Der Genuss des Jahres: Wie die Churer Hofkellerei geschmackvolle Weihnachtsessen auf den Tisch zaubert
Dass Weihnachten in der Gastronomie nicht automatisch Stress bedeuten, zeigt ein Blick hinter die Kulissen eines Firmenessens im ältesten Restaurant der ältesten Schweizer Stadt.
Dass Weihnachten in der Gastronomie nicht automatisch Stress bedeuten, zeigt ein Blick hinter die Kulissen eines Firmenessens im ältesten Restaurant der ältesten Schweizer Stadt.
Von Andri Dürst
Atemberaubend – dies trifft im Restaurant «Hofkellerei» in Chur gleich doppelt zu. Zum einen ist man durchaus etwas ausser Atem, wenn man die Treppe vom Ragaz-Platz bis zur Eingangstüre hochmarschiert ist. Zum anderen ist auch das historische Ambiente im ältesten Restaurant der Stadt atemberaubend. Gastgeber Michèl Hug sorgt aber dafür, dass man wieder zur Ruhe kommt. Dass er sich trotz (Weihnachts-)Stress nicht so schnell aus dem Konzept bringen lässt, werden wir diesen Abend noch des Öfteren erleben. Doch von Anfang an.
Nicht nur finanziell interessant
«Liebe Mitarbeitende. Wie jedes Jahr möchte ich euch auch heuer zu unserem traditionellen Weihnachtsessen einladen.» So oder ähnlich klingen die meisten Einladungen, die in vielen Firmen Jahr für Jahr von der Teppichetage in die Postfächer der Belegschaft flattern. Meist lassen sich die Chefs nicht lumpen und stellen eine schmucke Feier auf die Beine, begleitet von einem feinen Essen und einem guten Wein. Für einen Moment können es sich die Mitarbeitenden mal so richtig gut gehen lassen. Doch während in den Speisesälen dem Hedonismus gefrönt wird, arbeiten hinter den Kulissen Köche, Kellnerinnen und andere fleissig daran, dass so ein Weihnachtsessen ein Erfolg wird. So auch in der «Hofkellerei». Dort stellen Weihnachtsessen einen wesentlichen Teil des Jahresumsatzes dar, weshalb Michèl Hug sie als «sehr wichtig» für seinen Betrieb bezeichnet. Doch für ihn steht nicht nur die finanzielle Komponente im Vordergrund. «Die Weihnachtsessen bieten eine wunderbare Gelegenheit, unsere Gäste in festlicher Atmosphäre zu begrüssen und kulinarisch zu verwöhnen.» Es sei immer wieder schön, zu sehen, wie sich die Gäste auf diese besonderen Anlässe freuen und wie gut die Stimmung bei diesen Events sei. «Die Weihnachtszeit ist daher für uns sowohl aus geschäftlicher als auch aus emotionaler Sicht von grosser Bedeutung.»
Volles Haus
Das erste Weihnachtsessen in diesem Jahr habe bereits Anfang November stattgefunden, erklärt der Gastgeber und Küchenchef. «Ich selber bin dann zwar jeweils noch nicht so in Weihnachtsstimmung», fügt er an und lacht. Insgesamt dürfe er für eine sehr vielfältige Kundschaft – darunter viele Banken, kantonale Stellen, Spitäler, Architekturbüros, Baugeschäfte und auch kleinere lokale Firmen – rund 30 solcher Essen pro Jahr anbieten. So auch an diesem Freitagabend, bei dem die «Büwo» Mäuschen spielen und ein solches Festmahl begleiten darf. «Heute haben wir gleich zwei Anlässe: 20 Leute werden oben im Turmsaal erwartet und für 14 ist hier im Restaurant reserviert», verrät der Gastronom. Dazu kämen noch weitere Tische im Restaurant von Individualgästen. Entsprechend hat er sein Personal eingeteilt: Im Service arbeiten an diesem Abend drei Kellnerinnen. In der Küche stehen nebst Michèl Hug noch sein Bruder Daniel als Sous Chef, ein dritter Koch sowie eine Küchenhilfe. «Das ist für diese Menge an Gästen eigentlich schon eher viel. Da wir hier aber auf zwei Stockwerken arbeiten, ist es sinnvoller, mit etwas mehr Personal zu arbeiten.» Stress möchte der Gastgeber also vermeiden – auch wenn das in der Gastronomie manchmal schwierig wird. Im Gespräch wirkt er aber äusserst gelassen und gibt gerne Auskunft über das nun anstehende Essen.
Wünsche berücksichtigen
Wer hat eigentlich das Menü des heutigen Abends ausgesucht? «Wir machen den Leuten, die anfragen, jeweils Menüvorschläge. Auf Wunsch können wir aber auch andere Sachen anbieten. Das Ganze ist abhängig davon, wie viel Budget für ein solches Essen zur Verfügung steht.» Was genau auf den Teller kommt, sehen wir schon bald, denn nun wechseln wir von der Gaststube in die Küche. Dort sind Michèl Hugs Küchenkollegen bereits an der Arbeit. Auch sie wirken sehr gelassen. Und dies, obschon die eine Gruppe relativ spontan ihre Ankunft um eine Stunde vorverschoben hat. «Das Essen werden wir wie geplant ab 18 Uhr servieren. Vorher tischen wir nun einfach den Wein und ein paar Apéro-Brötchen auf», so der Plan des Küchenchefs. Derweilen macht Daniel Hug diese Häppchen parat. Mit einem Spritzsack trägt er sorgfältig gelbe und orange Punkte auf die knusprig gerösteten Brotscheiben auf. «Das eine ist Süsskartoffel- und das andere Kürbis-Mousse», erklärt der Sous Chef. Die beiden anderen Küchenangestellten sind derzeit fleissig am Rühren, Salatblätter zupfen und schnippeln. Ein Blick auf die an die Wand gepinnte Menüpläne verrät, was heute Abend alles geboten wird. Ins Auge sticht, dass sehr viele Zutaten aus dem Kanton stammen. Engadiner Wachteleier, Misoxer Lachs, Malanser Birne, Churer Aprikosen.
Zwischen Koordination und Improvisation
Nun muss auch Michèl Hug an die Arbeit: Er nimmt vorsichtig die vorbereiteten Schweinsfilets aus der Vakuumverpackung und würzt sie. Die punktgenaue Zubereitung des Fleisches sei übrigens eine der grössten Herausforderungen eines solchen Banketts. Aber auch Beilagen wie zum Beispiel Risotto sollten möglichst zum richtigen Zeitpunkt auf den Tisch kommen. «Daher bin ich immer froh um einen möglichst genauen Zeitplan des Abends. Wenn ich weiss, dass ein Chef oder eine Chefin noch eine Rede halten möchte, können wir das in der Küche gut berücksichtigen.»
Als Nächstes kommt Chef de Service Sybille Michel in die Küche. Michèl Hug berät mit ihr, wann die ersten Gänge auf die Teller kommen sollen. Bald steht auch schon die Gruppe vor der Tür, und die Gäste strömen durch das modern gehaltene Treppenhaus in das altehrwürdige Speiselokal. Der Gastgeber hilft beim Abnehmen der Mäntel und begrüsst den einen oder die andere. Dann ist für ihn aber wieder Küchenarbeit angesagt. Auch die Vorspeisen wollen vorbereitet sein. Der Chefkoch zaubert auf kleinen Tellern fein säuberlich drapierte Lachstatar. Doch nicht alle anwesenden Gäste essen Fisch oder Fleisch. Auch hier kein Problem, sofern diese Wünsche im Voraus angekündigt werden. An diesem Abend scheint dies gut geklappt zu haben: Die Chef de Service hat bereits abgeklärt, wo die beiden vegetarischen Personen sitzen und Michèl Hug entsprechend informiert. Es scheint hier alles wie am Schnürchen zu laufen. Klar, kurz kann es auch mal etwas hektisch werden, wenn gerade jemand etwas Dringendes erklären möchte, während der Steamer ohrenbetäubend piepst. Aber schnell kehrt jeweils wieder Ruhe in die Küche ein. Ob denn gar nie Stress aufkomme, wollen wir wissen. «Das kann es schon geben», mein Daniel Hug. Viel Zeit zum Reden bleibt nicht, denn nun werden die Salate serviert.
Auch Michèl Hug hilft mit – er packt dort an, wo es ihn gerade braucht. So auch etwa 20 Minuten später, bei folgender Situation: «Ich muss schnell raus und helfen, eine Person mit Rollstuhl in das Restaurant zu tragen.» Auch das gehört zum Gastgeber-Sein. Nun aber wollen wir die Küchenmannschaft und das Service-Team ungestört arbeiten lassen. Wir verlassen das älteste Restaurant der Stadt wieder. Und noch immer hält die Ruhe, die wir kurz nach dem Betreten der Gaststätte erfahren haben, an.
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