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Seine Installationen stehen buchstäblich unter Strom

Die Gallaria Cularta in Laax zeigt derzeit die Ausstellung «C-Vision» des Churer Künstlers Gianin Conrad.

Südostschweiz
20.02.22 - 04:30 Uhr
Kultur
Kunst, die zwickt: In der ersten Etage der Gallaria Cularta in Laax präsentiert Gian Conrad sein mit Weidezäunen geschaffenes Werk – zu diesem gehört auch ein Liegestuhl, der an einen Stromkreislauf angeschlossen ist.
Kunst, die zwickt: In der ersten Etage der Gallaria Cularta in Laax präsentiert Gian Conrad sein mit Weidezäunen geschaffenes Werk – zu diesem gehört auch ein Liegestuhl, der an einen Stromkreislauf angeschlossen ist.
Bild Olivia Aebli-Item

von Maya Höneisen

Schon länger beschäftigt sich Gianin Conrad mit der Wahrnehmung über den Körper. In diesem Sinne sind seine Installationen jeweils quasi Versuchsanlagen, die diese Wahrnehmung sichtbar machen. «Es geht um Neurologie, um die These, die behauptet, dass alles, was wir sehen und spüren, eigentlich ein elektrischer Impuls ist», erklärt Conrad. Diese Wahrnehmung interessiere ihn. Aus diesen Überlegungen heraus habe er darüber nachgedacht, wie solche elektrischen Impulse, die notabene unsichtbar seien, aussehen müssten.

Ein zweites Thema, dem sich Conrad widmet, sind Räume und Material. «Das Material grenzt ein Gebiet ab. Daraus entsteht ein Raum. Man könnte sogar behaupten, dass ohne Begrenzung keiner entsteht», sagt er. Diese Themen beherrschen die Ausstellung «C-Vision», die derzeit in der Gallaria Cularta in Laax zu sehen ist.

Weidezäune formen Räume

Ein erster Blick in die Schau überrascht. Vor allem das Material lässt schmunzeln. Bunte Weidezäune sind akkurat von Wand zu Wand gespannt. Beidseitig sind sie mit Isolatoren befestigt. Zusammen ergeben sie eine quer im Raum schwebende Pyramide. Davor steht ein aus Holzlatten gefertigter Würfel. Auch daran sind Isolatoren befestigt. Weidezäune? Man wundert sich. «Zäune stecken Räume ab», so Conrad. «Sie sind feine Linien in der Landschaft, die Grenzen ziehen.»

«Der Besucher kann sich darin beengt fühlen, durch die Anordnung der Bänder kann aber auch Weite entstehen.»

Gianin Conrad, Künstler

Aber Achtung: In der zeitgenössischen Form sind es am Stromkreis angeschlossene Elektrozäune. Für den Künstler heisst dies, dass auch ein solch fein gesetzter Zaun einen Impuls auslöst. Das Material zwickt. «Im Material selbst, obwohl es nur eine feine Linie darstellt, erkennt man dies nicht. Erst der Kontakt mit ihm löst eine physische Wahrnehmung aus», erklärt er. Conrad stellt damit einerseits die Frage nach dem Raum, andererseits nach dem Material und wie wir es wahrnehmen, also in diesem Fall die bunten Weidezäune und den durch sie ausgelösten physischen Impuls, zur Diskussion. Zusätzlich werden diese Fragen zu einem Objekt, wie zum Beispiel die aufgebaute Pyramide.

In der ersten Etage der Cularta tritt der Besuchende direkt in ein Gitter von elektrischen Impulsen, man steht quasi mitten in der Installation. Nach einem dichten, streng geometrischen Muster sind die bunten Weidezäune an Wänden, auf dem Boden und über die Decke gespannt. «Der Besucher weiss, er ist in einem Raum mit diesen Impulsen, die er aber nicht sehen kann. Also kann er sich in diesem Raum alles vorstellen», sagt Conrad. «Der Besucher kann sich darin beengt fühlen, durch die Anordnung der Bänder kann aber auch Weite entstehen, je nach Perspektive ist die Wahrnehmung unterschiedlich. Er selbst entscheidet, was er wie für sich erkennt.»

Gianin Conrad zeigt in der Gallaria Cularta in Laax eine zweite Installation aus Weidezäunen sowie ein selbst angefertigtes Kleid aus diesem Material.
Gianin Conrad zeigt in der Gallaria Cularta in Laax eine zweite Installation aus Weidezäunen sowie ein selbst angefertigtes Kleid aus diesem Material.
Bild Olivia Aebli-Item

Durch den Kontakt mit den am Stromkreislauf angeschlossenen Bändern entsteht zusätzlich eine physische Dimension. Mitten im Raum steht auf einem Podest ein mit blauen Weidezäunen bespannter Liegestuhl. Sich darauf zu setzen, empfiehlt sich nicht unbedingt. Auch er ist an den Stromkreislauf angeschlossen. «Der Liegestuhl hat auch einen Kippeffekt. Es ist so gesehen ein elektrischer Stuhl», so Conrad. «Gleichzeitig hat das Möbelstück an sich etwas Schönes, etwas Ruhestiftendes.» Wie er wahrgenommen wird, hängt vom Besucher ab.

Realitäten hinterfragen

Zwischen den beiden Etagen der Gallaria Cularta hängt ein aus Weidezäunen gestricktes Kleid. Der Künstler hat es mit der Strickliesel selbst angefertigt. Es visualisiere eine künstliche Welt, die mit einem Gegenstand aus dem Alltag verbunden sei. Durch diese Mischung versuche er, Realitäten zu hinterfragen, erklärt Conrad. Auch das Kleid steht unter Strom. Es ist also nicht nur mit dem Auge zu sehen, sondern vermittelt durch die Berührung auf einer zweiten Ebene einen physischen Impuls. Durch die neurologische Brille betrachtet, gibt die Ausstellung also sozusagen eine Sehhilfe für elektrische Impulse.

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