ihm liegen drei prall gefüllte Postsäcke an der grauen Betonwand. Die Post hat hier ein Depot. Und so setzt sich der Diakon jeweils auf den Brunnenrand und schaut und überlegt. Welche Botschaften liegen da wohl in den Säcken verborgen? Frohe Botschaften? Hiobsbotschaften? Worauf warten die Angeschriebenen? Auf eine Nachricht? Einen Liebesbrief? Was kommt da an? Was löst das für Gefühle aus? Freude? Trauer? Seine Gedanken kreisen um die geheimnisvolle Post. Und sie sorgen für eine kurze Atempause. Die ist auch bitter nötig. Denn der nächste Posten folgt sogleich.

Es gibt viel zu tun: Bis zum ersten Advent müssen die roten Kerzen auf dem grünen Adventskranz sein und auch die Kirche wird bis dahin festlich geschmückt sein.
Es gibt viel zu tun: Bis zum ersten Advent müssen die roten Kerzen auf dem grünen Adventskranz sein und auch die Kirche wird bis dahin festlich geschmückt sein.
Susanne Turra
Hiobsbotschaften oder Liebesbriefe: Welche Nachrichten sind da wohl in den prall gefüllten Postsäcken verborgen?
Hiobsbotschaften oder Liebesbriefe: Welche Nachrichten sind da wohl in den prall gefüllten Postsäcken verborgen?
Susanne Turra

Ins Pfarrhaus zum Espresso

Christoph Brüning öffnet die Türe zur Sakristei. Dort steht schon der ganze Weihnachtsschmuck bereit. Laternen, Holzsterne, Tontöpfe, vier dicke rote Kerzen. Damit wird nächstens der Adventskranz geschmückt. Noch steht er, gross und grün, ohne Kerzen da. «Bis am Samstag ist alles geschmückt», betont der Diakon. «Rechtzeitig auf den ersten Advent am Sonntag.» Für diese Arbeit kann er jedes Jahr auf zahlreiche fleissige Helferlein zählen. Zum Glück. Denn der nächste Posten ist nicht fern. Christoph Brüning geht in die Kirche. Noch ist sie schlicht und ungeschmückt, still und ruhig. Ein schwarzes Klavier steht bereit. Am nächsten Gottesdienst wird Christoph Brüning darauf spielen. Sein Blick geht nach oben. Dort wird gewerkelt, gefeilt, gehämmert und gebohrt. Die Orgel bekommt ein neues Register. Der Diakon strahlt. Er spielt auch Orgel. Die Musik ist sein Leben. «Sie macht mich frei für den Tag», sagt er und geht nach draussen. Der nächste Posten führt ins Pfarrhaus. Zum Espresso. Und zum Gespräch.

Musik ist sein Leben: Der Diakon spielt auch Orgel.
Musik ist sein Leben: Der Diakon spielt auch Orgel.
Susanne Turra

Milleniumsdiakon und Pfarreikoordinator

«Ich bin ein Milleniumsdiakon», scherzt Christoph Brüning und lacht. Im Jahr 2000 empfing er durch den Churer Bischof Amédée Grab in der Heiligkreuzkirche die Weihe zum Diakon und nächstes Jahr kann er sein 25-Jahr-Jubiläum feiern. Seit zehn Jahren amtet er in der Heiligkreuzpfarrei. Und seit dem Tod von Pater Cyriac im Juni 2023 ist er Pfarreikoordinator. Das tönt nach viel Arbeit. «Aber auch nach viel Freude», ergänzt Christoph Brüning. Er ist durch und durch ein Diakon. Ein Diener. Diakone der römisch-katholischen Kirche stellen sich auf der Basis des Evangeliums in den Dienst ihrer Mitmenschen und unterstützen Priester und Bischöfe. Sie arbeiten immer mit dem Ziel, Menschen in verschiedenen Lebenslagen zu helfen. Sie beraten, unterstützen, predigen, planen, leiten. Und sie halten Wortgottesdienste. Aber keine Messe. «Für die Messe kommen am Wochenende jeweils Aushilfspriester in die Kirche», so der Diakon. Er lehnt sich im Stuhl zurück und überlegt. «Eigentlich habe ich das ganze Jahr über viel zu tun», bemerkt er. Seelsorge, Palliativbesuche, Beerdigungen und vieles mehr. An Weihnachten kommt einfach noch einiges dazu. Ein kurzer Schnelldurchlauf gefällig? Adventssonntag einläuten, Adventskranz segnen, zwei Rorate-Gottesdienste, Lichterfeiern mit Blockflöten, Krippenspiel, Weihnachtsliturgie, Mitternachtsmesse. Rituale, Gesang, Musik. So richtig als Arbeit mag der Diakon Weihnachten dennoch nicht sehen. «Da ist diese Kraft, diese Magie, dieser Zauber, diese Besinnung», schwärmt Christoph Brüning. «Das sind für mich wunderschöne Atempausen.»

Von morgens bis abends

Im Alltag indessen muss der Diakon flexibel sein, spontan und kreativ. Aufmerksam. Achtsam. Und er muss wach sein. Auch die Adventszeit ist eine Zeit der Wachsamkeit. «Kürzlich habe ich an einem Sterbebett ‹Stille Nacht› gesungen», erinnert er sich. «In diesem Lied ist alles ausgedrückt.» Die Nacht ist still und leise. Nicht mit Pauken und Trompeten. So ist Weihnachten. Der Messmer schaut kurz vorbei. Mit Zange und Werkzeug in der Tasche. «Die Zeit hat uns wieder», sagt auch er. «Alle Jahre wieder.» Er geht nach draussen und widmet sich den Kränzen und Gestecken. Christoph Brüning schaut ihm nach. Und plötzlich summt er ein Lied vor sich hin. «Es werde hell auf der Erde. Aus klein werde gross, aus wenig werde viel, aus dunkel werde hell.» Und gleich noch ein Lied. «Alle Menschen warten hier und überall, warten voller Hoffnung auf das Kind im Stall». Zwei seiner Lieblingslieder, wie er verrät. Übrigens ist der Diakon nebenbei auch gelegentlich Barpianist in einem Churer Restaurant. Wen wunderts. Wie auch immer. Der Tag geht von morgens bis abends. Und das auch am Wochenende. Hat der Diakon denn nie frei? «Doch», sagt er und schmunzelt. «Heute.»

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