Beschützend: Hündin Adena absolviert die Herdenschutzprüfung
So wichtig wie die Herdenschutzhunde sind, ist auch die Prüfung. Wir haben Hündin Adena an ihrem Prüfungstag begleitet.
So wichtig wie die Herdenschutzhunde sind, ist auch die Prüfung. Wir haben Hündin Adena an ihrem Prüfungstag begleitet.
von Jasmin Klucker
Bald geht es wieder los, die Alpsaison ruft! In nicht einmal ganz zwei Wochen wird Marlies Loher mit ihrer Hündin Adena auf der Alp sein, begleitet von ihrer Schafherde. Nicht üblich ist heute, dass Adena alleine ist. Normalerweise, wenn es nicht gerade Prüfungstag ist, ist sie – je nach Grösse der Herde – mit mindestens einem anderen Herdenschutzhund für die Schafe verantwortlich. Doch heute ist ein besonderer Tag, den wir alle nur allzu gut kennen: Prüfungstag. Ein Tag, an dem man nervös ist und es kaum abwarten kann, bis es vorbei ist. Diesen Eindruck macht Adena nicht. Sie wirkt an diesem Donnerstagmorgen, als die Prüfungsleiterin Jenny Doring durch ihr Fernglas auf die andere Seite des Berges schaut, noch ganz gelassen.
Von blossem Auge kann man die Schafe und den Pyrenäenhund noch nicht voneinander unterscheiden, nur das laute Bellen ist zu hören. Bereits vor 24 Stunden wurde Adena, die zweijährige Hündin, hier mit den Schafen allein gelassen. Von weit her kann man erkennen, dass der Hund und die Schafe einen Tracker tragen. Dieser zeigt bei der Auswertung, wie sich Adena über Nacht verhalten und wie weit sie sich von der Herde entfernt hat. All diese Daten werden nach der Prüfung, die an jenem Morgen im Mai ob Mels weitergeht, ausgewertet. Neben der Prüfungsleiterin steht der Figurant, auch er spielt am heutigen Tag eine wichtige Rolle. Doch dazu später mehr.
Alleine an einem unbekannten Ort
Die Berge ragen beidseitig in die Höhe, vereinzelte Schneefelder liegen noch hartnäckig auf den Wiesen, die teilweise schon mit saftigen Kräutern bestückt sind. Heinz Feldmann, zuständig für die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft, zeigt mit seinem Finger auf das grosse Gebiet, das sich für eine solche Herdenschutzhundeprüfung eignet. «Es ist nicht leicht, ein passendes Gelände zu finden. Es muss gross genug sein, damit sich der Hund frei bewegen kann. Dazu kommt, dass das Gelände nicht eingezäunt ist, und es soll so liegen, dass wir und vor allem die Prüfungsleitenden das ganze Geschehen beobachten und filmen können.» All diese Kriterien hat das Gelände auf der Alp Kohlschlag in der Gemeinde Mels erfüllt. Für Adena und ihre Schafherde ist es das erste Mal an diesem Ort. Das aus einem wichtigen Grund: Der Hund soll die Herde auch an fremden und ungewohnten Orten bewachen können.
Sie beobachtet von der anderen Seite die anwesenden Leute auf dem Parkplatz genau. «Los geht’s», sagt Ueli Pfister, Fachspezialist in diesem Gebiet, zu seinen Kollegen. Der erste Teil der Prüfung beginnt. Mit langsamen Schritten nähert sich der Figurant der Schafherde. Bereits von Weitem bemerkt Adena den jungen Mann, jedoch bleibt sie treu bei ihrer Schafherde, die sich noch gemütlich den saftigen Gräsern widmen.
Adena wird genau beobachtet
Die Aufgabe des Figuranten ist es, sich auf verschiedene Weisen dem Herdenschutzhund mit den Schafen zu nähern und zu analysieren, wie die Hündin darauf reagiert. Dazu gehört das Vorbeilaufen unterhalb der Herde, das direkte Zugehen auf die Herde und schliesslich das direkte Sitzen daneben. All das kann man von Weitem beobachten. Aufmerksam und aufrecht steht Adena vor ihrer Herde, die sich immer noch nicht gross um den Besuch kümmert. Jenny Doring lehnt konzentriert an ihrem Fiat Panda und beobachtet das Geschehen ganz genau.



Schliesslich wird Adenas Verhaltensweise in fünf Kategorien aufgeteilt, die auf einem Sterndiagramm korrekt aufgezeichnet werden, damit die Besitzerin genau Bescheid weiss, was in diesen 24 Stunden passiert ist. Doch die Prüfung ist noch nicht ganz vorbei. Vor Adena liegen immer noch ein paar Stunden, bevor sie wieder ins gewohnte Toggenburg zurückkehrt.
Das Bellen hat ein Ende genommen, die Ruhe kehrt ein. Der Figurant kehrt zurück auf den Parkplatz, mit grossem Hunger im Bauch. Kurz darauf sitzt er mit seinem Eingeklemmten und einem Blatt Papier auf der Autohaube, auf dem er seine Erfahrung mit Adena in Punkten von 1 bis 3 bewertet.
Verhalten gemäss Jagdverordnung
Es folgt eine kurze Pause, bis der zweite Teil beginnt. In diesem Teil der Prüfung geht es um das Verhalten gemäss Jagdverordnung. Dazu gehört auch eine Begegnung mit dem Figuranten in Begleitung seines Hundes. Wie wird das ausgehen? Neugierig, das zeigt die Stille auf dem Parkplatz, sehen alle Beteiligten auf die gegenüberliegende Seite, wo sich Adena immer noch mit ihren Schafen oberhalb eines Schneefeldes aufhält.
Der Figurant nähert sich. Adena begegnet dem braunen, schmalen Hund mit einer gesunden Bestimmtheit. Sie zeigt ihm, dass er hier nichts zu suchen hat. Auf den bereits bekannten Menschen reagiert sie gelassen, doch die Herde hat sie immer im Blickwinkel. Auch dieser Eindruck ist eingefangen vom Figuranten wie auch von Jenny Doring, die immer noch alles genau erfasst. Adena treibt die Schafe den Berg hinunter. Erst jetzt erkennt man die Grösse des Herdenschutzhundes. Typisch für die Pyrenäenhunde-Rasse ist das glänzende weisse Fell, das sich am Körper von Adena anschmiegt. «Perfekt für die Temperaturen in den Bergen», betont Heinz Feldmann.
Die Hündin lässt sich in der Nähe der anwesenden Personen nicht beirren, weiterhin schaut sie pflichtbewusst auf ihre vier Schafe, die sich immer noch nicht sattgegessen haben. Von weit her kommt ein Autogeräusch, begleitet von aufgewirbeltem Staub. Marlies Loher, Adenas Besitzerin und gleichzeitig Ausbilderin, steigt aus dem geländetauglichen Auto. Der Prüfungsteil «Abwehrverhalten» ist somit hinter sich gebracht. Jetzt ist Zeit für die Freude, die man am Verhalten der Herdenschutzhündin deutlich sehen kann.
Im letzten Teil geht es um die Tierschutzverordnung
Eine Beobachtung, die gegensätzlicher kaum sein kann: von einem Hund, der Schutz gegenüber der Herde übernehmen muss, zu einem ruhigen, glücklichen Hund, der Streicheleinheiten liebt. Was für ein beeindruckender Moment. Adena geht Schritt für Schritt neben Marlies Loher. Ruhig und sachte wirkt sie. Sie macht die letzten Aufgaben der Prüfung. Jetzt geht es um die Tierschutzverordnung, sprich um die Sozialisierung mit Artgenossen und Menschen sowie um die Gewöhnung an die Umwelt.
Schliesslich besteht Adenas Alltag nicht nur darin, dass sie 24 Stunden am Tag ihre Herde beschützt. Genauso gehören Spaziergänge dazu, sodass sie andere Umgebungen und Hunde kennenlernt. Das lässt sich zeigen: Ihre ruhige und liebe Art zieht sich durch den ganzen Teil. Die lang ersehnte Frage, ob sie bestanden hat, wird fast von allein beantwortet. Doch das wird Marlies Loher in ein paar Tagen oder Wochen offiziell per E-Mail erfahren. Bis dahin werden alle GPS-Daten, Tracker und das ganze Filmmaterial ausgewertet. Was nicht zu übersehen ist, ist der Stolz in ihrem Gesicht. So steht dem Alpsommer nichts mehr im Wege.
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