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Ein Besuch bei der Grialetschhütte: «Wir sind bereit»

Die Grialetschhütte bei Davos macht sich bereit für den Sommer – gute Gespräche und Suppen mit Wurst

Bündner Woche
27.06.24 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

von Jasmin Klucker

Es ist die Ruhe, die noch über der Grialetschhütte wacht. Der Schnee, der in deutlich grösseren Mengen als in anderen Jahren die Hütte umrahmt, ist hartnäckig. Die Sonne scheint kräftig vom stahlblauen Himmel hinab, es ist sogar den bereits erwachten Murmeltieren an diesem Dienstagmorgen zu heiss.

Wasser und Wind wechseln sich auf dem Weg hinauf zur Grialetschhütte ab. An vielen Stellen läuft das Schmelzwasser an den Wanderschuhen vorbei, glänzend von der Sonne, klar wie der Himmel. Der Wind kommt im Minutentakt steil von den noch verschneiten Bergen hinab und wirkt erfrischend auf der warmen Haut.

Ungewöhnlich ruhig ist es, nur die kleinen Vögelchen, die von Stein zu Stein hüpfen, brechen die Stille. Von dieser Stille wird in wenigen Tagen oder Wochen nicht mehr viel übrig sein. Dann wird die Terrasse von morgens bis abends voll sein. An Arbeit wird es nicht mangeln, Freizeit Fehlanzeige. Das ist das Hüttenwarte-Paar der Grialetschhütte gewohnt. Die beiden führen bereits seit 2021 während sieben Monaten im Jahr diese wunderschön renovierte Unterkunft. Grösser als früher, moderner, aber doch ist sie noch fast die Alte geblieben. So geht die Geschichte der Grialetschhütte mit dem naturverbundenen und hüttenliebenden Ehepaar weiter.

Arbeit gibt es immer

Werner Schweizer-Schneider ist ausgeflogen, die Arbeit auf dem Wanderweg nimmt seine Zeit in Anspruch, schliesslich muss der Weg bald einmal schneefrei sein. Nur so können die Wanderbegeisterten ohne nasse Füsse in der Hütte ankommen. Heute liegen die nassen Socken auf der Steinmauer, während ein Wanderer die Hütte erreicht hat. Mit einem «Guten Tag» wird er herzlich von der Hüttenwartin in Empfang genommen. Es soll ein Kaffee und ein Stück Kuchen sein, kein Wunder, dass er dem selbst gemachten Kuchen nicht widerstehen kann. Um das Backen hat sich heute Morgen Tanja Schweizer gekümmert. Beim Kaffee war es Teamwork: Als Werner Schweizer-Schneider den Wanderer gesichtet hat, funkte er es seiner Frau, sodass der Kaffee bereit ist, wenn der Wanderer durch die Türe läuft. «Wir ergänzen uns gut», sagt die Hüttenwartin mit einem breiten Lachen im Gesicht. Es bleibt im Moment noch Zeit für ein Gespräch mit dem Besucher, kollegial ist es auf dieser Höhe. Das «per Du» ist keine Frage. «Begegnungen machen diesen Beruf so spannend, man lernt immer etwas dazu und schliesst Freundschaften fürs Leben», sagt Tanja Schweizer-Schneider, während sie in der modernen Hüttenküche steht. Ihr Mann ist in der Zwischenzeit auch zurück vom Schnee schaufeln. Es ist und war nicht das letzte Mal, dass er die Schaufel dabei haben wird, Tage zuvor hatte er jedoch ab und zu Hilfe.

Es stehen, auch wenn es noch sehr ruhig ist, doch noch einige Arbeiten an. Die Antwort auf die Frage, wie denn das mit der Aufteilung sei, kommt schnell aus den Mündern der beiden geschossen. «Ich bin die Innenministerin, er der Aussenminister», sagt die Hüttenwartin und blickt zu ihm hinüber, die Mittagssonne scheint ihm dabei direkt ins Gesicht. Sie können einander in Situationen, wo dies erforderlich ist, ablösen. Zwei Wanderer kommen um die Ecke, auch sie haben sich über den vielen Schnee gewundert, sind jedoch glücklich, hier zu sein. Wenig später serviert der Hüttenwart zwei selbst gemachte Suppen, mit einer Wurst dazu. Brot und Senf dürfen natürlich auch nicht fehlen. Hier oben wird das meiste selbst gemacht, auch das Brot, das beweist die knallrot-glänzende Knetmaschine, die in der sauber glänzenden Küche steht. «In der Hauptsaison backen ich und mein Team rund neun bis zwölf Kilogramm Brot pro Tag», sagt Tanja Schweizer-Schneider. Zwei Angestellte werden am 1. Juli hinauf auf die Hütte kommen, bis dann wird der Schnee sich auch langsam verabschiedet haben. Und die Murmeltiere werden um die Wette pfeifen.
 

Gastgeber sein liegt Werner im Blut.
Gastgeber sein liegt Werner im Blut.
Chiara Schmed
Die heutigen Gäste geniessen das Bergpanorama und eine Suppe mit Wurst.
Die heutigen Gäste geniessen das Bergpanorama und eine Suppe mit Wurst.
Chiara Schmed

Bis jetzt ist es bei diesen drei Gästen geblieben. Es bleibt Zeit, um eine Wäsche zu waschen, diese trocknet danach schnell im Wind. «Bei uns ist es wie bei allen SAC-Hütten, die Gäste nehmen ihren eigenen Seidenschlafsack mit, so müssen wir die Decken nur dann waschen, wenn sie wirklich dreckig sind», erklärt die Hüttenwartin. Mit diesem Verhalten vermeidet man, dass man in dieser Höhe zu viel Energie verbraucht.

Nicht zu viel Energie verbrauchen

Auffallend ist, dass auch das Handy nicht viel Energie braucht, denn hier oben hat man keinen Empfang, die Störfaktoren bleiben zu Hause. Man lebt im Hier und Jetzt. Die Zeit vergeht dementsprechend schnell, auch wenn sich die Terrasse immer noch fast leer zeigt. Die Vorbereitungen für die Sommersaison sind jedes Jahr etwa die Gleichen, wie sie es nach der Sommersaison für die Wintersaison auch sind. Es ist nicht bei allen SAC-Hütten üblich, dass sie auch in den Wintermonaten bewahrtet werden. «Die Abwechslung zwischen den Jahreszeiten und den Gästen gefällt mir sehr», sagt der Hüttenwart. Er mag es, dass es im Winter andere Leute sind als im Sommer. 

Lustigerweise wird es am heutigen Tag nicht nur bei menschlichen Besuchern bleiben, doch dazu später mehr. Die Suppenteller der Besucher sind leer, die Wurst im Magen als Stärkung für den Nachhauseweg.

Zurück in der Küche werden die Teller abgewaschen. An Wasser mangelt es auf der Grialetschhütte nicht, dank dem See, der sich direkt neben der Hütte befindet, sowie den Quellen, die die Hütte mit frischem Bergwasser versorgen. Gereinigt und gefiltert wird das Wasser in der Hütte selbst. Auch das spart Ressourcen. Für genügend Strom sorgen die Sonnenkollektoren, die am heutigen Tag reichlich Sonnenstrahlen einfangen. Für den Notfall gibt es in der Hütte jedoch eine Notstromgruppe, die der Hüttenwart regelmässig kontrolliert. Auch an solche Arbeiten muss gedacht werden.


Ein etwas anderer Besucher

In der kühlen Hütte wartet eine grosse Überraschung: Auf dem Weg hoch in die Zimmer verschwindet ein grosser Fellknäuel im Schuhraum – eine Katze? Wohl kaum auf 2546 Metern über Meer. Ein Schritt näher zeigt sich ein Murmeltier, das sich in den falschen Bau verirrt hat. Oder vielleicht kam er doch mit dem Gedanken, hier etwas Leckeres essen zu finden. Heute ohne Erfolg. Die Hüttenwartin lässt die Tür nach draussen offen und weiss aus Erfahrung, dass das Tier den Ausweg bestimmt finden wird. «Besser so, weil ein ‹Mungg› ganz schön fest zubeissen kann.» 

Trotz dieses speziellen Gastes geht es in die noch leeren Zimmer, die erst heute Abend besetzt werden. Die mit Edelweiss bestückten Bettdecken liegen schön zusammengefaltet auf den goldgelben Leintüchern. Noch hat Tanja Schweizer-Schneider Zeit, nochmals alles zu kontrollieren. Wenn es dann losgeht mit den Buchungen, die bereits Monate zuvor eingehen, muss das Team perfekt zusammenarbeiten. Vom Putzen über das Servieren, Kochen und die Planung der Bestellungen für das Essen, bei der der Menüplan mit einberechnet sein muss, es ist kein leichter Beruf. Man kann es nicht immer allen recht machen. Manchmal nimmt die Hüttenwartin Gedanken daran, wie es besser gelaufen wäre, mit in den Schlaf, was ihrem Mann nach all diesen Jahren keine Sorgen mehr bereitet. Er hat sich damit abgefunden. Umso mehr freuen sich die beiden, wenn die Hütte mit den 58 Schlafplätzen belegt ist und die Menschen freudig und mit einem guten Erlebnis zurück ins Tal gehen. «Der Respekt gegenüber uns und den anderen Gästen steht dabei an oberster Stelle», da sind sich beide einig.

Die Sommersaison wird bis Mitte Oktober gehen, nach dieser werden die zwei Hüttenwarte zurück in ihre zweite Heimat kehren, um dort ihre Familie und Freunde zu sehen, bis sie dann wieder für die Wintersaison, die von Ende Februar bis April geht, in der verschneiten Landschaft willkommen geheissen werden. Immer die gleiche Hütte. Unterschiedlicher könnte sie in diesen zwei Jahreszeiten jedoch nicht sein. Nun heisst es für die «Büwo» zurück ins Tal, den Schmelzwasserbächen nach, glücklich und zufrieden. 

www.grialetsch.ch

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