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«Via Mala» auf dem Ballenberg: Die Gepeinigten entledigen sich des Tyrannen

Er ist ein Wüstling ohne Skrupel, säuft, hurt, schändet, droht, schlägt den arbeitsamen Sohn zum Krüppel: Jonas Lauretz, der Sägereibesitzer im Gebiet der Via Mala. Die Gepeinigten sehen nur einen Ausweg: den Tyrannen umzubringen.

Südostschweiz
10.07.14 - 16:45 Uhr

Thusis. – Die dämonische Figur aus dem 1934 erschienenen Roman «Via Mala» von John Knittel (1891 bis 1970) hat von Anfang an fasziniert: Gert Fröbe, bekannt als Bösewicht Dr. No, und Mario Adorf haben ihn in Filmen lustvoll verkörpert. Beim Landschaftstheater Ballenberg tut dies der Bündner Schauspieler Andrea Zogg.

Nicht nur er, das ganze Ensemble bot an der verregneten Premiere des Landschaftstheaters im Freilichtmuseum Ballenberg ob Brienz am Mittwochabend eine überzeugende Leistung («suedostschweiz.ch» berichtete). Lauretz ist in der frei nach Knittels Bestseller gestalteten Fassung von Markus Keller mehr unflätiger Trunkenbold als Dämon, einzig auf seinen Vorteil bedacht.

Beeindruckt haben der durch die Schuld des Vaters gehbehinderte Sohn in seiner Verzweiflung, seine abgehärmte Schwester, die ihren heiratswilligen Verehrer abweist, weil sie ihre Angehörigen nicht im Stich lassen will und die herrlich naive jüngere Schwester Silveli, die dem ihr schwärmerisch zugetanen älteren Maler auch nackt Modell stehen würde.

Umgebung genutzt

Das Landschaftstheater spielt bei der 20. Produktion seit 1991 unter der bewährten Regie von Reto Lang seine Stärken aus: In der Geländekammer östliches Mittelland findet sich die Sägerei, die für das Stück unentbehrlich ist. Die Aufführung spart zudem nicht mit üppiger Pracht, etwa bei einer Marienprozession, die Lauretz zu gotteslästerlichem Gebaren anstachelt, oder zum Schluss bei der Hochzeit.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es legitim sein kann, einen Mann wie Lauretz, der auch vor Inzest nicht zurückschreckt, umzubringen. Das zahme Gericht der Region hat ihn trotz langem Sündenregister nur zu ein paar Monaten Gefängnis verurteilt und ihn erst noch – welche Ironie – wegen «guter Führung» vorzeitig entlassen.

Und so platzt er mitten in die Feier für den von seinem Sohn und einem treuen Helfer erfolgreich erledigten Auftrag für eine Brücke, treibt die frohe Gesellschaft auseinander, holt sich den Lohn und schickt sich an, alles zu verprassen. Doch seinem Schreckensregime setzen nun der Sohn und der Mitarbeiter, dem der Alte noch Geld schuldet, ein Ende: Sie bringen ihn mit vereinten Kräften um.

Gerechtigkeit versus Liebesglück

Die Tat sollte unentdeckt bleiben, doch der Untersuchungsrichter in Bonaduz kommt ihnen auf die Spur. Dieser Andreas von Reichenau hat sich in Lauretz' hübsche Tochter verguckt und möchte sie heiraten. Wird nun das Recht die Oberhand gewinnen und das junge Glück zerstören?

Landschaftstheater in bestem Sinn: eine packende Handlung und ein zu einer homogenen Leistung zusammengeschweisstes Ensemble mit 32 Laien aus der Umgebung und zwei Profis, die sich alle vom Regen nicht unterkriegen lassen. Gespielt wird bis zum 23. August. An der Premiere war die Enkelin des Autors John Knittel zugegen. (sda)

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