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Goldene Stunden am Freudenberg

Starke Musik, freudiges Publikum und bestes Sommerwetter am Quellrock-Open-Air: ein vielversprechender Start in die Festivalsaison.

Gion-Mattias
Durband
26.06.22 - 21:08 Uhr
Kultur

Überall zirpt, summt, zwitschert es in der Sommerhitze, während wir im Kreis den Burghügel emporstapfen. Nicht wenige werden wegen Wanda hier sein, dem österreichischen Headliner an diesem Samstag. Viele auch einfach wegen der atemberaubenden Kulisse, vor der sich ein ausverkauftes 42. Quellrock-Open-Air an diesem Wochenende abspielt. Es scheint, als hätten die einstigen Burgherren der über Bad Ragaz thronenden Ruine Freudenberg das Gelände eigens für das Festival geformt: Eine Vielzahl kleiner Hügelchen und Senken schafft übersichtliche Räume und formt natürliche Tribünen, die fast immer einen freien Blick auf das Bühnengeschehen erlauben. Ein buchstäblicher Freudenberg.

Überhaupt scheint hier fast alles Platz zu haben, denkt man sich, während zwei kleine Kinder mit buntem Ohrenschutz auf dem mütterlichen Badetuch in alten «Lucky Luke»-Comics stöbern. Auf der kaum 20 Meter entfernten Hauptbühne feiert derweil die Berner Mundartband Troubas Kater mit ihrer wuchtigen Bläsersektion ein lustvolles Gemenge aus Marschkapelle, Jazz und Hip-Hop.

Am Freudenberg hat alles Platz

Vorausgegangen war auf der Startrampe genannten kleinen Zweitbühne die Hip-Hop-Formation Rapture Boy, die sich wohltuend wenig um das oft gehörte «Ich bin besser als du»-Selbstdarstellungsgequassel kümmert und stattdessen sogar positive Gegenentwürfe zur kritisch beäugten Gegenwart wagt – erfrischend! Solche düster-urbanen Klänge noch vor Sonnenaufgang? «Falscher Ort, falsche Zeit», meint ein munter zur Musik wippender Nachbar. Genau richtig, finde ich. Überhaupt kann man dem Organisationskomitee für das Programm ein Kränzchen winden: abwechslungsreich und doch flüssig in der Abfolge der Bands. Deren Lust an der eigenen Musik und am Auftritt springen dem Publikum in den meisten Fällen fast schon ins Gesicht. Die richtige Musik für das richtige Publikum, möchte man anfügen: Vom Kleinkind bis ins gesetztere Alter scheint sich hier alles wohlzufühlen. Ob in der ersten Reihe herumtoben oder vom einen oder anderen Hügel müssig dem bunten Treiben zuschauen – hier kann jeder und jede, wie es grad beliebt.

Auch auf der Bühne nur strahlende Gesichter: «Läck du mir, isch das geil!», verabschieden sich Troubas Kater. Nach einer in Intensität und Spielfreude etwas abgefallenen Darbietung von The Gardener & The Tree folgen auf der Hauptbühne schliesslich Wanda. «Ach, du geile Scheisse!», schreit Sänger Michael Marco Fitzthum in die Menge, während er Bierdosen ins Publikum wirft. Auch er scheint dem Charme des Freudenbergs erlegen zu sein. Dem Publikum ergeht es gleich: Die fünf Mannen der nach einer Wiener Zuhälterin benannten Band spielen, als hätten sie gerade erst den Durchbruch erlebt – auch wenn Tante Ceccarellis verbotene Liebesnächte im Paradesong «Bolo-gna» der Fangemeinde schon seit acht Jahren in den Ohren liegen. Der Platz ist zu knapp, das Erlebte wiederzugeben. Nur so viel – wer Wanda nicht kennt: reinhören. Vielleicht sogar wieder mal am Freudenberg.

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