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Glarner Anregungen zu einem musikalischen Unikat

Ein konzertantes Werk für Klavier zu vier Händen, Violoncello und Streichorchester verdankt seine Entstehung dem Glarner Klavierduo Vilma und Daniel Zbinden.

Südostschweiz
14.06.20 - 04:30 Uhr
Kultur
Vilma und Daniel Zbinden pflegen eine persönliche Beziehung zum Komponisten Fabian Müller.
Vilma und Daniel Zbinden pflegen eine persönliche Beziehung zum Komponisten Fabian Müller.
SWANTJE KAMMERECKER

Von Walter Labhart

Zu den wenigen Schweizer Musikern, die imstande sind, Interpreten ein Stück auf den Leib zu schreiben, zählt der 1964 in Zürich geborene, weltweit aufgeführte Komponist Fabian Müller. In mehreren Werken ging er schöpferisch auf die besonderen Qualitäten der taiwanischen Violoncellistin Pi-Chin Chien ein, seiner Frau, mit der er auch konzertierend auftritt.

Für sie schuf er 2013 die äusserst vergnügliche «Swiss Suite» für Violoncello und Streichorchester. Sie basiert mit Ausnahme der Eigenkomposition «Musette jurassienne» auf Volksliedern aus den vier Sprachregionen der multikulturellen Schweiz. Eine zauberhafte Atmosphäre bereitet auf das Eröffnungslied «Luegit vo Berge und Tal» vor; die viel Italianità verströmende Monfrina «Marianon» im Tarantellenrhythmus beschliesst die kunstvoll instrumentierte Suite mit hinreissendem Schwung. Den effektvollen Solopart gestaltet Pi-Chin Chien mit warmblütiger Sangbarkeit und viel Brillanz in den virtuosen Partien.

Hommage an Prokofjew

Ebenso grosses Hörvergnügen bereitet das 2017 entstandene Concertino für Klavier zu vier Händen, Violoncello und Streichorchester. Des Komponisten Worten zufolge verkörpert das tonale, mit Dissonanzen gewürzte Werk eine «Hommage an Prokofjew» und seiner ungewohnten Besetzung wegen ein Unikat.

Die im schnellen Kopfsatz vorherrschenden Läufe stellen bezüglich der Fingerfertigkeit hohe Ansprüche. Im ruhigen Mittelsatz trägt das Violoncello wesentlich zur Vertiefung des Ausdrucks bei. Das als Scherzo bezeichnete Finale lebt von einem markanten Grundrhythmus und humorvoll-spielerischen Einfällen.

Das höchst originelle Werk verdankt seine Entstehung der unbändigen Musizierlust des Komponisten, seiner Einfühlung in fremde Stilwelten und ganz besonders der persönlichen Beziehung zum Glarner Klavierduo Vilma und Daniel Zbinden.

Mit diesem Musikerehepaar hatte Fabian Müller schon im CD-Projekt «Klingende Bilder» mit eigener Musik und solcher von Joachim Raff erfolgreich zusammengearbeitet.

Der Komponist bemerkt dazu: «Die Freundschaft mit dem Klavierduo Vilma und Daniel Zbinden nahm ihren Anfang 2014, als ich den Auftrag erhielt, ein vierhändiges Klavierwerk zu ‘Der Geist am Berg’ des Glarner Schriftstellers Tim Krohn für das Festival Musikwoche Braunwald zu schreiben.»

Das zum gemeinsamen Konzertieren geschaffene Concertino spielt dieses Duo aus Glarus und Pi-Chin Chien brillant und mit ansteckender Musizierfreude.

Liebevolle Raritätenpflege

Das in Ost und West konzertierende und an der Glarner Musikschule unterrichtende Klavierduo Vilma und Daniel Zbinden pflegt mit besonderer Vorliebe Musik abseits der ausgetretenen Pfade. So spielt es auf CDs Raritäten wie etwa die «Stimmen der Lieder» von Heinrich von Herzogenberg, die auf Volksliedern aus der litauischen Heimat der Pianistin basieren, oder die Ländler «Vom Luzernersee» des Schweizer Spätromantikers Hans Huber.

An die beiden Kompositionen von Fabian Müller schliessen sich auf der Neuerscheinung «Strings on the Move. Zürich-Klaipéda» zwei Werke des litauischen Komponisten Eduardas Baltys (1919 bis 1984) an. In der dreisätzigen Suite aus dem Ballett «Eglé, die Königin der Nattern» ist der Einfluss von Prokofjew nicht zu überhören, wodurch eine stilistische Verbindung zum Concertino von Fabian Müller hergestellt wird. Eine mit «Wiederschein des Meeres» betitelte sinfonische Dichtung verbindet Stimmungskunst mit ausdrucksvoller Klanglichkeit.

Alle vier Kompositionen werden vom Klaipéda Kammerorchester unter der Leitung von Mindaugas Baçkus hingebungsvoll interpretiert.

Nachdem Fabian Müller im Jahr 2004 dem Eiger eine gleichnamige Komposition für Sinfonieorchester gewidmet hatte und dazu schrieb: «Die Nordwand des Berges ist berüchtigt und weltweit eine Herausforderung für Kletterer», bleibt zu hoffen, dass der von der Bergwelt faszinierte Komponist eines Tages dem Tödi oder zumindest dem Glärnisch ein ebensolches Werk widmen wird.

Strings on the Move, Zürich-Klaipéda, ERP 11820 (Estonian Record Productions).

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