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Licht und Schatten

«Mein, dein, unser Kirchner» heisst die aktuelle Ausstellung im Kirchner Museum. Gestaltet wurde sie von Laien, die mit ihrem ganz persönlichen Bezug zum deutschen Expressionisten arbeiteten.

Barbara
Gassler
19.10.23 - 07:00 Uhr
Kultur
Ursula Gredig, Christine Heldstab, Lia Schwarzenbach und Armin Schneider bei der Arbeit an der Matinee vom kommenden Sonntagvormittag.
Ursula Gredig, Christine Heldstab, Lia Schwarzenbach und Armin Schneider bei der Arbeit an der Matinee vom kommenden Sonntagvormittag.
bg

Entstanden sind daraus vier verschiedenfarbige Räume, deren Macher die DZ in den nächsten Wochen vorstellt. Gelb macht den Anfang.

Der Raum Rot gehört zwar auch zur noch bis zum 5. November laufenden Ausstellung. Doch er ist nicht der Kunst, sondern der Begegnung gewidmet. In der Ecke ist eine Bar mit kalten und warmen Getränken und etwas Gebäck aufgebaut. An verschiedenen kleinen oder am grossen, zentralen Tisch kann sinniert und geplaudert werden. Auf herumliegenden, grossen Tellern haben erste Besuchende bereits ihre Eindrücke zur Ausstellung niedergeschrieben. Hier kann aber auch gearbeitet werden, und genau das tun die Ausstellungsmacher von «Licht und Schatten» – dem Thema des Raumes Gelb – gerade. Sie sind dabei, für den kommenden Sonntag, 22. Oktober, um 11 Uhr eine Matinee vorzubereiten. Eine Lesung aus Briefwechseln von Ernst Ludwig Kirchners soll es werden. Ursula Gerber tippt Text in einen Computer, Armin Schneider verspricht, ihn dann schon noch zu kürzen. Die Situation sei typisch für ihre Arbeit, erklärt Lia Schwarzenbach. Oft hätten sie keinen Konsens gefunden, aber die Sichtweise des jeweils anderen akzeptiert und sich davon leiten lassen. Zu Ausstellungsmachern wurden die Vier, Christine Heldstab vervollständigt das Quartett, über die Ausschreibung in dieser Zeitung, oder sie wurden angefragt. Entsprechend unterschiedlich ist ihr Blickwinkel auf die Arbeit Kirchners, und diese Verschiedenartigkeit wurde Programm. Es geht ihnen um Kontraste, um Gegensätzlichkeiten, um «Licht und Schatten» halt.

Schwierige Wahl

«Tanzende Mädchen in farbigen Strahlen» heisst denn auch das Werk, das den Blick beim Betreten des Raumes Gelb als erstes auf sich zieht. «Wir wählten das Bild, weil es solch starke Kontraste aufweist und nicht ein ‹typischer Kirchner› ist», erklärt Schneider. Die Suche nach geeigneten Ausstellungsobjekten hatte sich für die «Laien-Kuratoren» als eine der grössten Herausforderungen herausgestellt. Sara Smidt, Leitung Kunstvermittlung am Kirchner Museum, die die Gestaltung eng begleitete, musste denn immer wieder mal als Spielverderberin agieren. Mal war ein Werk schon anderweitig genutzt, es war im Museum nicht vorhanden oder passte schlichtweg nicht. «Speziell für dieses Projekt hatten wir uns ein Programm angeschafft, mit dem eine Ausstellung zuerst digital kuratiert werden kann», berichtet sie. Speziell um die Grössenverhältnisse zu erfassen, sei das enorm hilfreich gewesen, bestätigt die Gruppe denn auch, und Gerber ergänzt: «Seit ich hier mitarbeitete, habe ich eine ganz neue Hochachtung für Museumskuratoren.» Sie habe sich gefreut, sich mit Kirchner auf ganz andere Art auseinandersetzen zu können, und gratuliere der Museumsleitung für den Mut, Laien ans Werk zu lassen.»

Am Puls der Zeit

Es sei ein spannender Prozess gewesen, ihre verschiedenen Ideen und Blickwinkel auf das Wesentliche zu reduzieren, spinnt Schwarzenbach den Faden weiter. «Die Essenz herauszuarbeiten.» Während die einen eher mit dem emotionalen Ausdruck der Arbeiten spielen, stehen für Optiker Schneider die physikalischen Aspekte im Zentrum. «Der Raum lässt alle Interpretationen zu, die Besucher werden eingeladen, ihre eigene zu finden», sagt Gredig. In der A usstellung schwingt auch die gegenwärtige Situation in der Welt mit. Das ist durchaus im Sinn der Macher, auch wenn sie schlussendlich von der Aktualität noch überholt wurden. «Dass die Vernissage exakt auf den Tag fiel, als im Nahen Osten ein neuer Krieg ausbrach, gibt mir Gänsehaut», sagt Gredig vor der Ecke mit Fotografien und Zitaten von Kirchner. «Die Kunst ist hier unmittelbar am Puls der Zeit.»

Für Heldstab war es wichtig, auch Kirchners bildhauerische Arbeit in die Ausstellung zu integrieren. «Hier sehen wir eine glückliche Erna (Kirchners Lebens­gefährtin, Anm. d. Red.), während sie auf den Bildern eher traurig dargestellt ist», sagt sie über zwei Skulpturen in der Ecke. Überhaupt, Erna. «Obwohl sie so wichtig und präsent in Kirchners Leben und Werk ist, wissen wir von ihr eigentlich nur sehr wenig.» Ihrer Person am nächsten komme man in Kirchners Briefen. «Für mich war es sehr emotional, diese Zeilen zu lesen», sagt denn auch Schwarzenbach. «Es hat etwas Voyeuristisches.» Am Sonntag, 22. Oktober, um 11 Uhr, lädt das Quartett ein, an diesem Erlebnis teilzuhaben.

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