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Die Nacht der Nächte – ein unvollständiges Protokoll

Mit einer rauschenden Party feiern die Fans der SC Rapperswil-Jona Lakers die Rückkehr ihres Teams in die höchste Liga. Der Weg dahin bot Spannung und Nervenkitzel. Ein subjektiver Rückblick auf die Nacht der Nächte.

27.04.18 - 10:45 Uhr
Ereignisse
Die totale Ekstase auf dem Hauptplatz, nachdem Spieler und Fans wieder in Rapperswil angekommen sind.
Die totale Ekstase auf dem Hauptplatz, nachdem Spieler und Fans wieder in Rapperswil angekommen sind.
TOM OSWALD FOTOGRAFIE

Selten war es treffender, einen Fanaufmarsch als «rotes Meer» zu bezeichnen, als am frühen Donnerstagmorgen auf dem Hauptplatz in Rapperswil: Auf der Schlosstreppe stehen die Spieler der SC Rapperswil-Jona Lakers, die sich kurz zuvor in einer an Dramatik kaum zu überbietenden Partie den Aufstiegswunsch erfüllt haben: Nach drei Jahren in der zweiten Liga spielen die Lakers nächste Saison wieder ganz oben mit.

Unter den Spielern tobt die Menge, Tausende in Rot gekleidete Fans haben sich versammelt, um ihre Mannschaft zu feiern – und auch ein wenig sich selbst. Der «Capo», der Chef mit dem Megafon, verwandelt die Menschenmasse in ein rotes Meer: Zum Fangesang, den er anstimmt, hakt sich jeder beim Nachbarn ein, und alle hüpfen gemeinsam zur Melodie. Und so sehen sie dann tatsächlich aus wie Wellen, die Reihen der Fans. Es ist eine Szene, die sich so oder ähnlich in dieser magischen Nacht noch unzählige Male wiederholen soll.

Ein paar Stunden vor dem grossen Freudentaumel dominiert allerdings ein anderes Gefühl: die Anspannung. Rund 200 Fans besammeln sich bereits um 17.30 Uhr am Bahnhof Rapperswil. Vor die Kamera treten will da noch kaum einer. Zu gross ist die Unsicherheit, was an diesem Abend auf dem Eisfeld passieren wird – und nach dem Spiel auf den Nebenschauplätzen. Aussagen wie «Ich werde heute Abend so oder so weinen, entweder vor Glück oder aus purer Verzweiflung» zeigen, um wie viel es in diesem Spiel geht: «Heute gehts um alles oder nichts», sagte Lakers-Coach Jeff Tomlinson im Vorfeld der Partie. Das gilt auch für die Fans.

 

Die Rappi-Fans besammeln sich am Bahnhof, bevor es um 18.10 Uhr mit der S7 Richtung Kloten geht.
Die Rappi-Fans besammeln sich am Bahnhof, bevor es um 18.10 Uhr mit der S7 Richtung Kloten geht.
DANIEL GRAF
Rappi-Fan Alessio ist zuversichtlich, was das Spiel angeht.
Auch im Zug ist die Stimmung gut...
Auch im Zug ist die Stimmung gut...
...mit ein paar Bierchen stimmen sich die Fans auf das Spiel ein.
...mit ein paar Bierchen stimmen sich die Fans auf das Spiel ein.
Für Mario von der «alten Garde» gibt es nur eines: «Mir müend eifach gwüne!»
Der Fanmarsch ist laut und bunt...
...bleibt aber zu jedem Zeitpunkt friedlich, wie es sich für einen Fanmarsch gehört.

Rauch, Pyros, aber keine Fäuste

Die Zugfahrt und der Marsch zum Stadion verlaufen friedlich. Ein bisschen Rauch hier, ein paar Pyros da. Die Emotionen sind hoch, doch die Energie entlädt sich positiv: Den ganzen Weg über wird gesungen, die Rappi-Anhänger scheinen sich selber Mut zu machen für das Spiel der Spiele. Parolen wie «Chlotä tötä, Chlotä tötä» werden nicht in die Tat umgesetzt.

Im Stadion lösen die Fans ein, was sie sich im Zug versprochen haben: «Ich will jeden so laut schreien hören, dass er morgen keine Stimme mehr hat», lautet die Parole. Und das tun sie, der Lärm ist bereits beim Einlaufen der Spieler ohrenbetäubend und steigert sich noch einmal, als Lars Frei die Lakers in der 12. Minute mit 1:0 in Führung schiesst.

Nur einmal droht die Stimmung zu kippen: Nach dem Ausgleich der Klotener in der 50. Minute sind es plötzlich deren Anhänger, welche die Atmosphäre in der Halle mit Standing Ovations und Sprechchören prägen. In dieser Phase gelingt es auch dem «Capo» nicht, mit seinem Anhang wieder die Überhand zu gewinnen. Die Anspannung ist greifbar, jedes vermeintliche Foul wird mit gellenden Pfiffen vergolten, auf jeden Save des Torwarts skandieren die Rappi-Fans seinen Namen: «Nyffeler, Nyffeler, Nyffeler», hallt es durch die Halle, untermalt werden die Rufe mit geballten Fäusten.

Die Choreos der beiden Team zu Beginn des Spieles lassen sich sehen.
Die Choreos der beiden Team zu Beginn des Spieles lassen sich sehen.
Die Rappi-Fans feiern das 1:0 ihrer Mannschaft frenetisch...
...und setzen noch einen drauf, als das Ding in trockenen Tüchern ist.
...und setzen noch einen drauf, als das Ding in trockenen Tüchern ist.

Mosimann versetzt Fans in Ekstase

Das Spiel geht in die Verlängerung, Dramatik pur. Knapp acht Minuten sind in der ersten Verlängerung gespielt, als Kloten-Verteidiger Dominik Egli nach einem Abschluss die Hände in die Luft reisst, seine Mitspieler, die Bank und ein Grossteil des Publikums tun es ihm gleich. Doch die Panik in der Rappi-Kurve hält nur kurz an, der Schiedsrichter beendet den Schreckmoment, indem er signalisiert: Kein Tor, Egli traf nur den Pfosten. Nicht zum ersten Mal in dieser Serie trennen Zentimeter oder Sekunden die Lakers davon, das grosse Ziel zu verpassen – oder aber zu erreichen.

Die Riesenchance für Kloten ist ein Weckruf für die Lakers-Fans, plötzlich sind sie wieder voll da, wollen ihr Team förmlich zum Sieg schreien. Und tatsächlich: Kurz vor Ende der ersten Verlängerung versetzt Jan Mosimann das Stadion in Ekstase: Er nützt einen Stellungsfehler in der Klotener Abwehr aus und schliesst den Konter mit dem 2:1-Siegtor ab. Ein Tor, das Träume wahr werden und alle Dämme brechen lässt. Bierbecher fliegen durch die Luft, die Fans liegen sich in den Armen, stürmen das Spielfeld, hüpfen schreiend und jubelnd auf den Rängen herum.

Es ist der Moment, auf den sie drei Jahre gewartet haben. Für den sie «Scheissspiele gegen die EVZ Academy oder die GCK Lions, von denen nur fünf Fans anreisten» miterleben mussten. Dem sie in Spiel fünf dieser Serie bereits so nahe waren. Der Moment, auf den der Klub, das Team, das ganze Umfeld – und eben auch die Fans – hingearbeitet, dem sie entgegengefiebert haben.

Während die Lakers-Spieler und ihr Anhang das Stadion in ein Tollhaus verwandeln, ziehen die Klotenfans wie begossene Pudel von dannen. Ungläubigkeit, Wut und Enttäuschung stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Passend dazu hüllen sie ihre Kurve in schwarzen Rauch – fast, als hätten sie bereits vor dem Spiel geahnt, dass der Abstieg ans Ende einer vermurksten Saison passt.

Die Rappi-Fans ihrerseits feiern die Mannschaft auch eine halbe Stunde nach dem Spiel noch. Nur mit Mühe können die Stadionaufpasser sie hinaus geleiten. Einige steigen dort in ihre Autos, doch das Gros nimmt den Weg zurück zum Bahnhof. Anspannung und Unsicherheit sind jetzt wie weggeblasen, die Gefühlswelt schwankt zwischen Fassungslosigkeit und ungehemmter Freude. «Ich kann das nicht glauben. Ich glaube das nicht!», murmelt einer gebetsmühlenartig vor sich hin.Auch die Heimreise verläuft problemlos, unaufgeregt dirigiert der «Capo» die Massen mit seinem Megafon über Effretikon und Wetzikon nach Rapperswil. Es ist erstaunlich zu sehen, wie der Mann mit dem Megafon die Menge auch in diesem Moment der extremen Emotionen im Griff hat. Zurück am Bahnhof Rapperswil folgen fast alle seiner Aufforderung, noch ein paar Minuten zu warten, bis auf dem Hauptplatz alles bereit ist. Die Zeit wird mit Gesängen überbrückt, die Stimmung ist ausgelassen und friedlich.

Während die Kloten-Fans ihr Kurve in schwarzen Trauer-Rauch hüllen...
Während die Kloten-Fans ihr Kurve in schwarzen Trauer-Rauch hüllen...
...liegen sich die Anhänger der Lakers glücklich in den Armen...
...liegen sich die Anhänger der Lakers glücklich in den Armen...
...oder halten den «Magic Moment» für die Ewigkeit fest.
...oder halten den «Magic Moment» für die Ewigkeit fest.
Zurück in Rapperswil geht es nach einer kurzen Wartezeit auf Richtung Hauptplatz.
Zurück in Rapperswil geht es nach einer kurzen Wartezeit auf Richtung Hauptplatz.

Des «Capos» grosser Auftritt

Auf ein Zeichen des «Capos» setzt sich die Menge in Bewegung, geschlossen marschieren die Fans in Rauch und Pyrolicht gehüllt Richtung Hauptplatz. Dort kommt die Party gerade in Fahrt, Tausende haben zusammengefunden, um diesen historischen Moment zu feiern. Irgendwie schafft es der «Capo», sich einen Weg durch die dicht gedrängt stehenden Menschen zu bahnen. Denn als die Menge rund zwei Stunden später «Capo, Capo, Capo» skandiert, ist er bereit. Bereit, «seine» Fans in ein rotes Meer zu verwandeln.

Es ist bereits lange nach Mitternacht, als sich die Menge langsam auflöst. Die Party ist damit aber noch nicht zu Ende. Im «Nelson»-Pub nahe des Bahnhofs haben die freudetaumelnden Feierwütigen noch lange nicht genug. Und als sich gegen vier Uhr morgens auch die Spieler und ihre Partnerinnen noch einmal unter die Fans mischen, werden sie erneut mit Gesängen gefeiert.

Dass die Lakers-Anhänger gute Gewinner sind, zeigt sich auch anhand eines Pärchens, welches sich gegen halb fünf auf den Nachhauseweg macht: «Weisch Schatz», sagt er zu seiner Freundin: «Für Chlote isches ja scho schad. Aber wenn mer gseht, wie Rappi sich sitem Abstieg entwicklet hett, isch das s Beschte, wo dem Klub hett chönne passiere.»

Dort gibt es dann kein Halten mehr.
Dort gibt es dann kein Halten mehr.
Die Spieler...
Die Spieler...
...wie hier Josh Primeau mit klassischem Vollbart...
...wie hier Josh Primeau mit klassischem Vollbart...
...und die Fans feiern den Aufstieg bis zum Morgengrauen.
...und die Fans feiern den Aufstieg bis zum Morgengrauen.
Der Hauptplatzt bebt.
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