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«Im Rückblick staune ich, was alles gelaufen ist»

Das Anna-Göldi-Museum in Ennenda wurde zum Ort aktiver Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenrechte. Nun hört Museumsleiter Fridolin Elmer auf - etwas überraschend.

Südostschweiz
19.10.21 - 04:30 Uhr
Kultur
Der erste Museumsleiter geht: Fridolin Elmer hat das Anna-Göldi-Museum in Ennenda aufgebaut. Ende Jahr hört er als Museumsleiter auf.
Der erste Museumsleiter geht: Fridolin Elmer hat das Anna-Göldi-Museum in Ennenda aufgebaut. Ende Jahr hört er als Museumsleiter auf.
Pressebild

von Swantje Kammerecker

Kulturelles und soziales Engagement zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Fridolin Elmer. Musiker und (Musik-)Lehrer, Journalist, Politiker und Gemeinderat, Mitglied der Kulturkommission von Glarus Nord, Gründer des Kulturforums Brandluft, Mitglied im nationalen VCS-Vorstand: ein reiches Bündel an Erfahrungen und Talenten, die ihn geradezu prädestinierten für die grosse Aufgabe, der er sich während der letzten fünf Jahre mit Herzblut widmete.

Herr Elmer, wie kam es, dass Sie Leiter des 2017 gegründeten Anna-Göldi-Museums wurden?

Fridolin Elmer: Ich war seit der Gründung der Anna Göldi Stiftung 2007 mit dabei, anfänglich sogar als Stiftungsratspräsident. Als dann die Anna-Göldi-Ausstellung, bis anhin im Ortmuseum Mollis ansässig, in ein neues Museum im Hänggiturm Ennenda überführt werden sollte, stellte sich die Frage nach der Leitung. Da dies genau die Herausforderung war, die ich suchte, habe ich mich darum beworben. Daraufhin hat der Stiftungsrat mir diese Aufgabe übertragen.

Die Startphase war bestimmt anspruchsvoll – wie haben Sie diese erlebt?

Als neu gegründetes Museum hatten wir finanziell und personell wenig Spielraum; so war ich Leiter, Organisator, Kurator, Kommunikator, Museumsführer, Hauswart, Personalchef und Moderator an Veranstaltungen in einer Person. Zusätzlich übernahm ich die Projektleitung des aufwendigen Bauvorhabens, mit dem wir dank der grosszügigen Spende von Frau Anna Marie Schindler Wärme ins Museum bringen und gestalterische Anpassungen vornehmen konnten. Aber klar ist: Der Aufbau eines Museums ist ein Gemeinschaftsprojekt. Die erfolgreiche Entwicklung wäre ohne unser hochmotiviertes, mitdenkendes und engagiertes Team undenkbar gewesen.

Inzwischen ist das Anna-Göldi-Museum weithin bekannt, beliebt und geschätzt. Wie ist das gelungen?

Anna Göldi hat über den historischen Justizfall hinaus grosse Bedeutung, denn Menschenrechtsverletzungen sind auch heute leider noch aktuell. Nebst der sehr gut gemachten Ausstellung und den Führungen zu Anna Göldi war es mir deshalb wichtig, Wechselausstellungen und Veranstaltungen zu diesem Themenkreis ins Museum und damit in die Gegenwart zu bringen. Auch der historische Hänggiturm selber zieht Publikum an. Im stimmungsvollen Auditorium finden regelmässig Events statt wie Podien, Lesungen, Konzerte und Versammlungen. Dadurch sind wir gut vernetzt.

Trotz Corona: 2021 war wohl ein Höhepunkt seit Bestehen des Museums und während Ihrer Zeit als Museumsleiter…

Ja, das kann man so sagen. Die Ausstellung «Flucht aus Tibet» mit ihrem Begleitprogramm, die Matinee zum Gedenken an Sophie Scholl, und zuletzt die Ausstellung von Peter und Maria Leisinger, welche Flüchtende als eindrucksvolle Holzskulpturen zeigte: Das war alles sehr eindrücklich und hat viele Menschen bewegt. Unvergesslich auch für mich.

Da überrascht die jüngste Meldung, dass Sie das Museum und die Stiftung auf Ende Jahr verlassen, umso mehr. Wurde Ihnen alles zu viel?

Während der sehr intensiven Aufbauphase der fünf letzten Jahre habe ich einen Einsatz geleistet, der weit über das doppelte meiner 50-Prozent-Stelle hinausging, und dies bis zuletzt sehr gerne. Dass es aber nicht noch Jahre so weitergehen kann, war klar, und so stellten wir im April eine Co-Leitung ein. Im Zuge der Nachfolgeregelung und Reorganisation trafen der Präsident und die Geschäftsleitung dann den strategischen Entscheid, dass die Leitung verjüngt, feminisiert und professionalisiert werden soll. Da war für mich als Mitarbeiter und konzeptionellem Mitgestalter kein Platz mehr.

Sie hätten gerne weitergemacht?

Ja. Mit einem Kopf voller Ideen wäre ich noch liebend gerne dabei gewesen, diese umzusetzen – in einem kleinen bezahlten Teilpensum. Leider hat mir dies die Geschäftsleitung verwehrt, und zwar auf eine Art und Weise, die inakzeptabel für mich war. Daher mein Entschluss, den Stiftungsrat und die Geschäftsleitung auf Ende Jahr zu verlassen.

Das hört sich traurig an.

Das ist es. Andererseits nehme ich so viel Positives mit. Ich hatte eine wunderbare Zeit, absolut spannende und bereichernde, lehrreiche und erfüllte Jahre, auf die ich in grosser Dankbarkeit zurückschaue.

Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Im Rückblick staune ich, was alles im Museum gelaufen ist. Aber wenn ich einzelne Ereignisse aufzählen wollte, würde sicher anderes Wichtiges untergehen. Eher möchte ich Folgendes erwähnen: Der emotionale Zugang, der sich durch die existenziellen Fragen der Ausstellung und das Gespräch über menschliche Schicksale ergibt, liess oft in wenigen Sätzen Nähe und Verbundenheit entstehen. Die Begegnungen, Beziehungen und entstandenen Freundschaften mit Besuchern, Kulturschaffenden und Referenten sind ein grosses Geschenk, das ich bewahre und weiter pflegen werde.

Und, haben Sie schon Pläne für die Zukunft?

Ich schaue positiv nach vorne und sage mit Udo Lindenberg: Hinter dem Horizont geht’s weiter.

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