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Gute Betreuung im Alter

Letzte Woche hat die Paul Schiller Stiftung den Bericht “Gute Betreuung im Alter – Perspektiven für die Schweiz” veröffentlicht. Darin geht es in erster Linie darum, den gesundheits- und sozialpolitischen Handlungsbedarf für eine qualitätsvolle und bezahlbare Betreuung im Alter aufzuzeigen.

Schon vor einigen Wochen habe ich in einer regionalen Tageszeitung gesehen, welche enormen Kosten sich verstecken in der Freiwilligenarbeit, nämlich hochgerechnete 35 Mia CHF. “So entfällt auch im Jahr 2014 der grösste Teil informeller Freiwilligenarbeit auf persönliche Hilfe- und Betreuungsleistungen… Persönliche Hilfeleistungen machen gerade im Verwandtenkreis einen wesentlichen Teil informell freiwilliger Tätigkeiten aus” (Freiwilligen-Monitor Schweiz 2016). Ein absoluter Witz ergab sich, als ich die publizierten Stunden (665 Mio laut BFS) mit einbezog: Der durchschnittliche Stundenansatz ergab 52,60 CHF.

Nicht schlecht für pflegende Angehörige; das stellt mein Salär als hochqualifizierte Pflegekraft noch in den Schatten.

Hierzulande hat der Bericht und die dahinterliegende Studie kaum ein Medienecho ausgelöst. Hilfe im Alltag soll ‘service public’ werden (Tages Anzeiger). Das nächste grosse Buffet im Gesundheitsmarkt soll finanziert werden, unter anderen Vorschlägen, durch eine vierte Säule, die bestehenden Sozialversicherungen, oder die Krankenkassen (Migros Magazin). Auf nationaler Ebene habe ich aber zwei Reaktionen wahrgenommen: Das vorhersehbare Geheul “Wer soll das bezahlen?” (O-Ton “Finanzierungsmodell unrealistisch”, “systemfremd” (Tages Anzeiger) und die strategische Positionierung der einschlägigen Interessenvertreter “Wie viel kann ich mir vom Kuchen abschneiden?” (Dachverbände und Non-Profit-Organisationen).

Kein Wort ist dazu zu lesen, dass die wichtige Forderung nach guter Betreuung im Leben auch anders angegangen werden kann als durch Professionalisierung und Kommerzialisierung. Ich erlebe selber in Pflege, was es bedeutet, dass jede Leistung im Minutentakt zu verrechnen sein muss um effizient und rentabel arbeiten zu können. Es ist anerkannt, dass die Menschlichkeit dabei auf der Strecke bleibt. Also, übernehmen wir das gleiche Modell, das in der medizinischen Versorgung und der Pflege nicht die gewünschten volkswirtschaftlichen Nutzen bringt, und übertragen wir es auf die Betreuung. Macht doch Sinn, oder?

Dabei birgt der Bericht über die Gute Betreuung im Alter durchaus gedankliche Ansätze für neue Modelle: Beziehungsarbeit, integrative Versorgung, ganzheitliche Betrachtung, das Entlasten (nicht ersetzen) von pflegenden Angehörigen, Wertschätzung.

Da lobe ich mir doch, dass es am Rande unserer Gesellschaft Menschen gibt, die nicht auf einen Expertenbericht oder gar eine öffentliche Finanzierungsgarantie warten müssen, um echte Alternativen zur Umsetzung einer guten Betreuung im Alter zu sehen und um zu setzen.

Othmar Ferdinand Arnold
21.03.18 - 22:39 Uhr
Leserbrief
Ort:
Tenna
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