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Vorhang auf? Nein, Smartphones an!

Das Theater Chur lädt im März zu den «Digi Days», einem viertägigen Festival ganz im Zeichen von digitalen Formaten. Neben der Nutzung von Online-Angeboten ist der Besuch vor Ort dennoch sehr erwünscht.

Carsten
Michels
25.02.22 - 04:30 Uhr
Kultur
Meditation zum Mitmachen: In «I am (VR)» bietet das Theater Chur Gelegenheit, das Geschehen selbst zu steuern.
Meditation zum Mitmachen: In «I am (VR)» bietet das Theater Chur Gelegenheit, das Geschehen selbst zu steuern.
Pressebild

Wir alle versenden und empfangen E-Mails, bewegen uns munter in Chats oder nutzen selbstverständlich digitale Info- und Unterhaltungsangebote. Nur bei den Begrifflichkeiten hapert es zuweilen, selbst beim digitalen Dramaturgen vom Theater Chur. «Anita, machst du mal so ‘hchuiht’!?», bittet Yves Regenass lautmalerisch, als die optische Präsentation während der Medienorientierung kurzzeitig ins Stocken gerät. Anita Willi (für das Projekt «Digi Days» von der Churer Theaterleitung mit einem befristeten Mandat in Sachen Kommunikation und Medienarbeit betraut) ist wie alle Teilnehmenden des Zoom-Meetings am Donnerstagvormittag online zugeschaltet. Man sieht sie auf ihrer Computertastatur tippen, und – «hchuit!» – erscheint endlich das gewünschte Foto auf den Bildschirmen. Es zeigt die Abbildung eines virtuellen Raums, der Spielstätte von «Suit Your Body», einer «begehbaren Hörspielinstallation».

«Suit Your Body» – während der viertägigen «Digi Days» für das Publikum jederzeit online verfüg- und virtuell betretbar – ist nur eine von fünf Produktionen, die sich vom 7. bis 10. März direkt im Theater Chur oder über dessen digitale Kanäle erleben lassen. Dazu kommen drei Workshops, der Dokumentarfilm «Regie: KI» samt Installation im Seitenfoyer sowie das Gesprächsformat «Artisttalk». Diese Diskussion über Digitalität und Theater findet am 9. März um 18 Uhr analog vor Publikum in der Theater-Bar statt, lässt sich aber auch via Livestream verfolgen.

Forschen und experimentieren

Für Theaterleiter Roman Weishaupt stehen digitale und analoge Theaterformate keineswegs im Widerspruch zueinander. «In beiden Fällen geht es um Begegnung, um Austausch», sagt er. Die Coronakrise habe die Digitalisierung im Alltag spürbar beschleunigt. Da Theater stets die Lebenswirklichkeit spiegelt, ist die Erweiterung des analogen Raums in Richtung virtueller Realität für Weishaupt folgerichtig. Eine Auseinandersetzung damit ebenso. Digitale Formate brächten neue Erzählweisen hervor; um diese zu erforschen und mit neuen Formen zu experimentieren, dafür sei das Theater genau der passende Ort.

Wie viel Gewicht Weishaupt der Digitalität im Theaterbetrieb beimisst, zeigt sich in seinem Bemühen, die monatelange Schliessung des Hauses während der Pandemie kreativ zu nutzen. Ein von Bund und Kanton unterstütztes Transformationsprojekt hat dem Churer Theaterhaus eine neue – wenn auch temporäre – Stelle beschert, die Yves Regenass nun ausfüllt: die Stelle des digitalen Dramaturgen. Nicht ohne Stolz betont Weishaupt, dass sich das Theater Chur bereits im Frühling 2021 dem länderübergreifenden Theaternetzwerk Digital angeschlossen hat – als erstes Schweizer Theaterhaus notabene.

VR-Brille, Smartphone, Bühne

An den «Digi Days» greift das Netzwerk bereits. So wurde Susanne Kennedys Virtual-Reality-Installation «I am (VR)» gleich von zwei «Mit-Netzwerkern» koproduziert: den Münchner Kammerspielen und dem Volkstheater Wien. Digitaldramaturg Regenass nennt Kennedy «eine der gefragtesten Regisseurinnen überhaupt». «I am», im Gästezimmer unterm Theaterdach mittels VR-Brille zu erleben, sei einerseits eine Art theatrale Meditation, andererseits ein gutes Beispiel für neue Theaterformen. Die Zuschauenden würden am Geschehen partizipieren und könnten dessen Verlauf sogar beeinflussen. «Die Art wie erzählt wird, reagiert auf unsere Teilnahme.»

Bei «Seven Grams» stellt das Theater Smartphones zur Verfügung, die zugleich «Spielort» und Gegenstand der Geschichte sind. Es geht um Zwangsarbeit im Kongo bei der Gewinnung seltener Erden, wie sie in jedem unserer Handys stecken. Das Live-Theater «Twin Speaks» lässt sich ebenfalls nur auf dem Smartphone verfolgen – in Form eines Telegram-Chats. Bieten die «Digi Days» auch analoges (Musik-)Theater auf der Bühne? Aber ja. In «Nessun Dorma» wird eine klassische Liebesgeschichte erzählt. Weniger klassisch sind die Protagonisten: zwei Roboter namens Arka und Putzini.

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