Mehr als nur ein paar Stacheln in Graubünden
Die Mitglieder des Vereins Bündner Kakteenfreunde frönen ihrem Hobby und warten auf Blüten, ohne dass ihnen langweilig wird – ein Besuch im Gewächshaus.
Die Mitglieder des Vereins Bündner Kakteenfreunde frönen ihrem Hobby und warten auf Blüten, ohne dass ihnen langweilig wird – ein Besuch im Gewächshaus.
Wir haben das Gewächshaus von Margrith Gujan auf Video festgehalten, inklusive Tipps zur richtigen Pflege von Sukkulenten:
Video Suela Tuena
Von Cindy Ziegler
Im Gewächshaus von Margrith Gujan in Pragg-Jenaz tritt man in eine andere Welt. Während draussen Regen fällt, scheint drinnen die Sonne – zumindest metaphorisch. Denn hier treffen nicht nur drei Menschen aufeinander, die dieselbe Leidenschaft teilen, sondern auch über 900 exotische Objekte der Begierde. Es sind Kakteen in allen Grössen, Formen und Farben. «Meiner ist noch ein Stück grösser wie dieser hier, hat aber dafür noch keine Blüten ausgebildet», meint Harald Schade gerade zu Margrith Gujan. Und sagt dann in die Runde: «Wir sind hier zwar in einem Gewächshaus, aber unter den Kakteen lassen sich immer welche finden, die bei unterschiedlichsten Verhältnissen blühen. Freude machen sie alle.» Michael Stümpfig, der dritte Kakteenfan vor Ort, nickt. Sie alle sind den stacheligen Pflanzen verfallen. Gemeinsam frönen sie im Verein Bündner Kakteenfreunde ihre Leidenschaft.
Die ersten Blüten in 40 Jahren
Es ist ein besonders Hobby. Und doch eines für jede oder jeden. Wir blicken uns um. Durch das Fenster sieht man in den Bauerngarten der Gujans, im Gewächshaus aber wachsen nur die Exoten. «Kakteen verzeihen vieles und sind robust. Aber sie brauchen Geduld. Ich habe zu Hause einen Kaktus, der blüht heuer zum ersten Mal – nach über vierzig Jahren», erklärt Harald Schade und grinst.
«Hast du irgendwo eine Echinopsis, von der ich ein Kindlein haben kann?», fragt Michael Stümpfig. Die Gewächshausherrin überlegt kurz und geht durch den gläsernen Raum. «Man kann Kakteen teilen und weitergeben», erklärt der Kakteenfreund, während Magrith Gujan kleine Töpfchen zur Seite schiebt und dann einen runden Kaktus auf den Tisch stellt.
«Mir haben Kakteen schon immer gefallen. Aber erst bei einer Aktion des Vereins bin ich dem Kakteenfieber verfallen», erzählt Margrith Gujan. Es war der erste Kaktus von vielen. Seither freue sie sich jedes Jahr aufs Neue, wenn die Kakteen blühen. Ebenso die beiden Männer. «Mein Grossvater züchtete Kakteen. Er hat mir meine erste Pflanze geschenkt und ich dachte damals, dass diese bestimmt irgendwo verstaubt. Aber dann hat sie Blüten gebildet …» Harald Schade macht eine Pause. Michael Stümpfig haben die Pflanzen nach seinen Reisen durch Südamerika nicht mehr losgelassen. Sie fesselten ihn so sehr, dass er gar für eine Weile in Chile lebte. Mit nach Hause nahm er dann die Kakteen. Auch hier im metaphorischen Sinne. Denn der Ehrenkodex des Vereins verpflichtet dazu, keinen Raubbau in der Natur zu betreiben.

Ganz früher gab es viele Exporte. Heute aber versuchen die Mitglieder, nicht nur Tipps und Tricks auszutauschen, sondern auch Pflanzen und Samen. Der Verein, der Teil der Schweizerischen Kakteengesellschaft ist, will eine Plattform für alle sein, die sich für die Sukkulenten interessieren.
An dieser Stelle noch kurz Theorie. Alle Kakteen sind Sukkulenten, aber nicht alle Sukkulenten sind Kakteen. «Sukkulent bedeutet wasserspeichernd. Das machen nicht nur Kakteen, sondern beispielsweise auch die gewöhnliche Hauswurz, die auch bei uns in Graubünden wächst», erklärt Michael Stümpfig. Und führt gleich noch aus, dass es eine falsche Annahme gäbe, dass Kakteen nicht gegossen werden müssen. «Kakteen sind Pflanzen und keine Pflanze wächst ohne Wasser. Gerade im Sommer braucht ein Kaktus viele Nährstoffe und Wasser. Anders als andere Pflanzen folgt aber dann im Winter eine trockene Ruhephase», ergänzt Harald Schade.
Mit den Pflanzen wachsendie Erinnerungen
Während des Gesprächs lassen die drei immer wieder den Blick durch das Gewächshaus wandern. Immer wieder entdecken sie eine neue Blüte oder ein Exemplar, das gerade austreibt. «Die Formenvielfalt ist einfach enorm. Es gibt Säulen. Kugeln. Kakteen mit Polster, mit geraden oder gebogenen Stacheln oder welche ganz ohne. Das ist faszinierend», sagt Harald Schade. Eine Lieblingspflanze habe er daher nicht, das wechsle immer wieder. Aber: «Wenn ein Kaktus blüht, der das schon seit Jahrzehnten nicht mehr getan hat, dann hüpft mein Herz schon besonders.» Auch den anderen beiden geht es so. «Ich fotografiere jedes Jahr wieder die gleichen Sujets. Aber es ist trotzdem immer besonders», erzählt Margrith Gujan. Michael Stümpfig interessiert auch den Kreislauf. Die Blüte. Die Frucht. Der Samen, aus dem dann wieder ein neuer Kaktus wächst. Mit den Pflanzen wachsen Erinnerungen.

Wir wollen noch wissen, wie oft sich die Kakteenfans schon gestochen haben. Sie winken ab. Das hätten sie nicht gezählt, unzählige Male. «Besonders fies sind nicht die langen dicken, sondern die kleinen feinen», meint Harald Schade. Eine gewisse Leidensbereitschaft gehöre zur Leidenschaft, meinen sie nüchtern. «Es gibt aber auch nützliche Hilfsmittel und gute Techniken. Aber wahre Kakteenfreunde haben immer ein Set Pinzetten dabei», meint Michael Stümpfig und zieht sich dann doch mit Daumen und Zeigefinger einen Stachel aus der Hand.
Der Regen prasselt auf das Dach des Gewächshauses. Neben dem Bach ist es das Einzige, was zu hören ist. Die Anwesenden geniessen die Stille. Die Kakteen bilden eine Gedankeninsel. Die exotischen Pflanzen, die dann aber doch gut nach Graubünden passen. «Viele Kakteen sind Gebirgspflanzen. Trockener Frost macht ihnen daher nichts. In Südamerika wachsen sie auf bis zu 4000 Meter über Meer», erklärt Michael Stümpfig. Und so erhellen über 900 kleine Sonnen das Gemüt der drei im Gewächshaus in Pragg-Jenaz.
Der Verein freut sich über neue Mitglieder und andere Interessierte: www.kakteen-gr.ch.
Suela Tuela von «südostschweiz.ch» hatin einem Video Tipps in Sachen Kakteen abgeholt.Das Werk finden Sie auf «buendnerwoche.ch».
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